OT: Na srebrnym Globie
SCIENCE-FICTION: POLEN, 1977
Regie: Andrzej Zulawski
Darsteller: Jerzy Trela, Waldemar Kownacki, Andrzej Seweryn, Krystyna Janda
Eine Handvoll Astronauten bruchlanden auf einem fremden Planeten und werden zu den Urmüttern und Vätern eines neuen, primitiven Menschenstammes. Viele Jahre später kommt ein anderer Astronaut von der Erde auf den silbernen Planeten - und schwingt sich zum Gott dieser neuen Menschen auf
KRITIK:DER SILBERNE PLANET - Der kompromisslose, auf alle Konventionen seines Handwerks pfeifende Filmemacher und Freidenker Andrzej Zulawski verfilmt die drei Bände der Mond-Trilogie; jenem wegweisenden Science Fiction-Epos, der Anfang des 20. Jahrhundert von niemanden anderem als Zulawskis eigenen Großvater verfasst wurde.
DER SILBERNE PLANET - ist eines der radikalsten Exempel von Filmzensur. Der rigoroseste Eingriff von staatlicher Gewalt in die Filmkunst in der jüngeren Vergangenheit. Nicht dass Zulawskis Werk vorher von der Zensur verschont geblieben wäre; sein DIABEL aus dem Jahr 1972 verschwand kurz nach Vollendung für sechzehn Jahre im Giftschrank der polnischen Behörden.
Doch bei dem vorliegenden Film zeigte die Bestie Zensur noch viel mehr Zähne und Klauen und einen unbedingten Zerstörungswillen. DER SILBERNE PLANET sollte buchstäblich ausgemerzt werden. Die Aufnahmen wurden unterbrochen. Sämtliche Requisiten, Kostüme und Kulissen wurden an Ort und Stelle in einer Grube verbrannt (!). Zeitgleich wurden auch die andernorts gelagerten Ausstattungsgegenstände vernichtet. Dasselbe Schicksal blühte auch dem Filmmaterial, welches in zwei langen Jahren der Dreharbeit zusammengekommen war. Glücklicherweise konnte es vor der Vernichtung gerettet werden. Zulawski selbst wurde verhaftet. Wegen "Verschwendung von Staatsgeldern".
DER SILBERNE PLANET - Etwa fünfundzwanzig Prozent seiner Geschichte konnten nie gedreht werden. Geblieben sind zwar stattliche 157 Minuten, doch die fehlenden Filmsegmente erstrecken sich quer über die Laufzeit. Ein Epos in Fragmenten.
DER SILBERNE PLANET - Eines der visionärsten Werke im Bereich der Science Fiction - ein Film, der das Genre nur oberflächlich benutzt, um sich philosophisch mit Menschheit und Religion auseinanderzusetzen. Monumentale Science Fiction.
DER SILBERNE PLANET - zeigt die Anfänge einer neuen, völlig zerrissenen Menschheit auf einem fremden, der Erde erschreckend ähnlichen Planeten. Eine noch in ihren primitiven Anfängen steckende Zivilisation erhebt sich aus Chaos und Wahnsinn und sucht göttlichen Beistand.
DER SILBERNE PLANET - Einmal mehr verlangt Zulawski seinen Schauspielern (und damit auch dem Zuschauer) alles ab. Seine Wahrheiten sollen den Leuten vor den Bildschirmen nicht nach den Gesetzen einer gewöhnlichen, unterhaltungsdienlichen Erzählstruktur nahe gebracht werden. Nein; sie sollen fiebrig ins Gesicht der Kamera gebrüllt, gestammelt, geweint werden.
Das ist nicht einfach für den Zuschauer, bisweilen sogar extrem anstrengend. Über weite Strecken scheint DER SILBERNE PLANET nichts anderes als ein gigantisches Irrenhaus zu sein. Alle handelnden Figuren scheinen irgendwann beim Grübeln nach dem Sinn ihrer Existenz und der Suche nach einem Gott dem Wahnsinn anheim gefallen zu sein. Was zur Folge hat, dass irrsinnige Monologe im Stakkato in die Kamera gebrüllt werden. Da kommt man schon manchmal auf den Gedanken, Zulawski hätte auf das gesprochene Wort besser ganz verzichtet und sich nur auf die suggestive Kraft seiner gewaltigen Bilder verlassen.
DER SILBERNE PLANET - ist visuell wahrlich nicht von dieser Welt. Ungeahnte Welten öffnen sich hier hinter dem silbrig-bläulichen Schleier von Bildern, deren Farben man nachträglich jegliche Sättigung entzogen hat. Da gibt es surreal anmutende Aufnahmen von Astronauten, die auf primitiven Steinhaufen bestattet werden. Drogenfahrten durch Wüstenlandschaften. Die Stadt der Scherne, den Ureinwohnern des silbernen Planet -telepathisch begabte Vogelwesen; nun im Krieg gegen die Stämme der neuen Menschen. Und ganz zum Schluss die barbarischen Szene einer Passion auf dem Sandstrand. Auf gigantische Pfähle gespießte Leiber, Steinigungen. Und die Erkenntnis, dass selbst Götter, Halbgötter und andere Heilsbringer keine Immunität auf Erden genießen. Wenn der vermeintliche Erlöser des SILBERNEN PLANETEN den Tod jenes vermeintlich echten auf der Erde stirbt
Zulawskis Verfilmung der so genannten "Mond-Trilogie" fiel beinahe gänzlich der Zensur zum Opfer, als die polnischen Behörden im Jahr 1977 die Dreharbeiten gewaltsam gestoppt, Requisiten und Kulissen zerstört und den Regisseur verhaftet haben. Doch das unvollendete, fragmentarische Werk konnte gerettet werden und kommt nun mit einer dennoch epischen Länge von knapp 160 Minuten erstmals in streng limitierter Auflage auf eine deutsche DVD. DER SILBERNE PLANET ist auch in Fragmenten monumentale Science Fiction - verstörend, anstrengend, surreal, deliriös, aber auch ungemein komplex, visionär und visuell einzigartig. Sicher eines der nachdrücklichsten, faszinierendsten Werke in diesem Genre - welches allerdings mit einem fetten "Vorsicht!" verbunden ist. DER SILBERNE PLANET ist in keiner Sekunde Unterhaltungskino. Es geht hier weder um die unendlichen Weiten des Weltalls noch um Aliens oder Laserwaffengefechte, sondern um die Anfänge der Menschheit und der Religion. Es geht um die Frage und dem Infragestellen des Göttlichen. Die wird mit den wenig unterhaltsamen, aber für Zulawski typischen Mitteln der Verzweiflung und der Hysterie erörtert. Wer sich auf den SILBERNEN PLANETEN wagen will, sollte darauf vorbereitet sein.