DOKU: CAN, 2000
Regie: Adam Simon
Darsteller: -
Und wieder blickt eine Doku zurück ins Kino der frühen Siebziger. In eine Zeit des gesellschaftspolitischen Wandels, als junge, wilde Regisseure wie Tobe Hooper, George A. Romero, David Cronenberg, Wes Craven und John Carpenter mit allen filmischen Konventionen brachen: Sadistische Mörder, lebende Tote und Kettensägen schwingende Maniacs lösten den harmlosen Grusel der Sixties ab ...
KRITIK:
Geschickt stellt die Doku AMERICAN NIGHTMARE das filmische Grauen aus Klassikern wie LAST HOUSE ON THE LEFT oder NIGHT OF THE LIVING DEAD dem realen Wahnsinn dieser Zeit gegenüber: In Vietnam tobte ein brutaler Krieg, während zuhause die Hippie-Ideale zerbröselten, Rassenunruhen ausbrachen, die Nationalgarde auf demonstrierende Studenten schoss und Martin Luther King ermordet wurde.
Die Szene in Wes Cravens berüchtigem LAST HOUSE, in der ein Mädchen im Waldteich ertrinkt,
ist beispielsweise einem Foto aus dem Vietnamkrieg nachgestellt.
Schnell wird klar, dass die Realität weit schlimmer war als die blutigsten Leinwand-Massaker dieser Zeit. Die vermeintlich provokanten Horrorschocker dienten den Filmemachern als künstlerisches Ventil zur Verarbeitung persönlicher Traumata.
Den Regisseuren war die subversive Qualität ihrer Arbeiten oft gar nicht bewusst;
dass THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE einmal im Museum of Modern Art gezeigt werden sollte,
konnte sich ein junger und zorniger Tobe Hooper damals nicht vorstellen.
Die Doku lässt die Filmemacher genauso zu Wort kommen wie Psychologen und Filmwissenschaftler. Die durchaus klugen und reflektierten Aussagen aller Beteiligten dürften so manchen Horrorfilm-Gegner überraschen (sofern er sich diesen Film überhaupt ansieht). Primäre Zielgruppe sind natürlich Fans des Genres: Dem Publikum werden einige extrem derbe Filmausschnitte aus teils indizierten Klassikern vorgesetzt. Dennoch ist der Grundton ein seriöser, wenn nicht gar ein wissenschaftlicher.
Es ist schön zu sehen, dass ein seriös gemachter Dokumentarfilm eine Lanze für das oft unterschätzte und angefeindete Horror-Genre bricht. Einziger Kritikpunkt: Mit 75 Minuten ein bisschen kurz; der gesellschaftspolitische Hintergrund des Seventies-Horros hätte ausführlicher behandelt werden können.
Und Wes Cravens These, wonach Horrorfilme - Zitat - "die kindliche Psyche stärken" - will ich lieber nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Mein Töchterchen lasse ich Wes Cravens bluttriefendes Frühwerk erst ansehen, wenn sie das Wahlalter erreicht hat. Und keinen Tag früher.
Spannende Doku, die das tabubrechende Horrorkino der Siebziger Jahre in Kontext zum realen Grauen dieser Zeit (Vietnamkrieg, Rassenunruhen etc.) stellt. Eine dringende Empfehlung für Hirnbesitzer unter den Horrorfans.