OT: Delirio caldo
GIALLO: ITALIEN, 1972
Regie: Renato Polselli
Darsteller: Mickey Hargitay, Rita Calderoni, Raul Lovecchio, Christa Barrymore
Der Psychologe Dr. Lyutak (Mickey Hargitay) kompensiert seine Impotenz mit dem Strangulieren von jungen Frauen. Dabei "berät" er die ahnungslose Polizei bei den Ermittlungen in der von ihm selbst verübten Mordserie. Auch Lyutaks sklavisch ergebene Frau Marzia (Rita Calderoni) ist gewillt, die Schandtaten ihres Gatten mit allen Mitteln zu vertuschen -
KRITIK:Wenn einer wie Renato Polselli -und sei es unter dem Pseudonym "Ralph Brown" - einen Giallo dreht, muss man an einen solchen mit einer anderen als der üblichen Erwartungshaltung herangehen. Der 2006 verstorbene Polselli hat uns ja schon mit der irrwitzigen REINCARNATION OF ISABEL das Gehirn durchgenudelt und die Nachwelt rätselt immer noch: War er ein Halbgott der Psychotronik oder einfach nur Dilettant?
Konkreten Aufschluss darüber gibt auch dieser Film nicht, doch Vorsicht ist geboten; zumal der Flick schon recht bedeutungsschwanger mit DELIRIUM betitelt ist.
Mit filmischen Delirien kennt sich Polselli bestens aus. Ganz so wirr wie Isabels Reinkarnation ist seine Stippvisite ins Edelschlitzerfach nicht geraten, aber natürlich ist der nun, ähm, Stil des Regisseurs unverkennbar. Perverser Drive soll fehlende Eleganz ersetzen und insbesondere in den Szenen der von Impotenz und unerfüllter Leidenschaft heimgesuchten Ehe zwischen dem Killer und seiner Frau wird es leicht abseitig. Auch wenn diese "Beziehungskrisen" relativ viel Platz in der Handlung einnehmen, genügt DELIRIUM deshalb längst nicht dem Anspruch, ein ernstzunehmendes psychosexuelles Drama zu sein.
Im Vordergrund steht natürlich der Sleaze, dem genüsslich in ein paar halluzinatorischen S/M- und Lesbenszenen und mehr noch in den (fürs Filmalter) recht schlüpfrig und dreckig geratenen Mordsequenzen gehuldigt wird. Das ist nicht frei von Dumm- und Ungereimtheiten und auch der Verstörungsgrad hat immer mal wieder unter abstrusen oder unfreiwillig komischen Einschüben zu leiden.
Vor allem das letzte Drittel der 102-minütigen "internationalen Fassung" (Anm.: Es gibt noch eine gestraffte US-Version über 89 Minuten; mit alternativem Prolog und weniger Sex, dafür mit mehr Gore und einem etwas schlüssigeren Ende)- berstet dann vor Anschlussfehlern und Schnitthickhack und führt alle Beteiligten letztendlich doch noch ins DELIRIUM.
Wobei bemerkenswert ist, dass das Geschehen auf dem Bildschirm dann zwar immer hektischer, der Flick selbst aber zäher und langatmiger wird. Okay, sowohl Story als auch Auflösung sind in etwa so clever wie die Polizisten in diesem Film, die selbst dann noch an die Rechtschaffenheit ihres psychologischen Beraters glauben, wenn sie ihn in flagranti beim Morden erwischen.
Eine solche himmelschreiende Torheit wird auch dadurch nicht nachvollziehbarer, wenn man das definitiv tote Mordopfer im wirren Finale plötzlich wieder putzmunter durch die Gegend springen lässt... Aber hey, it´s Polselli! Der war eben nun mal die personifizierte Geißel der Logik Wenn es den im Schneideraum überkommen hat, dann hat er halt mal das Filmmaterial zerschnippelt, wie Konfetti in die Luft geworfen und danach aufs Geratewohl wieder zusammengeklebt.
Ebenso Polselli ist die Legion von superkurzen Röcken in diesem Werk. Und die ausgiebig offerierte nackte Haut, die besonders bei Rita Calderoni recht ansehnlich ist. Über Dinge wie schauspielerisches Potenzial legen wir hingegen das Mäntelchen des Schweigens. Die nackte Calderoni ist eine Augenweide und abgesehen von ihrem nervigen in Endlosschleife gewimmerten "O Herbert No, Herbert! Herbert!?!..." spielt sie den Stiefel auch sauber runter.
Hargitay ist -neben meinem guten Freund Lajos- sowieso mein zweitliebster Ungar. Und der gute Mann war ja nicht nur mit Hollywoods tragischem Skandalblondchen der 50er und 60er Jayne Mansfield verheiratet, sondern ihm nimmt man auch den perversen Frauenmörder ab. Wenn ein Drehbuch allerdings vorsieht, dass er so richtig die Maniac-Sau rauslassen muss, endet dies nicht selten in genau jenem peinlichen Overacting, welches er schon zu seinen "Crimson Executioner"-Zeiten in der BLOODY PIT OF HORROR so unvergleichlich zelebriert hat. Aber das, liebe Freunde, ist eine andere Geschichte...
Zumindest Kenner der REINCARNATION OF ISABEL argwöhnen: Wenn Renato Polselli einen Giallo dreht, ist das Ergebnis nichts für Feingeister. Einmal mehr erklärt der italienische Psychotroniker den Freunden logischer Storylines und sauberen Schnitten den Krieg und fällt mit sleazigen Morden und kleineren Perversionen aus dem Rahmen. Der Verstörungsgrad wird zwar ständig von unfreiwilliger Komik und Dümmlichkeit torpediert, doch eine gewisse, abseitige Atmosphäre ist nicht abzustreiten. Selbst im eleganten Milieu der italienischen Mordoper ist sich Polselli treu geblieben und so trägt DELIRIUM recht deutlich seine Handschrift. Was bedeutet: Nomen est omen!