DOKU: A, 2008
Regie: Erwin Wagenhofer
Darsteller: Mirko Kovats, John Perkins, Mark Mobius
Von den Baumwoll-Plantagen in Burkina Faso bis zu den leerstehenden Betonburgen an den Küsten Spaniens; von den glitzernden Finanzzentren in London und Singapur bis zu den Slums von Bombay: Erwin Wagenhofer tritt eine Reise um die Welt an, um die Perversion der internationalen Geldströme bloß zu stellen. Der Film zur Krise
KRITIK:Gleich vorweg: Viel Neues erfährt man nicht. Vorausgesetzt, man zählt zur geschätzten 5%-Minderheit der politisch Interessierten, die eine vernünftige Zeitung abonnieren und diese nicht nur am Klo lesen. Viele einschlägige Fremdwörter wie "Private Equity Funds", "Offshore-Markets" oder "Cross-Border-Leasing" werden in einfachen Worten, aber ohne unzulässige Vereinfachungen erklärt. Der Filmemacher bleibt ohne Kommentar im Off und lässt lediglich seine Interviewpartner sprechen. Selbstinszenierung a la Michael Moore ist Wagenhofers Sache nicht, polemische Zuspitzung ebenso wenig. Gut so.
Der Tonfall ist sachlich und nüchtern. Trotzdem gelingen Wagenhofer eine ganze Reihe unglaublicher Pointen: Schwer zu toppen ist etwa das Bild einer Werbetafel für einen ominösen "Millionaires Club", direkt über den Hütten eines indischen Slums. Oder jener Mitarbeiter einer deutschen Private Equity-Gesellschaft, der freimütig zugibt, dass seine Branche völlig zu Recht als "Heuschrecken" bezeichnet wird. Sehr sympathisch auch der amerikanische Investor mit dem mittlerweile berühmt gewordenen Zitat: "The best time to buy is when theres blood on the streets".
Wie gesagt: Wer seine politischen Sinne halbwegs beisammen hat, wird keine wirklich revolutionären Neuigkeiten erfahren. Der Kapitalismus ist ungerecht. Wissen wir. Der Westen bereichert sich auf Kosten der Entwicklungsländer. Nichts Neues. Gewinne werden privatisiert, für die Verluste steht die Allgemeinheit gerade. Weil: Banker sind miese Schweine, die am nächsten Laternenpfahl aufgeknüpft gehören. Nein. So wird das natürlich nicht ausgesprochen. Aber die wirklich widerlichen Bilderbuch-Geldsäcke, die hier zu Wort kommen, weckten zumindest in mir eher unedle Gefühle.
"Peinlich", "manipulativ" und "unerträglich dumm" in seiner Haltung "gegen die da oben" sei der Film, schrieb die konservative Tageszeitung "Die Presse". Was wohl beweist, dass Wagenhofer einen Nerv getroffen hat. Nur das Interview mit dem Verschwörungstheoretiker John Perkins hätte man sich sparen können. Was der selbsternannte "Economic Hitman" da von sich gibt, klingt tatsächlich etwas absurd.
Seine besten Momente hat der Film, wenn all die Fond-Manager, Investoren und sonstige Experten, allesamt graue Männer in grauen Anzügen, den Mund halten und die Bilder sprechen lassen: Die Aufnahmen von den menschenleeren Geisterstädten, die nach dem Platzen der spanischen Immobilienblase die Landschaft verunstalten, könnten glatt aus einem David Lynch-Film stammen.
Gut gemeinte und zweifellos auch gut gemachte Doku, die sich redlich bemüht, den ganz normalen Wahnsinn des globalisierten Finanzwesens bloß zu stellen. Der äußerst pessimistische Film wurde noch vor der globalen Wirtschaftskrise gedreht. Auch wenn man im Grunde nichts wirklich Neues erfährt: Sehenswert ist er allemal - vielleicht im Rahmen eines antikapitalistischen DVD-Abends gemeinsam mit WORKINGMANS DEATH und DARWINS NIGHTMARE.