OT: Yôjinbô
ACTION: JAPAN, 1961
Regie: Akira Kurosawa
Darsteller: Toshiro Mifune, Tatsuya Nakadai, Yoko Tsukasa
Sein Weg führt den herrenlosen Samurai Sanjuro in ein Dorf, das durch die rivalisierenden Unternehmerfamilien der Seibei und Ushi-Tora in ihrem Streben nach Macht terrorisiert wird. Er beschließt nun, dem Treiben ein Ende zu bereiten und die Banden gegeneinander auszuspielen.
KRITIK:Als glühender Verehrer des Italowesterns, der sich auch für die Hintergründe des Genres interessiert, stößt man früher oder später auf den Namen Akira Kurosawa. Sergio Leones legendäre Genregründung "Für eine Hand voll Dollar" stellt gewissermaßen ein Remake vom drei Jahre zuvor erschienen "Yojimbo" des japanischen Meisterregisseurs dar. Ein Umstand, der in einem intensiven Rechtsstreit mündete, wodurch Leone Teile der Vermarktungsrechte an seinen japanischen Kollegen abtreten musste. Selbst Kurosawa ist nicht frei von jeglichen Plagiatsvorwurf, ihm wurde immer wieder vorgeworfen, sich allzu sehr vom Roman "Rote Ernte" von Dashiell Hammet inspiriert haben zu lassen, was der Regisseur jedoch Zeit seines Lebens bestritt.
Aber genug des mehr oder minder interessanten Hintergrundwissens. Kurosawa zeigt in seinem Film die japanische Gesellschaft im Übergang vom Feudalismus in die Neuzeit, eine Lebenswelt, die von Korruption, Machtgier und Einschüchterung gegenüber den Unterdrückten bestimmt wird. Eine Gesellschaft also, von der sich in ihrer Verkommenheit, zur heutigen durchaus Parallelen ziehen lassen. Mittendrin befindet sich der umherziehende Ronin Sanjuro, dargestellt von Toshiro Mifune, einem Stammschauspieler Kurosawas. Dieser fühlt sich noch der Vergangenheit und deren Werten, wie Ehrgefühl, verpflichtet, sieht sich aber mit der verkommenen neuen Ordnung, die diese Werte vollkommen negiert, konfrontiert. Getrieben von seinem Gerechtigkeitssinn beschließt Sanjuro gegen die bestehende Ordnung vorzugehen und sich den beiden Familien als unverzichtbarer Leibwächter schmackhaft zu machen, um diese geschickt gegeneinander auszuspielen. Der Ronin bedient sich den Mittel seiner Umwelt und setzt bei seinem Vorgehen auf Verrat, Täuschung und Brutalität.
Einzig Unosuke, aus der Bande der Ushi-Tora, steht dem Samurai misstrauisch gegenüber. Von einer Reise hat dieser einen Revolver mitgebracht und sieht sich nun im Verhältnis zum Schwertkämpfer als überlegen an. Dies verleiht dem im Film unterschwellig vorherrschenden Konflikt zwischen Vergangenheit und Fortschritt einen konkreten Bezug. Mifune erreicht dabei eine immense Leinwandpräsenz und zieht den Zuseher zunehmend in seinen schauspielerischen Bann. Seine starre Mimik, die spärliche Ausdrucksweise sowie der gekonnte Umgang mit Katana und Messer des Japaners machen ihn zu meinem persönlich All-Time-Favorite aller einsamen Helden der Filmgeschichte.
Kurosawa greift im Zuge seiner Inszenierung augenscheinlich Stil und Motiv des klassischen Westerns auf. Generell orientiert er sich in seinen Filmen regelmäßig an westlichen Stilen und Thematiken, sicher ein Grund seines weltweiten Erfolges. Die Szenerie in "Yojimbo" erinnert ebenso wie die Aufnahmen an die alter Western, allen voran jene von John Ford. Das zeigt sich besonders im Aufbau und der Präsentation des Dorfes, welches genauso gut den Handlungsort eines Western darstellen könnte. Für mich auch etwas überraschend, die Kompromisslosigkeit, mit der der Regisseur zu Werke geht. Bereits nach wenigen Minuten rollt die erste abgetrennte Hand über den Boden. Kurosawa setzt auf Realismus, das spiegelt sich auch in den Schwertkämpfen wieder. Während einem in der vergleichbaren Zatoichi-Reihe penibel durchchoreographierte Schwertkämpfe, die stellenweise an Balletvorstellungen erinnern, präsentiert werden, besticht "Yojimbo" durch Minimalismus. Sanjuro reichen hingegen meist ein, zwei gezielte Hiebe, um sich seine Gegner vom Hals zu schaffen.
Bei "Yojimbo - Der Leibwächter" handelt es sich vielleicht um den Samuraifilm schlechthin. Seine immense Wirkung auf die Filmwelt zeigt sich nicht nur am Einfluss auf den Italowestern. Akira Kurosawa schuf mit Sanjuro die Vorlage des zynischen Antihelden und Rebellen, das Gegenteil zum damals vorherrschenden Saubermannimage der Filmhelden. "Yojimbo" präsentiert sich als düsterer Actionfilm, wirft aber, wie beim Regisseur üblich, existenzielle Fragen auf, so die Verantwortlichkeit des Individuums gegenüber dem moralischen Verfall der Mächtigen.