OT: Nude...si muore
GIALLO: ITALIEN, 1968
Regie: Antonio Margheriti
Darsteller: Mark Damon, Eleonora Brown, Michael Rennie, Sally Smith
Auf dem St. Hilda Internat für Mädchen treibt ein schwarzbehandschuhter Killer sein Unwesen. Im Visier hat er offensichtlich die süße Lucille, die nebenbei ein Verhältnis zu ihrem Reitlehrer pflegt...-
KRITIK:Ein Killer und Schulmädchen in einem Film, dessen Originaltitel ins Englische übertragen NAKED YOU DIE bedeutet und der in Deutschland nicht minder verheißungsvoll als SIEBEN JUNGFRAUEN FÜR DEN TEUFEL betitelt wurde? Ja, da könnte man sich schon berechtigte Hoffnungen auf einen sleazigen Abend machen, aber wie gesagt: könnte. Man täte gut daran, seine Erwartungen diesbezüglich etwas zu zügeln.
Schon die catchy-kitschy Einlaufmusik lässt erahnen, dass man sich eher Edgar Wallace denn Massimo Dallamano oder gar Andrea Bianchi verpflichtet gefühlt hat. Dennoch ist NUDE SI MUORE kein kompletter Etikettenschwindel. Die Opfer im Film sterben zumeist tatsächlich nackt und dass der olle Hausmeister bei seinem Ableben das Arbeitshemd noch am Leibe trägt, ist wohl ein Fall von "Glück gehabt!".
Auch wenn die Fressnäpfe der Sleazehounds - wenn überhaupt- mit Magerkost gefüllt sind, so ist die Spielwiese des Mörders - die St.Hilda School for Girls- aber ganz nach unserem Geschmack. Wie es sich für eine Bildungseinrichtung im Feld der trivialen Exploitation gehört, verbringen die Schülerinnen mehr Zeit am schuleigenen Swimming Pool als in einem Klassenzimmer und die Schuluniform besteht bevorzugt aus Bikini oder Nachthemd.
Überbelegte Klassen, zuwenig Lehrkräfte? Nicht auf St. Hilda. Hier gibt es etwa doppelt so viele Lehrkräfte als Schülerinnen. Und der letzteren gibt es - wenn ich die Mädchen am Pool richtig gezählt habe - etwa fünf.
Interessant auch der Stundenplan. Mathematik wird nicht gelehrt; dafür gibt es Tauch- und Reitunterricht. Wer jetzt schreit "Unrealistisch!", ist doch bloß neidisch Und wer würde dem Drehbuchautor einen Strick daraus drehen wollen, dass er knackige Mädchen lieber am Schwimmbecken als in einem Klassenzimmer sieht?
Mit den wenig realistischen Zuständen auf St. Hilda kann ich also leben. Nicht aber mit dem Problem, dass der Killer von NAKED YOU DIE als fleischgewordener Spoiler in Erscheinung tritt. Zumindest auf der italienischen Originaltonspur entlarvt er sich in dem Moment, als er zum ersten Mal den Mund aufmacht. Hätte man ihm ein Schild mit der Aufschrift "Hallo! Ich bin nicht nur suspekt, ich bin der Mörder!" um den Hals gehängt, wäre das auch nicht offensichtlicher gewesen.
Ein solcher Fauxpas in einem Film, der nicht unwesentlich auf die Whodunit-Karte setzt, ist eigentlich unverzeihlich. Das ist wie Weihnachten und keines der Geschenke ist verpackt. Ob man das Problem in der deutschen Synchronfassung besser gelöst hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis, aber es steht zu befürchten, dass das Resultat albern wirkt. Denn die Schlusspointe funktioniert nur auf dem Papier und lässt sich filmisch schlecht umsetzen. Wie NAKED YOU DIE sicht- und hörbar beweist.
Da ist es einerseits schade um die vergebliche Liebesmüh der anderen Schauspieler, sich krampfhaft verdächtig zu machen und andererseits um die ordentliche Inszenierung. Für die ist nämlich Antonio Margheriti verantwortlich. Härteren Horrorfans dürfte der Name wegen den ASPHALT-KANNIBALEN geläufig sein - dies war Margheritis Ausflug nach Gore-City während der Splatterwelle der Achtziger - und die Anhänger des gotischen Grusel haben dem Mann längst einen Schrein errichtet. Zu Ehren seiner grandiosen Schauermären aus den Sechzigern; wie DANSE MACABRE oder THE LONG HAIR OF DEATH, beide mit Barbara Steele in der Hauptrolle.
Der Mann kann stimmige Bilder und Farbenpracht auf einen Bildschirm zaubern; keine Frage. Und handwerklich ist NAKED YOU DIE auch gut gemacht. Trotzdem wirkt der Streifen angesichts der Umtriebe der Jugend in modernen Slasherfilmen nicht nur angestaubt, sondern regelrecht albern. Insbesondere, was die Techtelmechtel-Dialoge zwischen dem horny Reitlehrer Mark Damon und seiner horny Schutzbefohlenen Eleonora Brown betrifft, wenn sie wiederholt die Gebrüder Grimm bemühen.
Anyway, für die Rob Zombie-Generation dürfte NAKED YOU DIE sowieso kaum die erste Wahl sein. Nein, der ist natürlich eher was für uns Retro-Nerds, die mit dem Makel des Unzeitgemäßen nicht nur leben, sondern ihn auch genießen können. Und zur Ehrenrettung des bisher doch arg gescholtenen Delinquenten sei gesagt: Der Film hat Unterhaltungswert. Vor allem Zuschauer mit Toleranz gegenüber vergangenen Zeitgeistern und die Edgar Wallace-Fraktion könnten bei Margheritis launigen, aber leider zu harmlos geratenen Kill the schoolgirls-Flick auf ihre Kosten kommen. Von Margheriti und vor allem dem großen Mario Bava, die beide Credits an der Story haben, hätte man vielleicht einen etwas raffinierteren Plot erwarten dürfen als einen, der den trivialen Spirit von Groschenromanen atmet, aber Spaß hat das nackige Sterben dann doch irgendwie gemacht.
Im naiven Mädchenschulenambiente spielender Whodunit-Giallo, der sich mit seinen extrem durchschaubaren Überraschungen und der Tatsache, dass man den Killer eigentlich schon nach fünf Filmminuten entlarvt hat, selbst ins Bein schießt, aber dank Groschenromancharme und Antonio Margheritis Versiertheit nicht völlig für den Eimer ist. Trotz der bedeutungsschwangeren Also-knowns ist NAKED YOU DIE, bzw. SIEBEN JUNGENFRAUEN FÜR DEN TEUFEL ein eher handzahmer Spaß, der aber vor allem für Edgar Wallace-Jünger interessant sein dürfte.