OT: La Residencia
GIALLO: SPANIEN, 1969
Regie: Narciso Ibanez Serrador
Darsteller: Lilli Palmer, Cristina Galbó, Mary Maude, John Mulder-Brown
Frankreich im 19. Jahrhundert: Madame Forneau führt in einem Internat für schwererziehbare Mädchen ein hartes Regiment. Für Ungehorsamkeiten setzt es schon mal die Peitsche und auch manche Schülerinnen sind in Sachen Demütigung nicht gerade unbeleckt. Allerdings lauert in dem weitläufigen Landsitz eine viel größere Gefahr auf die Mädchen. Ein unheimlicher Killer hat es auf sie abgesehen -
KRITIK:Im Erotikfilm sind Internatsschülerinnen im taktlosen Auge der Exploitation zumeist kleine, unersättliche Luder, die mit großer Findigkeit Jungs in ihre Schlafgemächer schmuggeln oder sich ins Bettchen der Klassenkameradin stehlen. Auch im Horrorgenre bedienen die Mädchen oftmals das Klischee der lustvollen Nymphe, aber stehen gleichfalls ganz oben auf der Abschussliste der einschlägigen Drehbuchautoren.
Schon 1960 in DRACULA UND SEINE BRÄUTE suchte sich der Vampirbaron Meinster seine Opfer in einer Mädchenschule und auch in den Siebzigern wurden Internate mit ausschließlich weiblichen Zöglingen zu den Jagdgründen von perversen Killern (ORGIE DES TODES, JESSY - DIE TREPPE IN DEN TOD), Hexen (SUSPIRIA), übersinnlichen Mysterien (PICKNICK AM VALENTINSTAG) oder deutschen Sagengestalten (THE LORELEY´S GRASP).
Doch einer der effektivsten, hinterhältigsten und besten Schulmädchen-in-Angst-Flicks ist ein spanischer Streifen aus dem Jahr 1969, der auf den Namen LA RESIDENCIA (aka DAS VERSTECK aka THE HOUSE THAT SCREAMED) hört. Inszeniert wurde dieses Meisterwerk von Narciso Ibanez Serrador, der sich mit seinem anderen Meilenstein EIN KIND ZU TÖTEN im Fandom einen Namen gemacht hat. Von beiden Filmen dürfte DAS VERSTECK der weniger geläufigere sein, besitzt aber einen ähnlichen wegweisenden Charakter.
Auch 40 Jahre nach seiner Entstehung hat Serradors VERSTECK kein Körnchen Staub angesetzt, sondern erstrahlt in zeitloser Boshaftigkeit. Für sein Alter birgt dieser Film ein stattliches Arsenal an verstörenden Szenen. Das beginnt bei den sexuell-sadistischen Spielchen, welche bereits einen recht fundamentierten Ausblick auf künftige WIP- und Sleazeexzesse geben und hört mit dem hypermakabren Finale auf, das den Zuschauer mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube zurücklässt.
Dabei wurde filmische Grenzauslotung selten trefflicher und stilvoller in Szene gesetzt. Es herrscht höchstes Niveau in allen Bereichen. Die klassische Musik des Argentiniers de los Rios ist grandios intonierte Gotik; die Kamera von Manuel Berenguer stellt die düsteren und doch prächtigen Gemälde dazu und Serrador dirigiert den Schulmädchen-Alptraum mit sicherer Hand.
Dabei ist DAS VERSTECK ungeachtet der nichtitalienischen Herkunft und der in einem vorigen Jahrhundert angesiedelten Handlung in seinem schwarzen Herzen ein Giallo reinster Seele, der auf der Bühne eines gotischen Mädchenpensionats spielt und dabei das Gewand eines Gruselfilms trägt. Wobei den Begriff "Gruselfilm" immer ein Hauch von Altback umweht; doch im Falle von DAS VERSTECK ist der Zahn der Zeit stumpf geblieben.
Viel zu massiv ist der Panzer der Morbidität und Bedrohlichkeit, der die hochatmosphärische RESIDENCIA umgibt. Und sie offenbart Tiefe mit ihrer Haltung gegen Obrigkeit und Scheinheiligkeit, wenn in einer Reihe famoser Gegenschnitte zwischen Schülerinnen, die vor dem Zubettgehen zum laut gesprochenem Gruppengebet genötigt werden und einem Mädchen, das in einer abseitigen Kammer von der Internatsobrigkeit brutal gezüchtigt wird, hin und her gesprungen wird.
Nicht ungenannt soll die Prominenz bleiben, die sich im HOUSE THAT SCREAMED versammelt hat. Da spielt Lilli Palmer die rigorose Internatsdirektorin und John Mulder-Brown, der sich ein paar Jahre später in einer Perle der Hammer-Studios gegen den CIRCUS DER VAMPIRE zur Wehr setzen muss, deren jugendlichen Sohn. Maribel Martin kennen wir auch als die BLOODSPATTERED BRIDE des lesbischen Vampirs Mircalla und die hier noch blutjunge Cristina Galbó konnte sich auch in WHAT HAVE YOU DONE TO SOLANGE?, THE LIVING DEAD AT MANCHESTER MORGUE und THE KILLER MUST KILL AGAIN empfehlen.
Absolut nicht empfehlenswert ist leider das derzeit gängige offizielle DVD-Release mit dem Titel THE HOUSE THAT SCREAMED aus dem Hause Shout. Denn dort macht sich die olle "Mistress of the Dark" Elvira äußerst unbeliebt, indem sie uns diesen herausragenden Film in einer Qualität präsentiert, wogegen selbst mieseste Bootlegs wie messerscharfe Blurays wirken.
40 Jahre greis und kein bisschen angegraut. Im Gegenteil: DAS VERSTECK ist zeitlos böse und für sein Entstehungsjahr fast schon verboten bedrohlich. Rein äußerlich eine gotische Nachtmär; in der dunklen Seele ein bitterböser Giallo und dann und wann wird sogar die Peitsche herber Sexploitation geschwungen. Ein früher, doch wegweisender Alptraum vom EIN KIND ZU TÖTEN-Regisseur Serrador.