THRILLER/DRAMA: USA, 2005
Regie: Nick Cassavetes
Darsteller: Emile Hirsch, Justin Timberlake, Bruce Willis, Sharon Stone, Dominique Swain
Der fünfzehnjährige Zak wird von der Gang des Drogendealers Johnny Truelove entführt, als Faustpfand für Zaks älteren Bruder, der Johnny 50.000 Dollar schuldet. Als der Gang dämmert, dass auf Entführung lebenslang steht, liegen die Nerven blank. Die Situation eskaliert ...
KRITIK:Filme, die Rudolf John im Kurier in den höchsten Tönen lobt,
sind ja grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen.
"Reine Tatsachen präsentiert diese auch stilistisch frappierende Semidoku, lehrt ohne spektakuläre Horror-Szenen das Gruseln", schreibt der meist gelesene
Filmkritiker Österreichs. Mal abgesehen davon, dass man mir erklären möge, was "stilistisch frappierend" bedeutet,
hat mir die semi-dokumentarische Machart dieses Thriller-Dramas ziemliche Schwierigkeiten bereitet.
Ja, die Geschichte beruht auf Tatsachen. Der Fall ereignete sich 2000 in Kalifornien.
Die Täter fassten teils lebenslange Haftstrafen aus. Der
Rädelsführer wartet in St. Quentin auf seine Hinrichtung.
Regisseur Nick Cassavetes erhielt von den Staatsanwälten Einsicht in die Ermittlungsakten.
Realismus satt ist also angesagt.
Aber: Was zum Henker bezweckt der Regisseur mit diesen von Schauspielern nachgestellten Zeugen-Interviews? Soll damit Authentizität erhascht werden?
Mich berühren Spielfilme, die bessere Dokus sein wollen, immer negativ.
Die meiste Zeit sehen wir unseren hoffnungsvollen Nachwuchskriminellen, die allesamt aus gut situiertem Elternhaus stammen,
bei ihrem Kleingangster-Tagewerk zu: Da wird "gechillt" (ich hasse dieses Wort, es fällt im Film ein halbes Dutzend mal),
gekifft, gesoffen, gevögelt und geprügelt, wie es im Larry Clark-Kochbuch steht.
Mit dem Unterschied, dass das Gezeigte bei Larry Clark weniger aufgesetzt wirkt.
Obwohl keine harten Drogen vorkommen und die Sexszenen stets mit abrupten Schnitten abgebrochen werden,
hat die US-Zensurbehörde dem Film ein "Rated R for pervasive drug use and language, strong violence, sexuality and nudity" verpasst. Bei Larry Clarks Filmen Kids oder Ken Park ging's entschieden expliziter zur Sache.
Gesprochen wird vorzugsweise "direkt", was sich in der deutschen Fassung anhört wie "Eyyy, was geht ab, du kurzschwänziger Homowichser?".
Gibt es in den Synchronstudios denn wirklich niemanden, der amerikanische Straßen-Prosa halbwegs krampffrei ins Deutsche übertragen kann?
Was man dem Film zugute halten muss: Er moralisiert nicht. In guter New Hollywood-Manier gilt die Sympathie des Regisseurs eindeutig den Outlaws. Ein an sich löblicher Ansatz. Doch die Übung misslingt. Denn unseren Antihelden fehlt jeglicher sympathischer Zug, und, schlimmer noch: jegliches Charisma.
Hätten die Cops diese unsympathische, wohlstandsverwahrloste, homophobe und stroh-dumme Wannabe-Gangster-Bande nach 10 Film-Minuten zusammengefangen und ihre hässlichen Visagen zu Brei geprügelt, wär's mir auch recht gewesen. Der Film hat mich überhaupt nicht berührt - fatal für ein Thriller-Drama, das um Empathie für seine jugendlichen Antihelden bemüht ist.
Erfreuliche Ausnahme: Justin Timberlake, der seinen Sexyback mit formatfüllenden Tattoos verziert hat, agiert recht überzeugend. Nur über diesen hässlichen Vollbart müssen wir noch mal reden.
Und Ben Foster (Six Feet Under) legt eine hinreichend manische Performance hin, die den Film doch irgendwie rettet.
An sich ambitioniertes, um Milieurealismus bemühtes True Crime-Jugenddrama, das leider einen sehr zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Beware of Deutschfassung!