FILMGEDICHT: F, 2001
Regie: Jean-Luc Godard
Darsteller: Céline Camp, Jean Davy, Bruno Putzulu
Ein junger, verliebter Mann möchte ein künstlerisches Projekt genannt "Ode an die Liebe" verwirklichen, wobei er sich für ihn die Frage stellt, ob dabei nun die Form der Oper, des Films, des Romans oder des Theaterstücks vorzuziehen sei...
KRITIK:Wollt ihr wissen wer die Sendung ohne Namen wirklich erfunden hat? Dann seht euch diesen Film an, der einfach nicht nach der Grammatik funktioniert, die wir von den meisten anderen Filmen gewohnt sind.
Zunächst wäre da einmal die zurückhaltende Kameraführung, die sich nur auf das wichtigste konzentriert und gerade dadurch so außergewöhnlich wirkt. Godard lässt sich beispielsweise nicht dazu zwingen, bei einem Dialog zuerst das eine, dann wieder das andere Gesicht zu filmen. Er filmt das Wesentliche: Ein einziges Bild unterbrochen von schwarzen Inserts, in denen manchmal Textfetzen zu lesen sind, doch dieses eine Bild ist so schön, gleichzeitig so komplex angeordnet wie ein Gemälde und gibt wider worum es jetzt wirklich geht.
Godard schafft es ohne große Kamerabewegungen, ohne einen einzigen Spezialeffekt, mit Ausnahme von ein paar kunstvollen Überblendungen enorm schöne, starke und dabei trotzdem echte Bilder zu erzeugen, die man so schnell nicht vergisst, weil sie einfach einen eigenen Sinn haben.
Godard macht Bilder, die wichtig für seine Filme sind. Er lässt sich nicht dazu antreiben, ein Gesicht ins Bild zu rücken, weil dieser Mensch jetzt gerade zufällig spricht. Welcher Regisseur hat schon solch ein Bewusstsein für die Stilmittel, die er einsetzt?
Grandios ist dabei zum Beispiel auch der Zeitsprung in die Vergangenheit, im letzten Drittel des Films, da Godard plötzlich von Schwarz/Weiß auf Farbe wechselt und praktisch plötzlich ein Prequel zum bisherigen Film erzählt und dabei eben auch ganz andere, neue Bilder findet.
Eine zweite Ebene des Films ist die "Handlung" selbst, die auch nichts mit herkömmlichen Aufbau und Höhepunkt zu tun hat. Selbst unter dem Gesichtspunkt, dass viele Godardfilme eigentlich konsequente Durchexerzierungen eines Gedanken oder einer Themenwelt sind, wagt er es niemals zu einem allgemeingültigen Schluss zu kommen.
Das Thema ist hier die Liebe, aber die Liebe ist bei Godard wesentlich mehr als wir mit ihr zunächst assoziieren würden. Die Liebe findet sich in jedem menschlichen Handlungsakt, in jeder Idee, daher auch in der Politik, in der eigenen Geschichte und sie wird durch Extreme gefährdet, wie etwa dem Staat, der ihr komplementär entgegensteht.
Eine weitere Ebene ist die Entwicklung des Kinos. Godard ist ein alter Antagonist von Steven Spielberg, der hier mächtig durch den Kakao gezogen wird. Er wirft ihm, Hollywood und gleich ganz Amerika vor kein eigenes Gedächtnis zu besitzen und deshalb den Rest der Welt aufzukaufen und anzupassen um so eigene Erinnerungen zu produzieren. Eine interessante Szene dazu ist eine Aufnahme eines Pariser Kinos wo man die Filmplakate von Matrix und Pickpockets (einem Schlüsselwerk des italienischen Neorealismus) nebeneinander hängen sieht.
Auch Identität, Alter, Krieg und Vergessen spielen zentrale Rollen, finden sich in jedem der Themenkomplexe wieder, spiegeln einander, weil sie einfach zusammengehören.
Ich bin ja der Meinung, man kann von Godardfilmen leben, sie sind warmherzig, widersprüchlich und weise wie ein guter Gesprächspartner. Es handelt sich um jene rare Spezies von Kunstwerken, die der Vielschichtigkeit des Lebens am nächsten kommen.
Godardfilme sind wesentlich "echter" als alle anderen Filme, sie mögen nur Augenblicke wiederspiegeln, aber diese in ihrer Ganzheit. Viele Dinge passieren gleichzeitig, viel beschäftigt uns gleichzeitig und Godard erinnert uns daran, dass alles was da vor sicht geht aus so unendlich vielen Aspekten besteht. Er findet eine Ausdrucksmöglichkeit um Philosophie in Emotionen zu verwanden, die uns auch mitreißen. Nur von wenigen Künstlern kann man das behaupten...
Ein enorm vielschichtiger Film, der sich mit den Mitteln eines fast lyrischen Bewusstseinstroms durch das Leben und große Gedanken vortastet und dabei mehr Fragen stellt als beantwortet. Trotzdem auch ein Film für die Seele, da die poetisch-melancholische Form dieser Philosophiestunde auch genug vom wirklichen Leben erzählt um emotional befriedigend zu wirken. Ganz großes Kino vom Vater der modernen Cinematografie.