KOMÖDIE/DRAMA: B, 1989
Regie: Henri Xhonneux
Darsteller: -
Paris, 1788: Der gefürchtete Libertin Marquis de Sade sitzt wegen diverser unzüchtiger Vergehen in der Bastille ein. Sein einziger Freund und Gesprächspartner ist sein überdimensioniertes Geschlechtsteil, mit dem der Marquis anregende philosophische Zwiegespräche über Kunst, Literatur und mannigfaltige Spielarten der menschlichen Sexualität führt. Während draußen die Revolution vorbereitet wird, findet sich der Marquis, der sich einfach nur in Ruhe seine Phantasien von den Lenden schreiben will, im Mittelpunkt einer politischen Verschwörung wieder. Wird es ihm gelingen, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen?
KRITIK:Was immer man von Marquis de Sade und seinen Werken halten mag: Der adelige Autor, der dreißig Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrachte und dort auch starb, hat in der Kunst Spuren hinterlassen wie kaum ein anderer Radikal-Denker.
Zugegeben, sein Nihilismus, seine kaum verhüllte Menschenverachtung, das von ihm vertretene "Recht des Stärkeren", mit dem die soziale Elite (= Aristokratie) ungehemmt ihrem Streben nach Lustgewinn folgen sollte - eine Vorstellung, die übrigens von rechten Sozialdarwinisten unseres Jahrhunderts dankbar aufgenommen wurde - all das macht diesen Herrn nicht gerade sympathisch.
Umso subversiver ist der Ansatz der Filmemacher, ausgerechnet de Sade als einzige moralisch integere Figur des Films zu präsentieren. Doch der Reihe nach: 1989, also zum zweihundertsten Jahrestag der französischen Revolution, gebaren der Regisseur Henri Xhonneux und der Schauspieler und Autor Roland Topor die wagemutige Idee, aus den Schriften des Marquis de Sade ein surrealistisches Puppenspiel zu gestalten.
Die Schauspieler tragen liebevoll gestaltete Tiermasken, was ja schon bei Peter Jacksons Puppen-Splatterfilm Meet the Feebles ausgezeichnet funktioniert hat. Weil aber Xhonneux und Topor keine Splatter-Kindsköpfe, sondern belesene Bildungsbürger - wenn auch mit einem starken Faible fürs Skurrile und Bizarre - waren, bleibt der Film auch in intellektueller Hinsicht wasserdicht.
Im Sinne der Werktreue - wir reden hier bitteschön vom Marquis de Sade, dem skandalösesten Autor der Kulturgeschichte - bewegen sich die Dialoge vorzugsweise in Gefielden unterhalb der Gürtellinie.
Nein, stimmt so nicht. Denn der Marquis im Film hat nicht nur das treuherzige Gesicht eines Cockerspaniels, sondern auch ein Mordsdrumm von einem Schwanz, der die meiste Zeit hochaufgerichtet aus der Hose ragt, um mit seinem Besitzer sozusagen auf Augenhöhe zu sprechen. Also doch über der Gürtellinie... *g*.
Inhaltlich geht es - welch Überraschung - nicht unbedingt um die edelsten aller menschlichen Eigenschaften: Pathologische Sexualität, Ausbeutung, Vergewaltigung, Intrigen, Mord, alles da.
Mit viel skurrilem, bisweilen pechschwarzem Humor erzählt, dürfen verbalerotisch veranlagte Literaturfreunde voll auf ihre Kosten kommen.
Aber auch filmisch lässt dieses Werk kaum Wünsche offen. Dank eines ziemlich üppigen Produktionsbudgets sieht der Film richtig gut aus. Den liebevollen Masken und Kostümen ist anzusehen, dass die Filmemacher ein echtes Herzensprojekt realisiert haben.
Einen Sonderapplaus verdienen die hübschen Plastillin-Sequenzen, mit denen die (feuchten) Träume des Marquis visualisiert wurden.
Wer auf der Suche nach Schönheit im Abseitigen ist, stellt sich dieses groteske Kleinod von einem surrealistischen Puppenspielfilm schnellstens ins Regal. Das auf anderes Kino spezialisierte Label "Bildstörung" präsentiert den Film in hübscher Aufmachung und 50 Minuten Bonusmaterial. Viel Film fürs Geld, man sollte rasch zugreifen...