DOKUMENTARFILM: D, 2011
Regie: Carmen Losmann
Darsteller: -
Work Hard, Play Hard ist eine Dokumentation, die uns in die Abgründe der modernen Arbeitswelt entführt.
Quo vadis, kann man da nur fragen ...
Der Beginn des Arbeitslebens wird von einem ziemlichen Kulturschock begleitet, habe ich mir sagen lassen. Wenn man nicht zu den wenigen Prozent gehört, die darin Erfüllung finden, weil sie entweder das Glück haben, einen der wenigen interessanten Berufe gefunden zu haben oder schlicht und einfach simpel genug gestrickt sind, um daran Gefallen zu finden, dann muss man dieses eigenartige Gefühl, nichts (bedeutendes) zu tun, aber das sehr gründlich, erst einmal verdauen.
Offenbar gibt sich das nach einiger Zeit, habe ich mir sagen lassen. Und dann wird alles gut? Vielleicht aber auch nicht, denn wenn man sich diesen Film ansieht, hat man das Gefühl, dass alle Personalentwickler dieser Welt von einer immensen Panik ergriffen den inneren Drang verspüren, die Unternehmenskultur ihres jeweiligen Arbeitsgebers oder Kunden von Grund auf neu zu gestalten. Warum eigentlich?
Weil es uns (das Unternehmen) sonst bald nicht mehr gibt. Sagen sie.
Weil sie wollen, dass die Leute überhaupt nicht mehr heimgehen. Sagt das sogenannte gesunde Volksempfinden.
Weil sie ihre Position irgendwie rechtfertigen müssen. Sage ich.
Es steckt schon verdammt viel in diesen verschiedenen Betrachtungsebenen, und ein bisschen trifft wohl jede des Pudels Kern. Natürlich müssen sich Unternehmen ständig neu erfinden um oben zu bleiben, natürlich fürchten sich (wenn auch unbegründet) viele (vor allem Wirtschaftsliberale) davor, dass unsere Work-Life-Balance-Gesellschaft mit aufstrebenden, superkapitalistischen Ausbeutungsgesellschaften ohne Arbeitnehmerrechte (die BRIC Länder, die Next 11 usw.) nicht mithalten kann und natürlich müssen Personalentwickler ihre Existenz rechtfertigen. Aber irgendwie sind diese Vorstellungen und Systeme zur "kulturellen Umerziehung" der Belegschaft schon ein bisschen krank. Und - totalitär!
Auf einer Wirtschaftsuniversität sind Organizational Behaviour und Personalmanagement tendenziell das Sammelbecken für die humanistischeren, (nicht wirtschafts-)liberaleren, intellektueller angehauchten und Work-Life-Balance-propagierenden "Ich bin zwar Wirtschaftsstudent, aber trotzdem ein guter Mensch"-Typen, die anderen doch nur helfen wollen.
Durch diesen Film beschleicht einen eher das Gefühl, einer Horde Westentaschen-Big Brothers, Maos und Hitlers gegenüber zu sitzen. Die haben die Lizenz dich zu beurteilen, dich gemäß ihrer Skala zu kategorisieren. Bist du einmal als High Potential im System oder als das Gegenteil, na dann Gute Nacht!
Natürlich, objektive Dokumentation ist das keine. Da wird die Perversität des Personaleralltags viel zu genüsslich hervorgehoben und unterstrichen. Diese selbstgefällige omnipotente Ideologen-Masche wird man in der Realität nur in abgeschwächter Form antreffen, diese pseudogemütliche (Pflanze hier, Couch da) Büro-Innen- und Außenarchitektur wirkt, wenn man dort einmal sitzt, trotzdem besser als rein funktionale Großraumbüros aus der industriellen Revolution.
Der Film spielt schon sehr genüsslich mit unseren Ängsten, vor allem der Angst vor Veränderung, und unserem Anstandsgefühl, aber es ist gut, dass er es tut, denn er lehrt uns, den Arbeitsplatz auch jenseits von Arbeitsinhalt und sozialen Beziehungen kritisch zu betrachten. Aber keine Sorge liebe Leser, ob ihr nun die Arbeitnehmer oder die Arbeitgeber seid, eines, soviel Hellsicht erlaube ich mir, wird immer gleich bleiben: Die Arbeitgeber werden immer gerade soviel zahlen, dass sie Leute bekommen, und die Arbeitnehmer immer nur gerade soviel arbeiten, dass sie nicht gefeuert werden. Auf beiden Seiten mag es Ausnahmen geben. Aber in jeder Population gibt es nun einmal Extreme: Übermotivierte, Immerglückliche, Fietzler, Wichtigmacher, Genies, Psychopathen usw.
Work Hard, Play Hard bietet einen interessanten Einblick in das gegenwärtige Personalwesen, und ist somit ein Film, der uns alle angeht. Leider ist der Film eine Spur zu sehr in seine eigene moralische Überlegenheit verliebt, aber dadurch, dass er trotz erhellender Fakten auch eine Spur zu inhaltsleer daherkommt, gerät der Film niemals in die Gefahr, zu einseitig zu werden, sondern erlaubt einem Distanz und kritische Reflexion. Alles in allem sehenswert!