ANIMATION: USA, 2009
Regie: Henry Selick
Darsteller: Dakota Fanning, Teri Hatcher, Jennifer Saunders
Coraline, titelgebende Hauptfigur in diesem Animationsfilm von Henry Selick ("Nightmare Before Christmas"), langweilt sich zu Tode: nicht nur dass ihre Eltern mit ihr von der Stadt in eine verlassene Gegend in ein heruntergekommenes Haus (rosa) gezogen sind - nein, sie geben sich auch nicht die geringste Mühe, ihrer Tochter wenigstens ein wenig das Einleben in die neue Umgebung zu erleichtern - zu beschäftigt sind sie damit, ihrer Arbeit, der Fertigstellung eines Kataloges, nachzugehen. Doch da findet Coraline eine geheime Tür in eine andere Welt, wo die scheinbar perfekte Familie auf sie wartet wenn da nicht diese Knopfaugen wären
KRITIK:In Fremdenverkehrsgebieten ist es üblich, dass man es mit der Temperatur der umliegenden Badeseen nicht ganz so genau nimmt 19 Grad hören sich vielleicht doch etwas zu frisch an. Also gibt man einfach 1, 2 oder gar 3 Grad Fremdenverkehrszulage drauf. Gut für die Buchungszahlen.
Langsam aber sicher beschleicht mich das Gefühl, dass es dafür auch eine Entsprechung in der Filmbranche gib eine Animationsfilmzulage um 1, 2 oder gar 3 von 10 Punkten gegenüber eines klassischen Films.
Anders kann ich mir die überschwänglichen Kritiken für Coraline (und so manch anderes Konstrukt aus der Animationsfilmwelt) langsam nicht mehr erklären. Da haut filmstarts.de schon mal 9 von 10 Punkten raus, filmering.at darf da natürlich in nichts nachsehen und selbs auf imdb.com wird dieser Film auf ziemlich sarke 7,9/10 "raufgevoted".
Muss wohl eine Offenbarung sein, dieser Film. Die fehlenden schauspielerischen Leistungen müssen wohl durch schier überbordende Animationskunst und eine sagenhaft intelligente Story aufgewogen werden.
Nun, nach 100 Minuten, die mir wie 150 vorgekommen sind, bin ich fassungslos: DAS soll es gewesen sein?
Schön anzusehen sind die ja, die Bilder, die man geboten bekommt. Dass das Ganze im Stop-Motion-Verfahren animiert wurde (sprich: Coraline ruckelt bei Bewegungen fröhlich vor sich hin), ist dabei weder sonderlich kreativ, noch atemberaubend, noch neu, noch ungewöhnlich. Ein etwas fehlgeschlagener Versuch, "anders" zu sein als andere Animationfilme. Das ist nun an sich kein Problem, ob der mehr als nur postivien Kritiken bin ich dann aber allein deshalb schon etwas enttäuscht. Der Film wirkt einfach bemüht "anders" gemacht, ohne das irgendwo bis zur letzten Konsequenz durchzuziehen. Er bleibt immer so weit gefällig, dass er auch für den Mainstream leicht verdaulich konsumierbar bleibt.
Genauso wie Coraline durch die Handlung ruckelt, ruckelt auch die Handlung durch den Film: die ist derart ausgelutscht im Genre der Animationsfilme, dass ich ihr jegliche Kreativität absprechen möchte. Da kann man schon von einer anderen, moderneren wasweissichen Version von Alice im Wunderland sprechen: das von den Eltern vernachlässigte Kind das irgendwo eine Geheimtür in eine andere Welt findet die nur scheinbar besser ist, also ehrlich: das gabs in 100 Varianten. Und selten so einfallslos umgesetzt wie hier.
Sämtliche Charaktere auf die Caroline trifft, leiden an chronischer Uninteressantheit. Abgesehen von Coraline gibt es praktisch keinen Charakter, der auch nur igendeine Entwicklung durchmacht, die geringste Form des Tiefgangs besitzt oder überhaupt nur in irgendeiner Form für die Handlung sonderlich relevant wäre.
"Coraline" ist durchsetzt von Beliebigkeit und fehlender Inspiration. Dafür reich beschenkt mit Vorhersehbarkeit und Langeweile. Erst die letzten 20 Minuten des Filmes können ein wenig für die Quälerei entschädigen, die man vorher über sich ergehen lassen musste. Gleichzeitig fällt aber genau hier auf, dass der Film durch eine weiter gesteigerte Überzeichnung der Charaktere ins Absurde von seinen eklatanten Schwächen ablenken will.
Wirklich schlecht ist der Film natürlich nicht. Dass aber mittlerweile ein Trend einsetzt, bei dem jeder Animationsfilm, der "nicht nur" für Kinder ist, ein wenig Handlung und eine ach so nötige "Message" besitzt, und einfach ein wenig anders animiert und gezeichnet ist, plötzlich Höchstnoten abräumt, die eigentlich Meisterwerken der Filmkunst vorbehalten bleiben sollten, ist schon erschreckend. Huch, ein Animationsfilm nicht nur für Kinder - wo sind schnell meine Wertungsschildchen mit den Höchstnoten?
An "Coraline" gibt es nichts, das ihn in irgendeiner relevanten Form von jedem anderen x-beliebigen Animationsfilm unterscheidet. Besonders hinsichtlich der wirklich flachen, ausgelutschen Handlung und der - abgesehen von der spritzig-frechen Coraline - einmalig langweiligen Charaktere fällt "Coraline" deutlich zurück. Eine ziemlich herbe Enttäuschung.
Ja, is ja eh ganz nett. Aber auch nicht mehr.