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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Wir

Wir

OT: Us
HORROR: USA, 2019
Regie: Jordan Peele
Darsteller: Anna Diop, Elisabeth Moss, Lupita Nyong'o, Kara Hayward

STORY:

Das kleine Mädchen war nur 15 Minuten lang verschwunden. Doch diese kurze Zeit reichte aus, um sie für ihr restliches Leben in Angst zu versetzen. Angst, dass sich diese verstörende Begegnung damals, in diesem unheimlichen Spiegelkabinett am Strand von Santa Cruz, wiederholen könnte. Dreißig Jahre später ist es dann soweit: Eines Abend stehen vier Gestalten in roten Anzügen vor dem abgelegenen Ferienhaus. Die Polizei ist nicht zu erreichen. Der Mann versucht die ungebetenen Gäste mit dem Baseball-Schläger zu vertreiben. Vergebens. Für die Familie beginnt ein Albtraum, der immer größere Dimensionen annimmt ...

KRITIK:

Seit kurzem ist in Hollywood ein spannendes Phänomen zu beobachten: Prominente Fachkräfte aus der Komödien-Branche verlassen ihr angestammtes Terrain. Wechseln wahlweise ins Genre-Kino oder ins ernste Fach. Bringen frische Ideen und unkonventionelle Zugänge mit. Dabei entstanden einige der ungewöhnlichsten Filme der letzten Jahre: John Krasinski, bekannt aus der Comedy-Serie THE OFFICE, gelang mit A QUIET PLACE ein hochgradig originäres und dramatisches Endzeit-Szenario. Adam McKay, Regisseur von modernen Komödien-Klassikern wie ANCHORMAN oder THE OTHER GUYS, erwies sich mit dem Dick Cheney-Biopic VICE - DER ZWEITE MANN als ambitionierter politischer Aufklärer und besserer, weil unpolemischer Michael Moore. Jonah Hill, seines Zeichens gewichtiger Lachsack aus dem Judd Apatow-Universum, überraschte mit seinem Regie-Debut MID 90es, einem gefühlvollen Coming Of Age-Drama, angesiedelt in der Skater-Szene von L.A. Und schließlich Jordan Peele: Der ehemalige TV-Comedian legte mit GET OUT (2017) eine vielschichtige Horror-Geschichte vor, die das Box Office spektakulär rockte und sogar die Oscar-Jury überzeugte. Das gab's im Horror-Fach seit THE SIXT SENSE nicht mehr.

Ein derartiger Hit schraubt natürlich die Erwartungen an den Nachfolgefilm in lichte Höhen. Die gute Nachricht zuerst: Sie werden nicht enttäuscht. Oder, sagen wir: Kaum. Also, dranbleiben.

Das Grauen schleicht sich langsam, bedächtig und subtil in das Leben einer afroamerikanischen Mittelschicht-Familie. Erst einmal ist relaxen angesagt. Ein Ferienhaus an einem idyllischen See, nicht weit entfernt von Santa Cruz. Ein günstig erworbenenes Boot ist der ganze Stolz des Familienvaters Gabe. Er ist der Typ Checker und Macher, ein Bild von einem Mann-Mann, der im Familienverband die Entscheidungen trifft. Und manchmal zu unangebrachten Scherzen neigt. Seine Frau Adelaide ist der zurückhaltende Gegenpol, kindheitstraumageschädigte und entsprechend übervorsichtige Helicopter-Mum. Auch das Mädchen ist auffällig still, und der jüngere Bub versteckt sich gerne hinter einer Plastik-Maske. Nein, falsche Fährte, hier wächst kein kleiner Michael Myers heran.

"Wir" zählt zur Klasse der Filme, die umso besser funktionieren, je weniger man von der Geschichte vorab weiß. Nur so viel: Was wie ein klassisches Home-Invasion-Szenario beginnt, offenbart bald eine tiefere Dimension - samt brachialem Schluss-Twist -, über die sich vortrefflich diskutieren lässt. Ein wenig krankt "Wir" dabei an einem Grundproblem des zeitgenössischen Horrorkinos. Ein Horrorfilm kann heutzutage nicht mehr einfach nur ein Horrorfilm sein. Er muss - überspitzt ausgedrückt - mindestens fünf Meta-Ebenen übereinanderschachteln, genügend Falltüren in doppelte Böden aufweisen, im Subtext möglichst viele gesellschaftspolitische Konfliktfelder streifen, das Patriarchat infrage stellen, Populismus und Neoliberalismus anprangern und am besten gleich die Welt retten.

WIR - im Original US - auch so ein schönes Spiel mit Bedeutungen und Subtexten - ist diesbezüglich nicht ganz so überladen wie das SUSPIRIA-Remake (das ich aber trotzdem liebe). Dennoch wäre ein bisschen weniger doch mehr gewesen.

Aber das ist Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau.

Inszeniert, gespielt, gefilmt und geschnitten ist der Film nämlich wahnsinnig gut. Wie schon bei GET OUT wurde mit einem sehr geringen Budget, aber virtuoser Beherrschung der formalen Mittel gearbeitet. Zumindest die erste Stunde sorgt für Beklemmung und beachtliche Anspannungszustände. Der Tonfall bleibt konsequent unheimlich und bedrohlich. Auch wenn der Regisseur keinen Comedy-Background nie ganz ablegt und das Geschehen gelegentlich mit Scherzen - guten Scherzen - auflockert. Zum Beispiel die eine Szene, als Alexa statt "Call the Police" "Fuck the Police" versteht und, anstatt einen Notruf abzusetzen, den Track von N.W.A spielt.

Wir Bild 1
Wir Bild 2
Wir Bild 3
Wir Bild 4
Wir Bild 5
FAZIT:

Jordan Peeles zweiter Streich nach dem Horror-Überflieger GET OUT: Ein deutlich grimmigeres, bisweilen arg beunruhigendes, im Wortsinne abgründiges Horror-Drama. Und: Virtuose Kameraarbeit von Mike Gioulakis (IT FOLLOWS).

WERTUNG: 8 von 10 Baseballschläger
Dein Kommentar >>
dok | 21.07.2019 18:30
der film hat leider einen einen grossen fehler : die story ergibt keinerlei sinn . oder ich bin zu dumm , ihn zu sehen . meta-ebenen gut und recht , aber eine normale ebene konnte ich nicht erkennen .
dok | 21.07.2019 18:40
wenn ich darüber nachdenke ergibt noch nicht mal der schlusstwist irgendwelchen sinn , ausser er eben irgendwie sein musste , weil der peele ihn da haben wollte .
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