Im Filmtipps-Vergleichstest: Tödliche Ferien im Jahr 1970 und 2010.
Ein Original. Ein Remake. Zeit, dass Heimkino in einen Turnierplatz zu verwandeln und einen Film gegen seine Wiederaufbereitung antreten zu lassen. Auf geht`s mit beiden auf den Seziertisch - und der Themenabend heute ist: Zwei junge, hübsche Stadtmädchen im Urlaub auf dem Lande und eine von beiden verschwindet plötzlich spurlos. Die andere, jetzt allein in der Fremde und der Sprache der Einheimischen nicht mächtig, begibt sich nun auf die verzweifelte Suche und schwebt bald selbst in allergrößter Gefahr ...
Diese Geschichte erzählte uns ein fieser britischer Thriller namens AND SOON THE DARKNESS aus dem Jahre des Herrn 1970. Dort sind es die beiden süßen Engländerinnen Jane und Cathy, die mit den Fahrrädern durch Frankreich einem garstigen Schicksal entgegenfahren. Der Film, der bei uns TÖDLICHE FERIEN hieß, hat im letzten Jahr eine Neuverfilmung gleichen Titels spendiert bekommen und die ist nun auch bei uns auf DVD erschienen.
Den Cover-Combat entscheidet das Original für sich. Während die DVD-Hüllenzierde des Remake unscheinbar und austauschbar wirkt, gibt die farbverfremdete Flucht eines Mädchen durch eine mit unzähligen Augenpaare bereicherte Wald-und Wiesendüsternis auf dem Titelbild der Ur-TÖDLICHE FERIEN ein kleines optisches Leckerli im Psychothrillerregal ab. Außerdem sind vor allem die vielen Augen auf dem Cover schon einmal konkrete Hinweise auf die dem Film innewohnende Paranoia.
Aber wie bei Büchern ist auch bei Filmen nicht der Umschlag, sondern der Inhalt wesentlich. Doch bevor wir ins Eingemachte gehen, werfen wir doch zunächst einen Blick auf die Besetzung.
Im Original begeben sich Pamela Franklin und Michelle Dotrice in die tödlichen Ferien.
Während Michelle Dotrice in britischen Horrorkloppern wie BLOOD ON SATAN'S CLAW und Hammers THE WITCHES zu sehen war, ist Pamela Franklin schon seit Kindesbeinen im abseitigen Genre unterwegs. Im altehrwürdigen Klassiker SCHLOSS DES SCHRECKENS war sie eines der unheimlichen Kinder, die ihre Gouvernante Deborah Kerr schnurstracks in den Wahnsinn trieben. Als Heranwachsende stand sie zusammen mit Bette Davies im Hammer'schen Psychothriller THE NANNY vor der Kamera und als junge Frau landete sie schließlich im spukgeplagten Hell House zum TANZ DER TOTENKÖPFE.
Im Remake spielt Amber Heard die Hauptrolle. Wir kennen sie noch recht gut als MANDY LANE, die von allen Jungs geliebt wird. Okay, sicherlich gibt es immer noch genug Jungs (und Mädels) da draußen, die für ein paar Sekunden von Ambers ungeteilter Aufmerksamkeit auch von einem Hausdach in den Pool springen würden; selbst auf die Gefahr hin, dass der Sprung nicht im Wasser, sondern schmerzhaft aufm Beckenrand endet - so geschehen bei ALL THE BOYS LOVE MANDY LANE; doch ganz so Amber Hart wie in Mandy Lane-Tagen ist Amber Heard in AND SOON THE DARKNESS nicht mehr. Aber fraglos immer noch eine Augenweide. Wie übrigens auch die aus CLOVERFIELD bekannte Odette Yustman, die die Ferienfreundin spielt. Aber da Amber Heard das Remake koproduziert hat, dürft ihr jetzt raten, ob nun Amber oder Odette als erstes verloren geht? Naaaa? - Righty Right!
In beiden Filmen gibt es einen gelinde gesagt undurchsichtigen männlichen Co-Star. Während im Original diesen Part der gutaussehende Hammerfilm-Veteran Sandor (FRANKENSTEINS UNGEHEUER, COMTESSE DES GRAUENS) Elés einnimmt, ist es im Update Karl Urban aus der HERR DER RINGE-Trilogie.
Beim Remake durfte sich mit Regisseur Marcos Efron ein Debütant versuchen, doch auch Robert Fuest, der das Original gedreht hat, stand damals 1970 ganz am Anfang seiner Karriere, die im Anschluss von AND SOON THE DARKNESS übrigens sofort mit zwei Vincent Price-Klassikern (nämlich den beiden glorreichen PHIBES-Filmen) fortgesetzt wurde.
Für das heutige mit SAW & Friends aufgewachsene Horrorfilmpublikum dürfte die Gangart des originalen AND SOON THE DARKNESS zu langsam und zu leise sein. Blut gibt es kaum bis gar nicht. Die Schockmomente sind vergleichsweise rar eingesetzt und der Terror tritt erst im Finale offen zu Tage - dann allerdings alles andere als ineffektiv. AND SOON THE DARKNESS, der Erste, setzt auf Suspense. Auf eine, die sich langsam aufbaut. Auf trügerische Idylle. Auf permanentes Unbehagen, das sich allmählich in eine Atmosphäre der Bedrohung ausweitet. Von der Stimmung ist er ein bisschen mit dem fünf Jahre später entstandenen URLAUB IN DER HÖLLE vergleichbar.
Hier wie dort kündigt sich das Unheil schon kurz nach dem Vorspann an.
Einsame Landstraßen, kleine Kuhkäffer mit seltsamen, verschrobenen Menschen, mit denen man sich wegen der Sprachbarriere nicht wirklich verständigen kann. Dann dieser smarte, aber mysteriöse Mann, der unsere Urlauberinnen zu verfolgen scheint und sich später in unglaubwürdige Erklärungen verstrickt. Längst nicht der Einzige in diesem französischen Hinterland, der nicht gerade Vertrauen erweckt.
Man merkt es gleich. AND SOON THE DARKNESS, das Original, ist ganz klar ein Psychothriller aus der "Don't trust anyone"-Gattung mit merklichen Backwood-Terror-Einschlag. Allerdings minus den Kettensägen, Menschenhautmasken und der gallopierenden Inzucht.
Dennoch hat es Fuest verstanden, die Landstraßen am sonnigen Arsche Frankreichs trügerisch friedlich, schwelend bedrohlich zu zeichnen. Die exquisit düstere Atmosphäre in den hellen Urlaubstagen macht den Film auch ohne vordergründige Gewaltexzesse spannend. Auch wenn das Tempo eher gemächlich und der Schlusstwist relativ vorhersehbar ist. Abbitte leisten die wenigen, aber durch die Bank gelungenen Schockmomente. Und der wohl fieseste Griff an einen Frauenhintern in history.
Ebenfalls zu Gute halten muss man Fuest, dass er den Backwood-Alptraum nicht übertrieben hat. Der Schrecken ist hier realer als in den aberwitzig degenerierten Hinterwäldlerhöllen späterer amerikanischer Produktionen ab dem mächtigen TEXAS CHAINSAW MASSACRE. Am Ende einer Filmtippsreview würden für das Original ganz dicke 7 von 10 kaputten Fahrradspeichen stehen. Nicht zuletzt deswegen, weil die eigentlich simple, heute weit über Gebühr aufgetischte Geschichte damals zu seiner Entstehungszeit in den ganz frühen 70ern eben noch nicht allzu oft bemüht wurde.
Und hier bekommt das Remake Gegenwind in Orkanstärke.
Horrorfilmfans bräuchten mehr Hände als ein ralliger Hentai-Dämon Tentakel hat, wenn sie abzählen wollten, wieviele Filme über junge Leute, die Reisen ohne Wiederkehr ins Hinterland unternehmen, sie bereits im Filmschrank stehen haben. Da waren natürlich die Trips nach Texas, wo der Urlaub spätestens auf Leatherfaces Fleischerharken vorbei war. Das falsche SHUTTLE, welches die Studentinnen Jules und Mel genommen haben. Das Wochenende am EDEN LAKE. Natürlich die garstigen (und buchstäblichen) Ferienenden in diversen osteuropäischen HOSTELs. Und, und, und...
Das Remake von AND SOON THE DARKNESS sieht sich nun mit dem nicht unerheblichen Problem konfrontiert, dass verdammt viele aus diesen Schwadronen von Genrebeiträgen in diesem Sujet entweder derber, blutiger, beunruhigender, packender, gemeiner, origineller oder all das Genannte zusammen sind.
Ja, selbst das vierzig Jahre ältere Original überflügelt seine Neuverfilmung in fast jedem dieser Punkte spielend.
Machen wir hier einmal die Probe aufs Exempel mit der Schlüsselszene der Geschichte. Das Verschwinden einer der Urlauberinnen. Im Original sind das ziemlich intensive Minuten. Der Strick zieht sich dort von Einstellung zu Einstellung mehr zu. Fuest reiht dort einen bedrohlichen Moment an den nächsten, bis am Ende eine beunruhigende und vor allem erinnerungswürdige Filmsequenz steht.
Im Remake verschenkt man diesen Spannungs-Sure Shot völlig. Mit dem letzten Blick (des Opfers) zum Himmel, in dem ein Flugzeug einen Kondensstreifen hinter sich herzieht, zollt man dem Original noch eine nette Remniszenz, begnügt sich danach aber mit ein paar aus den Büschen herausgefilmten Belauerungen mit der Kamera bis man das Schicksal fast schon beschämend unspektakulär zuschlagen lässt.
Offensichtlich hat Marcos Efron seine Suspense-Lektionen ausnahmslos geschwänzt. Da sind wohl vierzig Jahre Genregeschichte an einem spurlos vorbeigegangen. Stattdessen kommt er an anderer Stelle mit der ollen "Angreifer naht und das verdammte Auto springt plötzlich nicht mehr an!"-Nummer hinterm Ofen vor. Und weil er an die Suspense des Originals nicht herankommt und andererseits auf neuzeitliche Splattereien fast völlig verzichtet, dürfte sich Efron zwischen alle Stühle gesetzt und es schwer haben, mit diesem Remake eine Zielgruppe zu erschließen.
Keine Ahnung, wie dienlich ihm dabei die inhaltlichen Modifikationen im Vergleich zu den Ur-TÖDLICHE FERIEN sind. Neue Genregeschichte wird er mit diesen auch nicht schreiben, aber trotzdem waren sie für ein, zwei ins Schwarze treffende Twists gut.
Gelungen ist übrigens auch die Kameraarbeit, die vor allem die beeindruckende argentinische Naturkulisse gut einfängt. Argentinisch? Ja. Während Pamela und Michelle im Original noch in Frankreich unterwegs waren, hat es Amber und Odette auf ihren Rädern und 40 Jahre später gar nach Südamerika verschlagen.
Das Resultat für die Mädchen war aber dasselbe: Ein Scheißurlaub - doch zumindest ein schauenswerter Thriller ist dabei für uns herausgesprungen!
Kinowelt hat jüngst Remake und Original back to back in die Läden gebracht. Tut euch den Gefallen und kauft euch das Original. Denn das streng genommen völlig überflüssige Remake zieht in diesem Fall mit 3 von 10 nicht anspringenden Autos ganz klar den Kürzeren im direkten Vergleich mit dem Original. Auf ofdb (Original - derzeit 6,97 Punkte / Remake - derzeit 5,12 Punkte) sieht man das ähnlich. Und bei der imdb auch, wo den Leuten die TÖDLICHE FERIEN 1970 6,7 Punkte wert sind und die Neuauflage 2010 lediglich 5,0.