DOKUMENTARFILM: GB, 2007
Regie: Stephen Walker, Sally George
Darsteller:
1982 gründete Bob Cilman den Young@Heart Chor. Zusammen mit Judith Sharpe organisierte er in einem Altenwohnheim in Northhampton (USA) eine Gesangsgruppe. Die Mitglieder des Chors sind alle zwischen 70 und 100 Jahre alt, das Besondere daran: Sie singen zeitgenössische Lieder aus den Bereichen Rock, Punk und Pop. 2007 begleitete die BBC den Young@Heart Chor bei der Vorbereitung zu ihrem Bühnenprogramm Alive and Well...
...und dabei entstand dieser wunderbare Film.
In Zeiten wie diesen, in denen es für das Individuum immer schwieriger wird gegen Dinge zu rebellieren, ich meine richtig zu rebellieren, zu provozieren, zu schockieren, mag sich der ein oder andere denken: "Ein cleverer Schachzug von diesem Cilman einfach ein paar alte, klapprige Leutchen auf die Bühne zu stellen und sie rockige Songs singen zu lassen...", hippe Alte in Zeiten einer sich im Kreis drehenden Jugendkultur, das schockt doch so richtig. Und vor allem das ist ein Erfolgsgarant. Die Jugend, als Sinnbild des Aufbruchs, hat sich durch ihre Sucht nach einem Alleinstellungsmerkmal selbst eliminiert. So scheitern sie an ihrem eigenen Idealbild und müssen sich am Ende eingestehen, dass sie doch nur Teil einer Gemeinschaft sind, die sich durch Individualität definieren will und nicht durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl und daran per Definition scheitern muss.
Doch was spricht denn eigentlich gegen Gemeinschaft? Eine Gemeinschaft ist etwas Tolles, etwas das Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe fördert. Jetzt nicht falsch verstehen, ich spreche hier nicht von einem uniformierten Gleichschritt und einem Kollektivdenken, in der die Meinung des Individuums keinen Stellenwert hat, sondern ich spreche davon, dass man seinen Nachbarn kennt, dass man ihm hilft, wenn Not am Mann ist, dass man anderen Menschen wirklich zuhört, was sie zu sagen haben. Ich spreche von Respekt und Verantwortung gegenüber einem anderem Menschen.
Genau diese Gemeinschaft leben die Mitglieder des Young@Heart Chor. Sie kümmern sich umeinander. Sie stellen gemeinsam etwas auf die Beine, verbinden Generationen durch die Musik und ihre Offenheit.
Alles Dinge von denen heute nur noch Wenige etwas wissen wollen, es geht nicht darum das Gleiche zu haben wie mein Gegenüber, es geht darum etwas Besseres zu haben als mein Gegenüber.
Doch diese Gemeinschaft von alten Leuten, die sich den Arsch dafür aufreißen eine tolle Show aufs Parkett zu legen, die tragen das Feuer in sich, das der Jugend heutzutage verloren gegangen ist. Dabei erscheint es mir so, dass es doch eigentlich genau das ist was die Jungen wollen.
Oft schreiben wir die Alten ab, wenn auch nur unterbewusst. Viele sind der Meinung, dass sie keinen besonders wichtigen Beitrag mehr zum Leben leisten. Dieser Film zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wir können viel von ihnen lernen, wenn wir zuhören. Lebensmut und Offenheit gegenüber Fremdem sind dabei nur zwei Aspekte von vielen. Der mit Abstand wichtigste ist Lebensfreude.
Was mich wirklich so fasziniert hat an Young@Heart: Diese Menschen BILDEN eine Gemeinschaft, einen Zusammenhalt, sicherlich nicht mit hochstrebenden Zielen und trotzdem sind sie ein Sinnbild für Leidenschaft, Überzeugung, Willenskraft und stehen ein für etwas, das sie aus ganzem Herzen lieben.
Young@Heart trägt so viel Leben in sich und das obwohl man den meisten Mitgliedern des Chores unterstellen könnte, das sie mehr an der Schwelle zum Tod stehen. Doch davon lassen sie sich nicht ihren Lebensmut nehmen, ihre Freude am Leben, denn das ist noch lange nicht vorbei. Dieser Film ist lebensbejahend, selbstironisch und steckt voller Humor, ist mutig und ehrlich und ohne Schnickschnak. Ausserdem ein Sinnbild für Zusammengehörigkeit und Gemeinschaftssinn. Ein Plädoyer für das Leben, zudem nunmal auch der Tod gehört, besser man pflegt einen guten Umgang mit diesem.
Voller Mut und Leidenschaft verfolgend diese alten Menschen ein Ziel, ein Enthusiasmus von dem wir uns eine gehörige Scheibe abschneiden können. Ein lebensbejahendes Porträt eines aussergewöhnlichen Chores, welches einen einfach unweigerlich mit dem Fuss wippen lässt, sobald sie ihre Lieder anstimmen.