KOMÖDIE: DEUTSCHLAND, 2010
Regie: Ralf Huettner
Darsteller: Florian David Fitz, Karoline Herfurth, Johannes Allmayer
Nach dem Tod seiner Mutter wird der unter dem Tourette-Syndrom leidende Vincent (Florian David Fitz) von seinem Vater, ein hochrangiger bayerischer Politiker (Heino Ferch), in eine Klinik für psychisch Gestörte eingeliefert. Dort soll die Krankheit des 27-Jährigen behandelt werden - doch stattdessen büchst er mit seinem neurotischen Zimmernachbarn Alex (Johannes Alimayer) und der magersüchtigen Marie (Karoline Herfurth) im Auto der Klinikleiterin aus. Ihr Ziel: Das italienische Meer, das Vincent endlich sehen will und das er unwiderruflich mit seiner verstorbenen Mutter verbindet. Ihnen auf den Fersen: Die Klinikleiterin und Vincents Vater, die ebenfalls mit mehr Problemen kämpfen als sie nach außen hin vorgeben. Ein Roadtrip der etwas anderen Art beginnt...
KRITIK:Vorneweg: Es ist schön, dass das Thema "Tourette" einmal von einer ernsthaften Seite im Film beleuchtet wird. Sicher, der Streifen ist zu gleichen Teilen eine Komödie wie er ein Drama ist und natürlich sorgen Vincents Tics und Ausfälle anfangs für einige Lacher - ebenso wie die Zwangsneurosen seines Zimmernachbars Alex, für den immer alles ordentlich und rein sein muss. Die Inszenierung macht aber auch deutlich, mit welchen Problemen Menschen kämpfen müssen, die von der Gesellschaft aufgrund ihrer unverschuldeten Andersartigkeit belächelt oder gar abgewiesen werden.
Davon abgesehen ist VINCENT WILL MEER ein durchaus unterhaltsamer Film, bei dem einen das Lachen mitunter im Halse stecken bleibt, dies aber gut zur Gesamtstimmung des Films passt. Leider ist diese etwas chaotisch - zwar sind die Abschnitte merkbar in "Klinikaufenthalt", "Fahrt nach Italien" und "Ankunft in Italien" eingeteilt, doch wirkt es, als ob der Drehbuchautor - übrigens Hauptdarsteller Florian David Fitz selbst - seine Probleme mit dem Füllen dieser Eckpunkte mit kinotauglichen Inhalten hatte. Die einzelnen Szenen tragen zwar durchaus zur Entwicklung der Charaktere bei, können sich einer gewissen Belanglosigkeit aber nicht verwehren. Mehr Spannung, mehr Abwechslung hätte man sich abseits der Beziehungsgeflechte gewünscht, um den Film wirklich in eine Reihe mit anderen "serious comedys" stellen zu können.
So punktet er vor allem durch Subtilitäten wie die Anbahnungen zwischen der Klinikleiterin und Vincents Vater, der Eifersucht Alex auf der Verhältnis von Vincent und Marie oder das Unvermögen der beiden, mit Alex' Verhalten umzugehen - obwohl sie als Leidensgenossen eigentlich wissen sollten, wie schwer es der Sauberkeitsfanatiker eigentlich hat. All diese Begebenheiten werden höchstens angedeutet und lassen Spielraum für eigene Gedanken, stechen dabei aber gleichzeitig gegenüber im Grunde obsoleten Szenen wie die Verhaftung der Klinikleiterin als vermeintliche Diebin ihres eigenen Wagens hervor.
Alles in allem schafft VINCENT WILL MEER die Fusion zwischen witzig-seichtem Popcorn-Kino und der Thematisierung eines Tabu-Themas in einer ernsthaften Form, die zum Nachdenken anregt. Es ist einer dieser Filme, die einem aufgrund ihrer Spannung und Abwechslung zwar nicht kürzer vorkommen, als sie eigentlich sind, aber dennoch auch keine wirklichen Längen besitzen, die ermüden oder sich nur durch aufgesetzte Künstlichkeit bemerkbar machen.
Überhaupt ist das Fehlen von moralgeschwängerter Belehrung seitens des Regisseurs ein großer Pluspunkt, denn bei einem Film über psychische Störungen und dem Umgang der Betroffenen mit solchen liegen diese meist nahe und so lässt es sich fast als Kunst bezeichnen, wenn die Inszenierung es schafft, davon Abstand zu halten. Dass der Zuseher dennoch keine "Haha, der schimpft einfach so in der Öffentlichkeit"-Komödie präsentiert bekommt, ist der wahre Verdienst des Drehbuchdebüts.
Trotz der mitunter substanziellen Kritikpunkte ist VINCENT WILL MEER insgesamt ein unterhaltsames Drama, das zwischen lockerem Witz und passender Ernsthaftigkeit oszilliert. Man hätte definitiv mehr aus dem Thema herausholen können - das aber wohl nur auf Kosten der komödiantischen Elemente, was den Film zu sperrig für ein Massenpublikum gemacht hätte. So kann man ihm hingegen zugute halten, dass er eben diesem die Themen "Zwangsneurosen" bzw. "Essstörungen" leicht zugänglich näher bringt.