OT: Roma a mano armata
CRIME: ITALIEN, 1976
Regie: Umberto Lenzi
Darsteller: Maurizio Merli, Tomas Milian, Arthur Kennedy
Kommissar Ferro(!) ist ein knallharter Cop der seinen aufreibenden Dienst in Italiens Hauptstadt verrichtet. Ferros Berufung ist die Eindämmung von Roms gesamter Kriminalität im Alleingang. Mord, Vergewaltigung und Bankraub sind sein Tagesgeschäft. Besonders schwer hat er es mit dem "Buckligen", einem gerissenen Verbrecher, dessen leichengesäumten Weg er ein ums andere Mal kreuzt.
Es gibt Filme, die man in regelmäßigen Abständen immer wieder aus dem Regal holt, einfach weil einem "danach ist", die eine oder andere Szene wieder mal zu sehen, sich daran zu erfreuen, sie zu bewundern. Den man dann mit einem zufriedenen Gefühl zurückstellt - bis zum nächsten Mal.
DIE VIPER aka "Roma a mano armata" ist bei mir so ein Film.
Sobald Franco Micalizzis pulsierender, mit treibenden Bassbeats unterlegter Score aus den Boxen hämmert, verlasse ich das hier und jetzt und tauche ein in das Rom der Mittsiebziger.
Kein wirklich schöner Ort. Denn die Siebziger waren eine Zeit der Gewalt und quasi anarchischer Zustände in den Straßen der italienischen Metropolen. Der Terror der Roten Brigaden, Arbeitslosigkeit und soziale Verelendung, Korruption bis in die höchsten politischen Ebenen und eine unterbezahlte, schlecht organisierte Polizei waren verantwortlich für eine ungeheuere Zunahme der Kriminalität und hinterließen tiefe Verunsicherung und ohnmächtige Hilflosigkeit in der italienischen Bevölkerung.
Der Wunsch nach Wiederherstellung der Ordnung, und sei es auch durch fragwürdigste Mittel war ein dringendes Anliegen des kleinen Bürgers. Man brauchte Helden, und zwar schnell.
Die italienische Filmindustrie bediente dieses Bedürfnis durch die Schaffung eines neuen Genres: den Poliziesco. Harte Actionreisser, angelehnt in ihrer Machart an die gerade populären amerikanischen Polizeifilme wie Dirty Harry oder Fench Connection, die man als Blaupausen nahm und mit viel italienischem Lokalkolorit anreicherte. Der Gewaltlevel wurde vervielfacht, fetzige Scores der Altmeister Morricone, Stelvio Cipriani oder Franco Micalizzi sorgten für knackige akustische Untermalung.
Einige Referenzstücke dieses oft unterschätzten Genres schuf Regisseur Umberto Lenzi, in unseren Breiten eher bekannt durch seine zweifelhaften Kannibalenfilme. Der Poliziesco jedoch war die Filmgattung die ihm am meisten lag und in der er seine besten Arbeiten ablieferte.
Wie den vorliegenden DIE VIPER, zu dem wir nun, nach der etwas ausufernden filmgeschichtlichen Einleitung kommen:
Eins vorweg: der Film gibt Vollgas. Von der ersten Minute an haut er uns all die Zutaten um die Ohren, die diese Gattung Zelluloid ausmachen: rücksichtslose Kriminelle, halsbrecherische Autoverfolgungsjagden, Schußwechsel im Minutentakt, Gewalt an allen Ecken und Enden und mittendrin ein desillusionierter Bulle, der einer Dampfwalze gleich als rollendes Ein-Mann-Kommando den Gangstern bei jeder Gelegenheit die Seele aus dem Leib prügelt. Einprägsam verkörpert von Maurizio Merli, der mit Rollen dieser Art zur Kultfigur des poliziesco wurde, ausgestattet mit stahlhartem, kompromisslosem Blick und obligatorischem blondem Schnauzer.
Doch so gut er auch ist, er wird an die Wand gespielt vom Schauspielgott des Italo-Kinos der 60er und 70er, Tomas Milian, in der Rolle des "Buckligen" Moretto. Die gemeinsamen Szenen der beiden knistern förmlich vor Intensität und dass sie sich im realen Leben auch nicht grün waren, hat dabei sicher geholfen. Man spürt es in jeder Sekunde. Der geniale Milian bringt es darüberhinaus tatsächlich fertig, seinen Bösewicht durch ein augenzwinkerndes Spiel irgendwie sympathisch zu machen, so verkommen und brutal seine Taten auch sind. Dies geht soweit, dass -wie Lenzi in einem Interview einmal erzählte-bei der Premiere in einem großen römischen Kino das Ende des Films, bei dem Moretto von Ferro getötet wird, vom Publikum ausgebuht wurde, was einen schwer verstörten Merli zurückließ.
Die Handlung des Films ist, poliziesco-typisch, ein dürres Gerüst, mit dem Zweck, die einzelnen Set-Pieces zusammen zu halten: Morde, Vergewaltigung, Raub, Banküberfälle - Ferros Arbeitstag hat 24 Stunden. Und wenn er doch mal Zeit fürs Privatleben hat, streitet er sich mit seiner Freundin über - richtig: die Arbeit. Die ist Staatsanwältin und missbilligt das brutale Vorgehen ihres Freundes. Sie wird natürlich eines besseren belehrt, spätestens als Morettos Männer sie samt ihrem Auto in eine Schrottpresse stecken.
Das Ende ist ein Downer. Genretypisch, unausweichlich und hoffnungslos düster. So mag ich das.
Die ideale Einstiegsdroge in die Welt der schnurrbarttragenden Superbullen in ihrem Kampf gegen verbrecherische Windmühlen im Bella Italia anno '70.