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Die Braut trug Schwarz

Die Braut trug Schwarz

OT: La Mariée etait en noir
ARTHOUSE-THRILLER / REVENGE: F/I, 1968
Regie: Francois Truffaut
Darsteller: Jeanne Moreau, Claude Rich, Charles Denner, Jean-Claude Brialy

STORY:

Gerade als das frisch vermählte Brautpaar aus der Traukirche ins Freie tritt, wird der Bräutigam von einer Gewehrkugel tödlich getroffen. Es dauert Jahre, bis die untröstliche Braut herausgefunden hat, wer die fünf Männer waren, die sie zur Witwe gemacht haben. Nun hat sie die Namen und kennt fortan nur ein Ziel: Rache. Nacheinander bekommen die Männer Besuch von der Braut in Schwarz…

KRITIK:

Der Film wird damit beworben, die wahre Inspirationsquelle für Quentin Tarantinos erfolgreichen KILL BILL-Zweiteiler zu sein. Allerdings wird wohl LADY SNOWBLOOD, die andere geistige Mutter von KILL BILL, mit ihren Schwertern und den über Schnee sprühenden Blutfontänen beim gemeinen Tarantino-Publikum sicherlich besser ankommen als die französische Braut in Schwarz. Dennoch: ein Blick auf die Synopsis sollte genügen, um zu erkennen, dass DIE BRAUT TRUG SCHWARZ bei KILL BILL’s Plotfindung eine gewichtige Rolle gespielt hat.

Doch längst ist es kein Geheimnis mehr, dass sich Tarantino gerne seinen weit reichenden filmischen Horizont zunutze macht, wenn es darum geht, sich für die Zubereitung seiner Werke die Rosinen aus der Filmgeschichte zu picken. Im Grunde liegt Tarantinos Kunst darin, seinen oftmals älteren und aus Nischenprogrammen stammenden Inspirationsquellen mit spritzigen Dialogen und coolen, modernen Gewaltchoreographien Zeitgeist einzuhauchen und sie so für eine neue Zuschauergeneration und nicht selten dem Mainstream aufzubereiten.

Francois Truffaut, nicht nur ein Mann, sondern der Mann der Nouvelle Vague, wählt beim Erzählen seiner Geschichte von der Braut, die Vergeltung für den Tod ihres Mannes übt, selbstverständlich einen ganz anderen Ansatz als Tarantino. Schon rein äußerlich hat die reife und großartige Jeanne Moreau nichts mit der jüngeren, kampferprobten Figur, die Uma Thurman in den KILL BILL-Teilen verkörpert, gemein. Moreau trägt weder einen knallgelben Kampfkombi noch schaltet sie mit lächerlicher Leichtigkeit ganze Gegnerhorden aus. Doch ihre Liste arbeitet Truffauts "Braut" ebenso unerbittlich konsequent wie Thurman ab und dies sogar noch fatalistischer. Moreau selbst sagt an einer Filmstelle, dass sie seinerzeit vor der Kirche mit ihrem Mann gestorben und eigentlich schon tot sei. Zu verlieren hat sie nur noch den Erfolg ihrer allerletzten Mission.

Doch ein Vergleich von DIE BRAUT TRUG SCHWARZ aus dem Jahr 1968 mit der modernen Gewalt & Racheorgie KILL BILL hinkt sowieso. Beide Werke teilen sich die Ausgangssituation und die mörderische Braut, aber in der Form trennen sie Welten. Dort das maßlos überzogene, aber schön knallige Comic-Blutbad, hier der elegante Arthouse-Rachefeldzug, dem Experten eine Nähe zu Hitchcock und der Nouvelle Vague nachsagen.

Der herkömmliche Tarantino-Anhänger wird bei DIE BRAUT TRUG SCHWARZ wohl nicht glücklich werden. Die hyperaktiven Kampfszenen weichen hier weitaus ruhigeren Bildern; wie etwa dieser langen, wunderschönen Einstellung von einem weißen Schal, den der Wind über die Dächer von Cannes trägt. Der gewohnt coole, aber auch zitatenreiche Soundtrack eines typischen Tarantinos-Films räumt das Feld für prächtige klassische Kompositionen von Hitchcock-Hofmusikus Bernard Herrmann. Und wo Uma Thurman mit dem Katana in die blutige Offensive geht, ist Moreaus maskeradeske Vorgehensweise viel näher am britischen Rache-Grand Guignol mit Vincent Price; wobei Truffaut selbstverständlich keinen Wert auf die köstlichen Übertreibungen und dem unverhohlen zur Schau gestellten schwarzen Humor eines THEATER DES GRAUENS legt. Aber damit keine Missverständnisse aufkommen: Auch bei Truffauts Braut ist nach dem Mord vor dem Mord.

Die Rache wird uns vom französischen Ausnahmeregisseur immer kalt serviert, aber er erzählt uns in diesen fünf Gängen auch etwas über Einsamkeit und Besessenheit. DIE BRAUT TRUG SCHWARZ ist ein voller inszenatorischer Kniffe steckender Revenge-Film für Cineasten und es wird auch nur dieser Personenkreis seine Freude mit Tarantinos stilvollen Vorlagengeber haben. Alle anderen schauen lieber noch mal in die Tarantinosammlung; was ja auch nicht die schlechteste Wahl für einen unterhaltsamen Filmabend bedeutet…

Die Braut trug Schwarz Bild 1
Die Braut trug Schwarz Bild 2
Die Braut trug Schwarz Bild 3
Die Braut trug Schwarz Bild 4
Die Braut trug Schwarz Bild 5
FAZIT:

Nicht zu unrecht wird Truffauts DIE BRAUT TRUG SCHWARZ aus dem Jahr 1968 damit beworben, eine Inspirationsquelle von Tarantinos KILL BILL zu sein. Und auch wenn der Franzose hier eine exquisite Rachegeschichte mit Boshaft und Stil erzählt, sollten sich weniger die Anhänger Tarantinos angesprochen fühlen, sondern viel mehr diejenigen, die sich für Arthouse-Thriller wie DIE SONNTAGSFRAU begeistern können.

In diesem Sinne: "Ich kann Sie kaum noch erkennen. Flackert das Licht?" - "Nein, Ihr Lebenslicht flackert. Es geht aus!"

WERTUNG: 8 von 10 Göttinnen der Jagd
TEXT © Christian Ade
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Marcel | 21.08.2010 16:07
DIE BRAUT TRUG SCHWARZ ist eine direkte Folge des Interviews zwischen Alfred Hitchcock und Truffaut, das zwischen 1962 und 1966 in mehreren Abschnitten geführt wurde und 1967 erstmals erschien (in Deutschland unter Titel "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?"). Die Dreharbeiten für diesen Film fanden zwischen Mai und November 1967 statt, also relativ kurz nach der Buchveröffentlichung und sind Truffauts Hommage an sein Vorbild. Vorlage war eine Geschichte von Woolrich aus, der auch die Vorlage zu REAR WINDOW schrieb, einem der beiden Hitchcock-Lieblingsfilme von Truffaut (der andere ist NOTORIUS).

Um die Musik für die erwähnte Schalszene gabs übrigens eine deutliche Auseinandersetzung. Einerseits war Herrmann zwar durch Truffaut bewusst engagiert, um seinen Film einen typischen Hitchcock-Soundtrack zu verschaffen, andererseits war Truffaut aber auch spätestens seit JULES ET JIM in seiner eigenen Ästethik stark gefestigt. Die Musikwahl, auf die sich die beiden am Ende einigten, war ein Kompromiss zwischen der düsteren Musik Herrmanns und den sonst eher verspielten Soundtracks anderer Truffautfilme.

Wie ich finde, funktioniert der Kompromiss sehr schön, ist aber andererseits auch tatsächlich als Stilbruch zur übrigen Musik deutlich zu erkennen.

Truffaut huldigte Hitchcock noch einmal, zwei Jahre später in DAS GEHEIMNIS DER FALSCHEN BRAUT, und auch hier lieferte Woolrich die Vorlage.
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