OT: Furyô anego den: Inoshika Ochô
PINKY VIOLENCE: J, 1973
Regie: Norifumi Suzuki
Darsteller: Reiko Ike, Akemi Negishi, Ryôko Ema, Yôko Hori, Christina Lindberg
Als Inoshika Ocho auf Bitte eines Sterbenden nach Tokio reist um dessen Schwester aus den Fängen der Rotlichtmafia zu befreien, entdeckt in sie in den Wirren des politischen Umschwungs die Mörder ihres Vaters. Von nun an verfolgt sie mit erbitterter Härte nur noch ein Ziel: Rache!
KRITIK:1973 galt es die Lücke zwischen Chambara und Pinky Violence-Reißern -
beides für die Toei Studios wichtige Genres, waren doch ein Gros ihrer Produktionen Genrebeiträge - zu füllen.
So wurde Norifumi Suzuki - der zuvor bereits für Beiträge zu den Girl Boss und Tokugawa-Serien verantwortlich
zeichnete - engagiert, das Drehbuch von Masahiro Kakefuda und seiner selbst mit Reiko Ike in der Hauptrolle
umzusetzen und Geld in die Studiokassen zu spülen.
Die Geschichte von Mord und erbarmungsloser Rache mag gewiss nicht neu - Rache war bereits das Hauptmotiv von Toeis Lady Snowblood - und so alt wie die Menschheitsgeschichte sein, doch umso beeindruckender ist das, was Suzuki draus machte.
Er sei bei einem gewissen Shunya Ito ("Sasori") in die Lehre gegangen möchte man fast meinen, so visuell ausgeklügelt und beeindruckend erzählt er seine Mär von Hass und Verrat, Sex und Gewalt.
Wenn Ocho sich bereits nach 12 Minuten Spielzeit splitternackt, wie evolutionsbedingte Prozesse sie schufen, durch ein Heer von Gegnern sticht, hackt und schwingt, Blut, Körperteile und tote Gegner durch die unwirkliche, nächtliche Schneelandschaft pflügen und ihr nackter Körper vom leuchtend-roten Lebenssaft bedeckt durch Reihen von Feinden prescht, entspinnt sich, unterlegt vom extrem eingängigen Hauptthema Sex and Furys, ein astethisch beeindruckender Reigen des Todes.
Doch ungeachtet dieser latent schwelenden Gewalt, die sich explosionsartig in sprudelnden Fontänen und sleazigen Übergriffen entlädt, erzählt Suzuki mit Sex and Fury eine verhältnismäßig vielschichtige Geschichte; das Katana kommt erst zum Ende hin wieder zum Vorschein.
Rund um Ochos Rachefeldzug entwickelt sich eine Geschichte um Korruption und Verrat, die mit ihrer Bürde der Vergeltung mehr zu tun hat, als es auf den ersten Blick scheint.
Der dritte Subplot mit der schwedischen, aus Thriller - en grym film bekannten
Sleaze-Ikone Christina Lindberg wandelt sich von einem symbolträchtigen Spionageplot -
der das Misstrauen und die Feindseligkeit gegenüber dem dekadenten Westen offen legt -
langsam in eine Liebesgeschichte, fügt sich gegen Ende jedoch wunderbar ins Gesamtbild ein,
so dass Kakefuda und Suzuki zum Schluss keine Handlungsstränge ins Leere laufen lassen.
Trotz allem jedoch, ist Sex and Fury immer noch ein Beitrag zum Pinky Violence-Genre.
Über die gesamte Laufzeit verteilt finden sich daher sexuelle Interaktionen.
Dabei werden die zumeist misogynen Ausschweifungen erotisch stilisiert und bildgewaltig in Szene gesetzt.
Farbenprächtige Bilder von Vergewaltigung und Folter, durchdacht inszeniert prasseln so auf den Zuschauer
ein und lassen ihn das zubereitete Gewaltmahl gefährlicherweise ohne Probleme goutieren.
Ohnehin fällt es der geübten Diebin und exzellenten Schwertkämpferin Ocho leicht ihren Körper als Waffe einzusetzen. Und genau hierin besteht ein großer Unterschied zu Meiko Kajis Lady Snowblood, zu dem Sex and Fury nicht unerhebliche Parallelen aufweist. Doch Inoshika kennt keine Grenzen, ihr sind alle Methoden recht um ihr Ziel, die Rache für ihren getöteten Vater, zu erreichen. Selbst wenn dies bedeuten sollte, dass sie ihren Körper hingeben muss - so ist sie denn durch nichts aufzuhalten.
Auch unterscheiden sich beide Werke bereits im Grundton. Suzuki schreckt nicht davor zurück das Geschehen mit einigen humoristischen Einlagen und abgedrehte Einfällen aufzulockern - seien es Springmesser schwingende Nonnen oder japanische Diebe, die sich nicht nur gegenseitig beklauen, sondern sich auch über so genannte "Western Balloons" wundern.
Wenn Ocho dann zum fulminanten Finale wieder das Katana auspackt, geschunden und sich ihrer Sache sicherer denn je unter ihren Feinden erneut ein poetisch-ästhetisches Blutbad anrichtet, wird der Zuschauer stärker als zuvor ins Geschehen gezogen, von der visuellen Wucht gar hypnotisiert. Und woher Tarantino die - nennen wir es freundlicherweise einmal so - "Inspiration" für Kill Bills Showdown im House of the Blue Leaves hat, dürfte spätestens jetzt klar sein.
Die unterstützende Besetzung von Sex and Fury agiert derweil auf erstaunlich hohem Niveau. Vor - gerade für das japanische Kino übliche - Overacting ist man zwar prinzipiell nicht gefeit, doch keiner der Antagonisten wirkt zu überdreht, die schauspielerische Leistung ist also verhältnismäßig hoch.
Ochos Quasi-Gegenspielerin Christina Lindberg ist zwar mit mimischem Talent irgendwo zwischen Steven Seagal und Chuck Norris "gesegnet", hat dafür jedoch einen schönen Körper und macht trotz allem - oder gerade deshalb - eine gute Figur.
Reiko Ike lässt indes keinen Zweifel daran, warum sie neben Meiko Kaji und Miki Sugimoto zu Toeis führender Schauspielerriege gehört. Ähnlich Kajis schafft sie es Emotionen und Gedanken mit wenigen Blicken auszudrücken und verleiht der Rolle des rastlosen Racheengels eine gar melancholische Aura. Erscheint während der erbitterten Duelle jedoch stets einskalt und berechnend.
Die HK-DVD von Eastern Star steckt in einem schicken Pappschuber und bietet neben drei Trailern - die jedoch "nicht der Rede wert sind" - den Film in etlichen Kapiteln unterteilt im japanischen Originalton mit wahlweise chinesischen oder englischen Untertiteln.
Sex and Fury ist brutal, blutig und voll sexueller Gewalt. Dabei ist er jedoch vielleicht sogar der bessere Lady Snowblood.
In exzellent gefilmten, künstlerisch anspruchsvollen Bildern präsentiert Norifumi Suzuki die Geschichte einer jungen Frau auf ihrem Weg zu finaler seelischer Katharsis und - wenn auch ziemlich kitschig - die Geschichte einer jungen und tragischen Liebe.
Zwischen blutigen Duellen im Schnee, Fesselkunst und Peitschenhieben, Sex, Humor und Gewalt verliert Suzuki seine eigentliche Aufgabe nie aus den Augen, so dass Sex and Fury - sowie der Zuschauer - zwar deutlich von dem Schauwert von Sex und Gewalt profitiert, jedoch niemals selbstzweckhaft und uninspiriert abgespult wird.
In diesem Sinne: "Tarantino's Bride killed Bill, but Ocho killed them all!"