OT: Profondo rosso
GIALLO: I, 1975
Regie: Dario Argento
Darsteller: David Hemmings, Daria Nicolodi, Gabriele Lavia, Macha Méril
Auf einem Kongress bezichtigt eine Medialbegabte nach einer Vision eine Person im Auditorium des Mordes und wird am gleichen Abend selbst brutal getötet. Der Pianist Marcus wird Zeuge des Mordes und ist sich sicher, dass er unbewusst etwas wahrgenommen hat, das den Killer überführen könnte. Marcus begibt sich mit der kessen Journalistin Gianna und einem Parapsychologen auf Mördersuche und damit in tödliche Gefahr. Denn auch der Mörder hat die Gabe des zweiten Gesichts und bringt alle, die ihm zu nahe kommen, für immer zum Schweigen
KRITIK:Im Jahr des Herrn 1975 hat der allseits bekannte Dario Argento ein ganz besonderes Süppchen kreiert.
Die geniale Rezeptur: Unheimliche Stimmungen und PSI-Elemente werden zu grandioser Goblin-Musik mit dem Style und Tempo eines altehrwürdigen Giallo in einer großen Schüssel Blut verrührt und das Ganze wird zuguterletzt mit dem Ausnahmetalent eines großen Regiedirigenten gewürzt.
Unter Genre-Gourmets ist die dabei entstandene Köstlichkeit als PROFONO ROSSO aka DEEP RED bekannt.
Mit diesem Film hat Dario Argento vor mehr als dreißig Jahren eine fast zwei Dekaden andauernde Mondphase eingeläutet, in welcher er eine ganze Latte an Meisterwerken und Klassikern hervorgebracht hat. Unter letzteren und dort bei den ganz wichtigen: DEEP RED.
Da hat er ein bisschen Genre-Revolution betrieben. Er hat in diesen superben 126 Minuten den Giallo weit aus der Thrillerecke heraus- und in unmittelbare Horror- ja fast schon Splatterfilmnähe gerückt. Okay, der Giallo und der Horrorfilm haben ja seit jeher ein freundliches, verwandtschaftliches Verhältnis und auch in den Werken anderer im Genre tätigen Regisseure gab es schon vor PROFONDO ROSSO die ein oder andere rüde Szene (man erinnere sich beispielsweise an Martinos TORSO), aber Argento kombiniert hier die Stile mit einer bemerkenswerten Konsequenz und Eleganz.
Und das Ergebnis ist so gut geworden, dass neben dem majestätischen DEEP RED Argentos frühere beileibe nicht schlechten Genrebeiträge DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE, VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT und DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE fast schon zu bloßen Fingerübungen verblassen.
Die Ausgangssituation von DEEP RED - ein Unbeteiligter beobachtet einen Mord und beginnt zu ermitteln - ist dieselbe wie in Argentos Debüt - dem vorgenannten GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (1969) - und vielen anderen Gialli. Doch hier perfektioniert der Italiener und Vater der Schauspielerin Asia Argento seinen ureignen Stil zu einem Arrangement aus Kunst, audiovisueller Kraft, schwarzem Humor und blutiger Gewalt. Und diesem wird sich wohl niemand, der dem Genre auch nur ein bisschen Liebe entgegenbringt entziehen können.
Warm ums Herz wird´s dem Fan, wenn sich Argentos gesichtsloser Killer die obligatorischen schwarzen Handschuhe überstreift, noch einmal die morbide Utensiliensammlung in Augenschein nimmt, bevor er zur blutigen Tat schreitet. Und diese Taten sind einmal mehr kleine, morbide Theateraufführungen, die stets mit dem spektakulären und recht blutigen Ableben eines Protagonisten enden.
Auch ein Vergnügen: das Spiel der beiden Hauptakteure David Hemmings und Daria Nicolodi, die sich als Amateurdetektive ins Verderben ermitteln und das bis dato sympathischste Protagonistengespann in einem Argento-Streifen bilden.
Wenn eine schwer gestörte Psyche hellseherische Fähigkeiten entwickelt, ist sie ihren Häschern immer einen Mord voraus. - Ein mit parapsychologischen Phänomen und Splatter angereicherter Giallo von epischer Länge und majestätischer Größe. Immer dann, wenn die unaufgeregt erzählte Mörderhatz zu behäbig oder gar langatmig zu werden droht, kommt die nächste Bildgewalt, die nächste Regiefinesse oder ein anderer denkwürdiger Mord.