OT: X-Men: Days of Future Past
COMICVERFILMUNG: USA/UK, 2014
Regie: Bryan Singer
Darsteller: Hugh Jackman, James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Nicholas Hoult, Peter Dinklage, Ian McKellen, Patrick Stewart, uvm.
In einer fernen Zukunft stehen die Mutanten kurz vor ihrer endgültigen Ausrottung durch den Homo Sapiens. Gnadenlos werden sie von Sentinels genannten Killer-Robotern gejagt und zur Strecke gebracht. Doch was wenn man die Geschichte umschreiben könnte? Was wenn man erst gar nicht zuließe, dass die Menschen derart mächtige Waffen bauen? Für Mutanten als Inkarnation der stetig fortschreitenden Evolution scheinen sogar Zeitreisen möglich...
Er ist wieder da! Nachdem Bryan Singer (X-MEN, X2, OPERATION WALKÜRE) 2003, zumindest als Regisseur, die mutantische Bühne verlassen hatte, tritt er nun abermals als Solcher auf den Plan um die X-Men in filmische Hochsphären zu führen. Wahrscheinlich hat ihm die Zusammenarbeit mit Nicholas Hoult (X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG) beim eher schwachen JACK AND THE GIANTS so gut gefallen, sodass er sich dafür entschied, das Zepter der Reihe wieder an sich zu reißen. Aber das ist eher meine Interpretation des Sachverhalts.
Jedenfalls hat er sich da einiges vorgenommen, der gute Herr Singer. Nicht nur, dass es gilt Zukunft und Vergangenheit, ergo die älteren X-MEN Filme (X-MEN, X2, DER LETZTE WIDERSTAND) mit dem neueren X-MEN: ERSTE ENTSCHEIDUNG, zusammenzudenken, muss auch ein ganzes Füllhorn an Mutanten, verkörpert durch mittlerweile zu Stars gewordenen Darstellern, kompositioniert werden. Mit Hugh Jackman (Logan/Wolverine), Michael Fassbender und Ian McKellen (Erik Lehnsherr/Magneto), Jennifer Lawrence (Raven/Mystique), Halle Berry (Storm), Anna Paquin (Rogue) und Ellen Page (Kitty Pride) sind gleich SIEBEN Oscar-ausgezeichnete oder Oscar-nominierte DarstellerInnen mit an Bord.
Das mag zwar nicht allzu viel über deren schauspielerische Qualität aussagen, aber dafür über die notwendige Nervenstärke, dieses Starensemble in den Griff zu bekommen. Und Singer hat es geschafft! Alle Figuren sind glaubwürdig dargestellt und die meisten von ihnen haben ausreichend Zeit um zu zeigen was sie können. Die schauspielerischen Leistungen sind dabei durchgehend stark, auch bei jenen die hier keine Erwähnung finden. (Dies sei mir bitte aufgrund der Menge an erwähnenswerten Figuren und Schaupielern verziehen.)
Karl Marx hat einst gesagt: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an, sie zu verändern." Bryan Singer verändert hier die Welt des "Präsommerloch-Blockbusters" deutlich. Vorbei ist es mit dem bloßen Herausstellen von Schauwerten, auch wenn diese natürlich nicht zu kurz kommen dürfen. Vorbei ist es mit der reinen 3D-Effekthascherei. Singer besinnt sich auch auf andere, vielleicht bessere Werte des Films, auf eine ausgefeilte Figuren- und Schauplatzzeichnung zum Beispiel. Zugegebenermaßen gelingt ihm dies auf Basis der hoffnungsvollen Vergangenheit weitaus besser, als im Rahmen der dystopischen Zukunft. Nur in der Vergangenheit haben die Mutanten wirklich Zeit um sich aneinander anzunähern, beziehungsweise sich voneinander zu entfernen. Nur hier bekommt das Washington der wilden 70er Jahre die Möglichkeit sich zu präsentieren, realpolitische Verweise inklusive.
In der Zukunft hingegen geht es ums nackte Überleben, um Zerstörung und somit nicht zuletzt um geballte Actionszenen, schöne 3D-Effekte inklusive. Kein Wunder also, dass die Screentime der mutantischen Vergangenheit jene der Zukunft bei weitem überschreitet. Das mag zum einen damit zu tun haben, dass Singer versucht an den direkten und äußerst gelungenen Vorgängerfilm ERSTE ENTSCHEIDUNG anzuschließen, zum anderen aber sicherlich auch damit, dass es bei weitem interessanter erscheint, Figuren miteinander interagieren zu sehen, anstatt sie spektakulär abzuschlachten.
Es sind also in ZUKUNFT IST VERGANGENHEIT die berühmten zwei Seiten der Medaille auszumachen. Die Figurenzeichnung, die Interaktionen, die Ästhetik, die Dramaturgie und die Inszenierung der mutantischen Vergangenheit sind einfach großartig - für mich eine glatte Zehn! Die Zukunft fällt dabei leider in allen Belangen ab. Hier geht es vordergründig darum, die alten und lieb gewonnenen X-Men Figuren (nicht) sterben und sie ihre noch verbleibenden Tricks visuell vollführen zu lassen. Positiv daran sind die immer noch tollen, wenn auch zu kurz kommenden Charaktere, samt ihrer realen Pendants.
Trotzdem schafft es Singer schlussendlich einen positiven Gesamteindruck zu hinterlassen. Irgendwie scheint sich die Medaille, mit der besseren Seite zum Publikum gewendet, auf ihrer Kante zu drehen. Mit anderen Worten, der Brückenschlag zwischen Alt und Neu, zwischen Zukunft und Vergangenheit, gelingt. Was dabei herauskommt ist meiner bescheidenen Meinung nach der bis dato beste X-Men Film und ein echter Leckerbissen in Sachen boxofficestarker Comicgroßfilmproduktionen.
Bryan Singer schafft es mit X-MEN: ZUKUNFT IST VERGANGENHEIT nicht nur ein ganzes Füllhorn an mutantischen Stars zu kompositionieren, sondern auch den Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft, bzw. zwischen den "alten" und den "neuen" X-Men Filmen. Durch die ausgefeilten Figuren und Schauplatzzeichnung auf der einen und die teilweise großartigen, aber nie zu aufdringlichen Actionsequenzen auf der anderen Seite, gelingt ihm so ein echter Leckerbissen in Sachen Comicgroßfilmproduktionen.