TRAGIKOMÖDIE: A, 2016
Regie: Josef Hader
Darsteller: Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann, Georg Friedrich
Georg Endl, altehrwürdiger E-Musik-Kritiker einer großformatigen Tageszeitung, muss gehen. Zu teuer sei der Mitfünfziger, meint sein Chef, ein Piefke und Porschefahrer. Endl kann diese Demütigung nicht auf sich sitzen lassen. Er plant einen Rachefeldzug gegen das "Orschloch, deppertes Orschloch" ...
WILDE MAUS ist Josef Haders Debut als Regisseur, Autor und Hauptdarsteller. Hader hat seit jeher ein Herz für die tragikomischen Loser. Sein Humor war immer eigentümlich, unberechenbar, stets im Melancholisch-Depressiven grundiert und ging weit über die kalkulierte Wuchteldruckerei hinaus, die hierzulande als "Kabarettkino" für klingelnde Kassen sorgte.
Nein, WILDE MAUS ist kein Kabarettfilm. Auch wenn einige Leute im Saal offensichtlich genau das erwartet hatten. Bekommen haben sie hingegen eine im besten Sinne österreichische Mixtur aus Tragikomödie, Krimi und Beziehungsdrama. Das Erzähltempo ist gemächlich, die Bilder ausgesprochen atmosphärisch (Der Nebel! Der Regen! Die Schneelandschaft!) und die Darsteller-Leistungen beachtlich. Quittiert wurde das mit Geschwätz und erhöhtem Handy-Leuchten im Saal. Jedem kann man es eben nicht recht machen.
Auch auf die Gefahr hin, jetzt ein bisserl arrogant zu klingen: Aber wahrscheinlich fehlt dem Massenpublikum hier so etwas wie eine griffige Identifikationsfigur. Ich meine: Düringers Häuselbau-Katastrophen dürften dem Durchschnittsösterreicher vertrauter sein als die Existenzkrise eines Musikjournalisten.
Hader hat sichtlich Spaß daran, die ach-so aufgeklärte und kultivierte Wiener Bobo-Welt zu dekonstruieren. Wer immer schon vermutet hat, dass Kritiker, die fast ausschließlich zynische, misantropische Verrisse absondern, auch im wirklichen Leben zynische, misantrophische Würsteln sind, bekommt hier den Beweis. Georg Endl, so heißt dieser Mann, kann mit ein paar Sätzen über Wohl und Wehe von Musikern entscheiden. Und ist dabei so borniert und engstirnig, dass er nicht einmal die White Stripes kennt.
Als er seinen Job verliert, ist das Midlife-Crisis-Elend perfekt. Natürlich verschweigt er die Kündigung seiner Frau (beachtlich: Pia Hierzegger, auch im wirklichen Leben mit Josef Hader liiert) und beginnt einen tragikomischen Rachefeldzug, der mit dem aufgeschlitzten Fetzendach am Cabrio des Ex-Chefs beginnt. Wie sagte schon John Travolta in PULP FICTION: "Es gibt nichts Feigeres, als sich am Auto eines Mannes zu rächen. Der Wagen eines anderen Mannes hat Tabu zu sein, das verstößt gegen die Regeln".
Hader hat eine Art Wiener Bobospießer-Variante von EIN MANN SIEHT ROT inszeniert, mit entsprechend weniger Toten respektive gar keinen Toten halt, aber mit viel grotesker Heiterkeit im Abgründigen. Hauptschauplatz ist der Wiener Wurschtelprater, im österreichischen Kino seit jeher Zufluchtsort der Gescheiterten und Gestrauchelten, aber auch der lässigen Strizzis. An dieser Stelle bitte Applaus für Georg Friedrich, der seine Trademark-Prolo-Rolle hier mit ungewohnter Sanftheit und Verletzlichkeit anlegt. Buddy-Movie geht sich aber keines aus, wiewohl sich die beiden unterschiedlichen Männer anfreunden und in ihren persönlichen Miseren Gemeinsamkeiten sehen.
Die Geschichte schlägt unberechenbare Haken wie die titelgebende Wilde Maus, eine schwindlige Hochschaubahn, in die ich für 10.000 Euro nicht einsteigen würde. Auch wenn es nicht unbedingt danach aussieht, wird unseren "Helden" sogar eine Ahnung eines Happy Ends vergönnt. Kein ganz einfacher, kein perfekter, aber doch ein auf seine spezielle Art schöner, ungewöhnlicher und im besten Sinne österreichischer Film. Josef Hader hat's einfach drauf.
Josef Hader sieht rot: Als geschasster Musikkritiker plant er einen Rachefeldzug gegen seinen Ex-Chef. Schützenhilfe kommt von Strizzi-Kumpel Georg Friedrich. Sehr eigentümliche, sehr österreichische Mischung aus Krimikomödie, Beziehungsdrama und Buddy-Movie mit Hauptschauplatz Wurstelprater. Nicht perfekt, aber sehenswert.
In diesem Sinne: "Warum sitzt du nackt in einem fremden Auto?"