Im Filmtipps-Konsumententest: Fleischfressende Piranhas aus 1978 und 2010.
Es ist echt frustrierend! Da kam mir heute Morgen aus heiterem Himmel eine vermeintlich innovative Idee zu einer neuen Filmtipps-Rubrik, die ich gerne selbsterklärend "Remake vs. Original" genannt hätte und dann muss ich am Mittag bei einer Google-Recherche feststellen, dass die Eingabe meines vermeintlich innovativen Rubriktitel "Remake vs. Original" schon 159 Treffer ergibt. Quasi hundertsechzig Dumme (including me) und ein Gedanke! Und für mich ein Déjà-vu-Erlebnis. Denn das Platzen dieser Seifenblase erinnerte mich an meine damaligen Bestrebungen, einen Reviewblog mit dem Namen "Der Satanische Filmdienst" einzurichten, nur um dann mit Schrecken festzustellen, dass ein solcher schon lange existiert … Dies hat mich so ernüchtert, dass ich Abstand von der Selbstständigkeit genommen habe.
Gut, dass meine heimatlosen Reviews und ich kurz darauf vom herzensguten Harald von der Straße aufgelesen wurden und wir im Schoße der Filmtipps-Familie ein so wunderschönes Zuhause bekamen, dass ich im Nachhinein froh darüber bin, dass es den "Satanischen Filmdienst" schon gegeben hat.
Trotzdem ist es sehr schade, dass "Remake vs. Original" bereits vergeben ist. Aber hey, das ist Rhona Mitra auch und ich bin drüber hinweggekommen…
Auch wenn wir dem Kind nun einen anderen Namen geben müssen - wie wär es mit "At war with the remake" oder "Abgerechnet wird nach dem Remake" oder "denkteucheinfachselberwasaus!"? - hier kommt aus purem Trotz der erste Beitrag zu dieser nun leider namenlosen Rubrik, in denen sich ein Remake mit seinem Original um 12 Uhr mittags High Noon auf staubiger Straße duellieren muss.
Doch genug der Einführung! Rammeln wir los! Willkommen in der Heimkinoarena des Todes! Es riecht nach Fisch:
1978 - immer noch unter dem Eindruck des überwältigenden Triumphs der Spielberg'schen JAWS an den Kinokassen und den Wellen eisigen Schreckens, welche DER WEISSE HAI allen Schwimmern und Strandurlaubern in die Badehosen gejagt hat, drehte Joe Dante PIRANHA, das Original. Sicherlich hatte hinter dieser Themenwahl das stark ausgeprägte kommerzielle Kalkül des Produzenten Roger Corman gesteckt - schließlich wusste der nur zu gut, dass das Publikum so unmittelbar nach den Haiattacken in der Lower Bay von Amity noch mehr mörderische Wasserbewohner sehen wollte- und zweifelsohne war JAWS die Hauptinspirationsquelle von PIRANHA.
Allerdings wird man dem Film sicherlich nicht gerecht, wenn man ihn - wie es leider viele tun - als plumpes Plagiat abstempelt. Schließlich saß hier Joe Dante auf dem Regiestuhl. Also der Mann, der uns später noch DAS TIER, GREMLINS und die SMALL SOLDIERS bringen sollte. Und das merkt man. Beispielsweise an diesem feinen, ironischen Unterton, den ich bereits in der ausführlichen Review im Rahmen unseres Fischhorror-Specials erwähnt habe. In letzterer bin ich übrigens zum Schluss gekommen bin, dass PIRANHA ganz klar ein Rip-Off ist, aber eines von der netten, unterhaltsamen und vor allem augenzwinkernden Sorte.
Im neuen Jahrtausend hat das Dreidimensionale unsere Kinos und Wohnzimmer endgültig im Sturm erobert. Und Hollywood hat sich an den alten Fisch vom alten Joe erinnert und kam zum Schluss, dass der 3D-Hype in Verbindung mit Piranhas die Kassen ganz schön klingeln lassen könnte.
Und wer wäre wohl der geeignete Regisseur für ein solches Projekt? - A ja, der Aja! Freilich!
Das französische Wunderkind wurde gleich nach seinem europäischen Filmdebüt in die Traumfabrik beordert. Alexandre Ajas noch in der französischen Heimat entstandene Erstling - wir erinnern uns - war der famose mit deftigen Gianetto de Rossi-Effekten garnierte Terrorbatzen HIGH TENSION.
In Hollywood durfte der junge Newcomer aus dem alten Europa bislang allerdings keine eigenen Visionen mehr auf die Leinwand bringen, sondern wurde als Remake-Sklave verdingt. Die Folge war eine äußerst gelungene Neuverfilmung des alten Craven-Klassikers THE HILLS HAVE EYES. Danach kam mit MIRRORS eine solide, aber bestimmt keine weltbewegende US-Version des südkoreanischen Spiegelgrusel INTO THE MIRROR. Und nun also PIRANHA 3D, das Remake.
Am Kern der Handlung - Piranhas in stark frequentierten amerikanischen Badegewässern- hat sich nichts geändert. Nur die Herkunft der gefräßigen Biester ist eine andere. Im Original entfleuchten sie aus einem militärischen Versuchslabor; im Remake einem Erdspalt, der durch ein Seebeben entstanden ist.
Während der lediglich mit einem Hungerbudget ausgestattete Dante auf keine zwei Handvoll Piranha-Modelle zurückgreifen konnte und somit mittels Kameratricks und brodelnder Wasseroberfläche die Illusion eines Schwarms erschaffen musste, standen Alexandre Aja 24 Millionen Dollar, 3D-Technik und eine ganze Streitmacht an CGI-Spezialisten zur Verfügung. Und mit deren Hochleistungsrechnern war es möglich, garstige Fischkarnivoren nach Belieben zu erschaffen. Die Piranhas sind zwar um Welten besser animiert als ihre Artgenossen in einem billigen Asylum-Aquarium, doch man sieht ihnen jederzeit ihre Computerherkunft an. Dafür sorgen sie im Vergleich zu Dantes Original für deutlich mehr Gorefreuden. Aber dazu kommen wir noch.
Zunächst einmal vergleichen wir die Jagdgründe der fiesen Fische. Hier wie dort sind es amerikanische Seen und Flüsse. Im Original terrorisieren die Piranhas neben einem Badespaßresort auch ein Kinderferienlager. Im Remake verleiden die Killerfische die Wet-Shirt-Contests und öffentlichen Blowjobs einer Springbreak-Feier.
Trauriger Höhepunkt ist dabei das tunlichst jeden Pink Shot vermeidende und daher völlig verkrampfte lesbische Unterwasserballett. Kommt trotz Beteiligung von Kelly Brook (!) ziemlich unerotisch rüber und dabei genügt ja oftmals die bloße Erwähnung ihres Namens um Erektionsprobleme zu beheben. Aja wäre gut beraten gewesen, wenn er vor dieser Szene noch einmal Jaeckins EMMANUELLE oder D'Amatos EMANUELLE IN AMERICA studiert hätte, nur um noch mal zu sehen wie man geile Unterwasseraufnahmen von nackten Frauen hinbekommt.
Dafür macht man Ajas Fischen in Sachen Hackfleisch nichts vor. Die renommierten KNB-Splattermaker Nicotero und Berger schütten Gallonen von Kunstblut und Fleischfetzen in den See, bis er wahrhaftig einem Ozean aus Gore gleicht. Bis auf die Knochen abgenagte Gliedmaßen, von Schiffsschrauben skalpierte, von Stromkabeln halbierte Damen und am laufenden Meter formvollendete Feeding Frenzies der Killerfische ergeben eine Vollbedienung, die das Remake von PIRANHA vielleicht zum Splattrigsten aller maritimen Tierhorrorfilme bis dato macht.
Während das PIRANHA-Update vor Einfallsreichtum strotzt, wenn es darum geht, in Blut und Fleisch zu waten, ist es auf der anderen Seite ziemlich enttäuschend, dass es einem erwiesenen Kenner und Könner wie Aja nicht gelungen ist, dem Tierhorrorgenre auch nur eine einzige neue Note hinzuzufügen. Da hätte man sicherlich mehr erwarten dürfen als dieses planmäßige Abspulen von Genreroutinen.
Im Gegensatz zu manch anderen Neuverfilmungen hat PIRANHA, das Remake trotzdem eine Daseinsberechtigung. Der alte PIRANHA aus dem Jahr 1978 - so sympathisch er in meinen Augen auch heute noch ist- dürfe auf die junge SAW-Generation hoffnungslos antiquiert wirken. Dagegen ist der neue PIRANHA auf den Zeitgeist zugeschnitten. Er ist in 3D. Wir haben Springbreak. Eli Roth macht mit. Wenn die Piranhas fressen, fressen sie richtig. Und wenn sie nicht fressen, dann wummert der Techno und die Möpse schaukeln dazu. Doch kein Grund zur Sorge: Ab Filmmitte fressen sie nur noch. Also die Piranhas, nicht die Möpse…
So, das Donnern der Schüsse ist verhallt und die Staubwolken lichten sich langsam. Kurze Zeit herrscht Totenstille auf der Straße. Doch dann hören wir das Original leise kichern und wir wissen, dass das Remake ins Gras gebissen hat. Allerdings war es eine ziemlich knappe Angelegenheit. Denn obgleich schon das Original nicht der größte Wurf im Tierhorrorgenre war, so ist es aber nicht zuletzt wegen seinen beiden sympathischen Hauptprotagonisten und der feinen Ironie eine runde Sache und irgendwie viel charmanter als das Remake.
Letzteres ist aber auch nicht schlecht. Sofern man sich mit lustigem, aber niveauarmen Gorebauernspaß bei flachen Tittensprüchen be- und vergnügen kann.
Fazit: PIRANHA (1978) erhält 7 von 10 Badespaßresorts - PIRANHA 3D (2010) 6 von 10 angenagten Party People. In einem lange offenen Duell behält das Original hauchdünnes Oberwasser. Letztendlich obsiegten die sympathischeren Charaktere und die feine Ironie des Ur-PIRANHA über die ausgelassen blutigen Fressorgien des Remakes, dessen Niederlage nicht zuletzt von seinem dümmlichen von platten Tittensprüchen und Klischees geprägten Drehbuchs besiegelt wurde. PS: Hätte dieses Duell allerdings auf ofdb und imdb stattgefunden, so hätte das Remake die Nase vorne gehabt. Allerdings auch nur äußerst knapp, denn Ofdb listet das Original derzeit mit einem Durchschnittswert von 6,33, während das Remake auf 6,87 Punkte kommt. Auf imdb geht es zwischen Remake (6,0) und Original (5,7) noch enger zu.