GIALLO: ITALIEN, 2009
Regie: Dario Argento
Darsteller: Adrien Brody, Robert Miano, Elsa Pataky, Emmanuelle Seigner
In Turin sorgt ein geheimnisvoller Killer für Angst und Schrecken. Als Taxifahrer getarnt verschleppt er schöne, ausländische Frauen. Diese werden von ihm gefoltert, verstümmelt, ermordet und anschließend irgendwo in der Stadt abgeladen. Auf den Fall wird Inspektor Enzo Avolfi (Adrien Brody) angesetzt. Denn aufgrund seiner eigenen traumatischen Kindheitserfahrungen ist er der Experte für die Verfolgung solcher Psychopathen. Im zur Seite stellt sich Linda (Emmanuelle Seigner), deren Schwester Celine (Elsa Pataky), ein amerikanisches Model, ebenfalls vom Killer entführt wurde. Die beiden finden ein noch für kurze Zeit lebendes, japanisches Opfer des grausamen Mörders, das kurz vor seinem endgültigen Abgang noch etwas von der Farbe "Gelb" murmelt...
Die Farbe "Gelb"? Klingelt da nicht irgendetwas? Aber hallo! Gelb, Yellow, GIALLO!!! So heißt der Film und so heißt das Genre, dessen unangefochtener Meister bis vor ca. 20 Jahren der Regisseur dieses Films einmal war. Gelb waren bekanntermaßen auch die Umschläge der Pulp-Kriminalromane, die diese speziell italienische Form des Thrillers einst inspiriert hatten.
SPOILERANFANG
Und Gelb ist auch die Gesichtsfarbe des psychopathischen Killers in GIALLO. Der hat nämlich eine Leberkrankheit. Ganz klar, dass dieser deswegen schon als Kind dermaßen gemobbt wurde, dass er nun zwanghaft schöne Frauen verunstalten und abschlachten muss.
SPOILERENDE
Moment einmal! Ein gelber psychopathischer Killer? Woher kenne ich das den bloß? Hm, bestimmt nicht aus Bella Italia... Aha, da war es ja: SIN CITY!!! Der Film gewordene Comic von Tarantinos Buddy Robert Rodriguez! - Aber war das denn nicht ein Ami-Streifen? - Ach so: die Drehbuchautoren von GIALLO sind ja auch Amis! Die beiden Schlitzohren heißen Jim Agnew und Sean Keller, sind bekennende Argentofans und hatten vor GIALLO noch nie etwas Erwähnenswertes zu Stande gebracht. Ganz klar dufte Voraussetzungen, um zusammen mit Altmeister Argento einen Film zusammenzubasteln, der bereits im Titel vorgibt die Quintessenz eines ganzen Genres zu sein!
Und die beiden Brüder haben in überschäumender Kreativität ihre Assoziationen wirklich ganz frei fließen lassen: GIALLO, Yellow, Gelb - Leberzirrhose! Und so geht es fröhlich weiter: Der Schlächter ist der Schlachter und der wurde natürlich auch in einer Schlachterei abgeschlachtet! - Der Amerikaner würde dazu sagen: "They must have smoked something really good!" - Aber das nur am Rande...
Ja, Argento und die Amerikaner! Zwei Welten begegnen sich! Wieso Argento immer wieder nach Übersee geht, um seine Filmprojekte umzusetzen, obwohl er dabei seit INFERNO in der Regel nichts als Ärger hatte, das bleibt wohl für immer eines der ganz großen Geheimnisse des Meisters. Obwohl: Mit den Dreharbeiten zu der amerikanischen-TV-Gurke JENIFER war er ja "very happy"! Das betont er jedenfalls immer wieder im dazugehörigen Interview. Aber wahrscheinlich sagt Argento das nur, weil er mal wieder nicht die Fragen der Interviewerin verstanden hat, da er eh kaum zwei ganze Sätze Englisch am Stück herausbringt. Beste Voraussetzungen, also wohin man schaut!
Immerhin konnte Argento für die Hauptrollen in GIALLO zwei echte Weltstars verpflichten: Madame Polanski aka Emmanuelle Seigner und Adrien DER PIANIST Brody! Und damit wäre die Argento-Polanski-Connection perfekt! Wir erinnern uns: in Roman Polanskis DER PIANIST hatte Brody ebenfalls die Hauptrolle gespielt, und das dermaßen überzeugend, dass er dafür sogar einen Oscar absahnen konnte! Und Polanskis - nun auch nicht mehr ganz so junge - Gespielin Emmanuelle Seigner hatte unter anderem noch vor kurzem noch in SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE geglänzt.
Na und Brody war von GIALLO anscheinend dermaßen angetan, dass er sogar seine eigene Kohle zum Projekt beigesteuert hat und dafür nun als einer der Produzenten Erwähnung findet. Ach ja, außer dem Inspektor spielt er auch gleich noch den bösen, gelben Mann. Und wer könnte besser solche in ihrer Kindheit traumatisierte Gestalten verkörpern, als eben jener PIANIST mit seinem unnachahmlichen Hundeblick, der selbst Al Pacino vor Neid erblassen lässt?!!
Und so ist es auch tatsächlich Adrien Brody, der in GIALLO den nachhaltigsten Eindruck zu hinterlassen vermag! Denn genau er ist es, der dieses neueste Projekt vom guten Dario endgültig in den Abgrund reitet! - Seine Karikatur von einem knallharten, vom Schicksal gebeutelten Bullen kann man ja noch mit einer Prise Humor ertragen. Das hat ja schon was, wie der Mann ketterauchend und mit eben diesem hinreißendem Hundeblick ständig dämliche Oneliner von sich gibt, und dabei zugleich dermaßen ernsthaft wirkt, als ob er einen Stock ganz tief im Arsch stecken hat.
Aber wenn er dann unter der Maske des gelben Psychopathen mit einem Schnuller im Mund (!!) und Grunzlaute von sich gebend (!) zu seinen ganz eigenen Tortureporns vor dem Laptop wixt, dann hört zumindest bei mir der Spaß eindeutig auf!
Und überhaupt: Tortureporn! Was haben diese ganzen inzwischen ebenfalls zum Klischee verkommenen Folterszenen in dem Keller einer finsteren Industrieruine eigentlich in einem Film von Dario Argento verloren? Das sieht doch eher nach Eli Roths HOSTEL aus! - Ach ja, Eli Roth ist ja auch Amerikaner und bekennender Italofan. Da werden sich die beiden Pappnasen von Drehbuchautoren wohl gedacht haben, dass so ein Setting auch ganz prima in einen Argento-Streifen passen muss... Na ja, wahrscheinlich haben die beiden überhaupt nicht so viel gedacht. Denn, wie der Ami bei solchen Fällen zu sagen pflegt: "They must have smoked something really good!" - Aber das hatte ich ja schon...
Und was macht der große Meister angesichts des ihn bei diesem Projekt allenthalben umgebenen Stumpf - und Schwachsinns? Er nimmt es mit Humor und konzentriert sich auf seine wahren Stärken. Schauspielführung hat ja eindeutig noch nie dazu gehört. Also lass die Seigner einfach in schlecht gespielter Hysterie herumkreischen. Lass den Brody sich selbst als knallharte Knalltüte zum Deppen machen. Und lass ihn auch als grunzenden und sabbernden GIALLO ein ganzes Genre für die nächste Generation von Filmfreaks zur degenerierten Freakshow verkommen lassen. Ist ja auch wurst! Denn allerspätestens seit THE THIRD MOTHER ist der letzte Rest vom einstmals glorreichen Ruf eh hoffnungslos ruiniert. Und da lebt es sich ja bekanntlich erst so richtig entspannt!
So konzentriert sich der Argento bei GIALLO einmal mehr vorrangig auf die rein technische Seite der Produktion. Und das Ergebnis ist tatsächlich alles andere als schlecht. Wahre Innovationen sucht man hier natürlich vergebens. Aber wann hat es die seit OPERA oder spätestens seit DAS STENDHAL SYNDROM denn überhaupt noch in einem seiner Filme gegeben? Genau, eher gar nicht! - Jedenfalls ist der Look und die Kameraführung dieses Films besser, als die der meisten Argento-Filme der letzten zehn Jahre.
Streckenweise ist die Inszenierung sogar interessanter und innovativer, als jene des auch nicht durch große Innovationen zu seinem letzten kleinen Klassiker gewordenen SLEEPLESS. Und so bleibt dem optimistischen Fan immerhin noch ein letzter Rest an Hoffnung, dass Meister Argento vielleicht doch noch irgendwann einmal wieder einen, wenn schon nicht mehr genialen, so zumindest aber einen richtig guten Film hinbekommen wird.
Als die vom Killer auf einem öffentlichen Platz in Turin abgeladene Japanerin gefunden wird, scheint sie offensichtlich bereits tot zu sein. Doch dann zuckt sie noch ein wenig, fängt an ein Sutra zu rezitieren und gibt als letztes Wort GIALLO von sich. Vielleicht ist dies die Rolle, mit der Dario Argento sich persönlich am meisten identifizieren konnte. Denn auch was sein filmisches Schaffen anbelangt lautet die Diagnose: der Patient ist noch nicht ganz tot, er zuckt noch ein wenig. Und zuletzt hat er GIALLO gebrabbelt...