DRAMA/KOMÖDIE: D, 2004
Regie: Dito Tsintsadze
Darsteller: Fabian Hinrichs, Lavinia Wilson, Johan Leysen, Ingeborg Westphal
Zivi Lukas wird beinahe täglich mit menschlichen Elend konfrontiert. Als eine Art "Essen auf Rädern"-Lieferant trifft er auf allerhand einsame, teils skurrile, vor allem ältere Menschen. Aber auch die Zeit außerhalb des Dienstes bietet wenig Kontrast. Die Wohnung- klein und schäbig, einsame Ruderfahrten als Zeitvertreib und keine wirklichen Freundschaften. Das Leben des jungen Wehrdienstverweigerers ist einsam, eintönig und leer. Lukas wird jäh aus seiner Lethargie gerissen, als ihm eine junge Frau ihn einen Zettel mit dem Text "Hilf mir" in die Hand drückt
KRITIK:"Es gab Soldaten die haben nach sechs Jahren Krieg immer noch die Augen geschlossen,
wenn sie abgedrückt haben, Schussangst heißt das", klärt ein alter Kriegsveteran
Lukas, der ihm das Essen bringt, auf. Doch Schussangst bedeutet mehr, es bedeutet im
letzten, entscheidenden Moment Hemmungen zu haben und dadurch seine Pläne nicht zu
verwirklichen, seine Ziele nicht erreichen zu können. Lukas beteuert im Film zwar,
dass er keine Angst habe, doch man nimmt es ihm nicht ab.
"Die Angst allein kann nicht existieren". "Wir haben nicht Angst vor Monstern sondern vor der Angst".
Mit solchen Floskeln wirft ein Motivationstrainer, dessen Veranstaltung Lukas besucht, um sich.
Lukas hört nicht richtig zu, denn er hat ja keine Angst, er nicht.
Aber er hat Hemmungen. Man sieht ihm an, dass er anders sein möchte, dass er aus
seiner Lethargie ausbrechen möchte. Lukas ist einer von denen, die gutmütig sind,
die sich meistens alles gefallen lassen und die nicht alles bekommen, was sie sich
wollen.
Lukas möchte anders sein. Doch wie kann er ausbrechen aus
seinem ich? Seine ganze Hoffnung setzt Lukas auf Isabella, der mysteriösen Frau,
die ihn im Bus einen Zettel in die Hand gedrückt hat. Aber auch im Umgang mit ihr
hat er Hemmungen.
Der Grund für sein Verhalten mag in seiner Kindheit liegen. Es ist sicher kein
Zufall, dass die Gespräche zwischen Lukas und Isabella meist um Kindheit und
Sexualität kreisen. Doch beide reden stets aneinander vorbei, wissen nicht das
geringste voneinander. Also beginnt Lukas die Frau, die er glaubt zu lieben, zu
verfolgen.
Mit nüchternem Blick folgt die Kamera Lukas in eine trostlose Welt. Er ist nicht
der einzige, der ausbrechen möchte aus seiner kümmerlichen Existenz. Andere wiederum
werden aus ihrer kleinen, heilen Welt herausgerissen, so wie eine Frau, die eines
Tages in ein Altersheim gebracht wird. Die, die sie abholen, können sie nicht
verstehen. Sie wissen nichts von ihrer Bindung zu ihrem Hund, den sie einfach
alleine in der Wohnung zurücklassen. Der Mensch als Objekt, nicht mehr als
Individuum.
So ernst der Stoff auch sein mag, wartet der Film mit einer gehörigen Portion Humor
auf. Vor allem zu Beginn wirkt der groteske Humor oft deplaziert und die
überzeichneten Figuren zu bemüht. Doch was als groteske Farce beginnt, entwickelt
sich schnell zu einem Drama, ohne dabei jedoch zu viel Wert auf Realismus zu legen
und ohne alles zu zeigen. Vieles spielt sich nur in den Köpfen der Zuseher ab.
Schussangst, basierend auf der Romanvorlage von Dirk Kurbjuweit, ist einer dieser Filme, die eine Menge anschneiden und viel Stoff zum nachdenken mit sich bringen. Hier wird nicht mit dem Holzhammer gearbeitet, vieles liegt im Detail und außerhalb des Auges des Betrachters. Die Aneinanderreihung grotesker Figuren und Situationen in der verschachtelten Geschichte wirkt vor allem anfangs oft zu bemüht. Man muss den Film schon metaphorisch betrachten, um ihn voll auskosten zu können. Und man sollte eine gehörige Portion grotesken Humor mitbringen.