OT: Body Double
THRILLER: USA, 1984
Regie: Brian de Palma
Darsteller: Melanie Griffith, Gregg Henry, Deborah Shelton, Craig Wasson
Der B-Movie-Darsteller Jake Scully hat einen wirklich schlechten Tag. Erst wird er aufgrund seiner extremen Klaustrophobie bei laufenden Dreharbeiten zu einem Vampirfilm gefeuert. Und dann erwischt er noch seine Freundin mit einem anderen Mann im Bett, woraufhin sie ihn (!) aus ihrer Wohnung schmeißt. Ohne Job und ohne Wohnung fängt Jake wieder an zu trinken und auch sein Schauspielunterricht ist für ihn eine einzige Qual.
Doch zum Glück lernt er dort den sympathischen Sam Bouchard kennen. Der nimmt sich seiner an und verschafft ihn eine temporäre Bleibe in dem Haus eines verreisten Freundes. Und dieses futuristische Haus hat es wirklich in sich: Von außen gleicht es einem hoch über L.A. thronendem UFO und innen gibt es eine gut bestückte Bar, einen Whirlpool und ein sich automatisch drehendes Bett.
Doch das beste Feature ist die Aussicht: über ein Teleskop kann Jake jeden Abend zur gleichen Zeit beobachten, wie eine wunderschöne Nachbarin vor offenem Fenster einen heißen Striptease vollführt und sich anschließend auf dem Bett räkelt und masturbiert. Natürlich wähnt sich der arg vom Schicksal gebeutelte Jake auf einmal im siebten Himmel. Doch nichts ist hier so, wie es scheint ...
Anfang der 80er Jahre bekam Brian de Palma immer größere Probleme mit der amerikanischen (freiwilligen Selbst-) Zensur (der Filmindustrie). Schon vorher hatte er sich den Ruf erworben, dass er frauenfeindlich und zu sehr in die exzessive Darstellung von Gewalt verliebt sei. Und spätestens mit Thrillern wie DRESSED TO KILL (1980) und SCARFACE (1983) wurde de Palma zum wohl meist angefeindeten Hollywood-Regisseur seiner Zeit.
Doch anstatt einfach klein beizugeben entschloss sich de Palma für die Flucht nach vorne. Statt sich erneut (wie bei DRESSED TO KILL) auf Kürzungen einzulassen, entschloss er sich nun einen Film zu machen, der von vornherein keine Jugendfreigabe erzielen würde. Ja, tatsächlich zeigte er seinen Kritikern und der amerikanischen Filmindustrie mit seinem nächsten Film sogar feist grinsend den dicken Finger und schrie so laut, dass es wirklich jeder hören musste: "Ihr mich auch!"...
Und so entstand der Kracher BODY DOUBLE aka DER TOD KOMMT ZWEIMAL (Anmerkung des Verfassers: Obwohl ich diesen Film nun schon weit häufiger, als nur zweimal gesehen habe, habe ich noch immer nicht verstanden, wo der Tod hier zweimal kommen soll. Deshalb belasse ich es im Folgenden bei dem wesentlich prägnanteren und auch passenderen Originaltitel.).
BODY DOUBLE war ein einziger Frontalangriff auf alle kleinkarierten Moralapostel und auf die sich selbst als seriös bezeichnende Kritik. Der Film suhlt sich lustvoll in der Welt der billigen Schundfilme, der hirntoten MTV-Videoclips und der niedersten Pornografie.
Aber auch damit war es für de Palma noch lange nicht genug: Er beutet auch noch frech sämtliche Thrillerklischees seit den 40er Jahren aus und treibt diese allesamt auf die Spitze. Und dann zeigt er noch Dinge, wie z.B. eine Imbissbude in der Form eines riesigen Hotdogs, eine schier unglaublich kitschige Liebesszene und eine Szene, die den Begriff der sexualisierten Gewalt ganz neu definiert.
Und auch seinen Kritikern, die ihn schon immer als bloßen Hitchcock-Epigonen gebrandmarkt hatten, gibt er mit BODY DOUBLE erneut reichlich Futter. So erinnert bereits die kurze Inhaltsangabe unverkennbar an DAS FENSTER ZUM HOF. Und ebenso unverkennbar zitiert de Palma später noch einen weiteren großen Klassiker des Masters of Suspense. Doch, wie bereits in der Inhaltsangabe erwähnt: Nichts ist hier so, wie es scheint...
Dabei zeigt de Palma bereits ganz am Anfang von BODY DOUBLE, wie dieser (und viele andere seiner Filme) tatsächlich funktioniert: Wir sehen das Set von einem Horrorfilm über den in unsäglich billig wirkenden, geschmacklosen Lettern die Anfangscredits laufen. Und während weiterhin diese schrecklich kitschigen Titel ablaufen, erscheint auf einmal das banale Bild einer Wüstenlandschaft.
Doch dann kippt dieses Bild auf einmal merkwürdig aus der Perspektive, die Kamera zoomt zurück, und wir sehen, dass diese Wüstenlandschaft Teil einer Filmkulisse ist, die einige Männer gerade vor dem Studio durch die Gegend tragen. Und so hat de Palma uns bereits das erste mal erfolgreich ausgetrickst, bevor der eigentliche Film überhaupt läuft. Aber er hat uns nicht nur einfach mit rein filmischen Mitteln manipuliert, sondern er hat uns zugleich gezeigt, wie diese filmische Manipulation funktioniert.
Und obwohl man bei genauerer Betrachtung hätte merken können, dass diese Wüstenlandschaft nur gemalt ist, haben uns die kitschigen Titel so sehr abgelenkt, dass wir nicht darauf geachtet haben. Und selbst falls wir es doch gemerkt haben sollten, hätten wir sicherlich den Eindruck gehabt, dass dies ein so offensichtlich billiger Film ist, dass er selbst im Jahre 1984 nicht vor der plumpen Verwendung von schlecht gemalten Hintergrundbildern zurück schreckt.
All dies ist selbstverständlich völlige Absicht und Ausdruck der tatsächlichen Methode von de Palma. Denn der ist nicht einfach wie z.B. Quentin Tarantino ein Schelm, der geschickt die Filmgeschichte plündert, einmal gut durchrührt und dann zu seinem scheinbar eigenen Kuchen "neu" verknetet. De Palma ist ein extrem smarter Bursche, der unter anderem auch genau weiß, was wir selbst bereits kennen. Und wenn er sich z.B. bei Hitchcock bedient, dann will er sogar, dass wir erkennen, welchen Film er hier gerade zitiert.
Denn für de Palma ist auch die gesamte Filmgeschichte nichts anderes, als das anfangs gezeigte Wüstenbild. Und während wir uns noch freuen, weil wir glauben ihn beim Klauen erwischt zu haben, fangen auch diese Bilder plötzlich an zu kippen und zeigen erneut, dass der Meister-Manipulator die ganze Zeit nur mit uns gespielt hat. Und gerade als in BODY DOUBLE alle Geheimnisse endgültig aufgeklärt zu sein scheinen, kippt auf einmal der gesamte Film und wir wissen nicht einmal mehr sicher, was hier überhaupt Gegenwart, Erinnerung oder Traum war...
Der oft unterschätzte BODY DOUBLE ist in Wahrheit einer von de Palmas allerbesten Filmen überhaupt. Dieses unsäglich trashig und kitschig wirkende scheinbare Machwerk, ist in Wahrheit genau all das. - Aber zugleich ist der Film auch ein ebenso intelligenter, wie unterhaltsamer und unsere Wahrnehmung gnadenlos manipulierender Metafilm und ein Film gewordener Exkurs über die Wirkungsmechanismen des Kinos an sich.