OT: Gente di rispetto
GIALLO/DRAMA: Italien, 1975
Regie: Luigi Zampa
Darsteller: Jennifer O´Neil, Franco Nero, James Mason, Orazio Orlando
Die junge Schullehrerin Elena Bardi (Jennifer O´Neil) wird in eine kleine Stadt in Sizilien versetzt. Kurz nach ihrer Ankunft wird ein Mann, der sie zuvor belästigt hatte, in einem Stuhl sitzend, und mit einer Blume in seinem Mund, tot auf einem öffentlichen Platz gefunden. Die im konservativen Milieu der Stadt bereits zuvor unangenehm aufgefallene Elena wird nun endgültig von den Einwohnern gemieden. Nur Professore Michele Belcore (Franco Nero) pflegt eine heimliche Liebesbeziehung zu ihr. Dann werden zwei weitere Tote auf ähnlich bizarre Art gefunden. Auch sie hatten zuvor die schöne Lehrerin belästigt...
Der italienische Regisseur Luigi Zampa gilt in seiner Heimat als einer der wichtigsten Vertreter des Neorealimus. Im Gegensatz zu berühmten Regie-Größen wie Visconti, Rosselini oder De Sica, ist Zampa jedoch hierzulande recht unbekannt. Der italienische Neorealimus war eine der wichtigsten Filmströmungen der Nachkriegszeit. Und als Zampa 1975 mit GENTE DI RISPETTO seinen drittletzten Film drehte, war der Meister bereits Mitte Siebzig. Doch dieser Film ist keineswegs ein fades Alterswerk eines bereits abgeschlafften und in seiner Kreativität nachlassenden Altmeisters, sondern ebenso, wie Zampas IL MOSTRO (1977) eine sehr gelungene Verbindung aus einem spannenden Genrefilm und einer ätzenden Gesellschaftskritik.
Zampa widmet von Anfang an sein besonderes Augenmerk dem stockkonservativen und repressiven Mikrokosmos des gezeigten sizilianischen Ortes, in welchem sich die neu angekommene Lehrerin sofort als eindeutiger Fremdkörper ausnimmt. Unter diesen Umständen traut sich selbst der machohafte Michele Belcore (etwas blass: Franco Nero) nur im Verborgenen eine Beziehung zu der schnell verfemten Elena Bardi (grandios: Jennifer O´Neil) zu führen. Und in einer der Schlüsselszenen des Films erklärt Michele seiner Geliebten, dass ein Mann in dieser Gesellschaft nicht viel mehr Optionen habe, als entweder seine Klappe zu halten und das allgemeine Spiel mitzuspielen oder gleich ganz das Land zu verlassen.
In der gelungenen Verbindung von spannendem Thriller-Drama und Gesellschaftskritik erinnert WERKZEUG DER MÄCHTIGEN an Filme Damiano Damianis, wie z.B. DER TAG DER EULE (1968, ebenfalls mit Franco Nero). Ein zusätzliches Element, welches den Film auch für Giallo-Liebhaber interessant macht, kommt durch die mysteriösen Morde hinzu, bei denen die Toten auf bizarre Art drapiert aufgefunden werden und bei denen sich natürlich die Frage stellt, ob nicht die Hauptdarstellerin selbst die Mörderin ist. Da dies der Hauptspannungsfaktor in der oft nur sehr gemächlich voranschreitenden Handlung ist, soll die Auflösung hier selbstverständlich nicht verraten werden. Nur soviel: Gerade das Ende des Films führt auf sehr gelungene Weise die Elemente der Gesellschaftskritik und des bizarren Mysterys zusammen. Und gerade hier zeigt sich auch, dass Luigi Zampa ein wahrer Meister seines Fachs war.
Das Thriller-Drama WERKZEUG DER MÄCHTIGEN von Luigi Zampa sieht ein wenig danach aus, als hätte der gesellschaftskritische Genreregisseur Damiano Damiani einen Giallo inszeniert. Doch auch, wenn Zampa bei uns eher unbekannt ist: Der Regisseur gilt in seiner Heimat nicht umsonst als einer der Meister des Neorealismus. Somit überrascht es auch nicht, dass seine Inszenierung sich keineswegs vor heute wesentlich bekannteren Regisseuren zu verstecken braucht. GENTE DI RISPETTO ist bisher nur in Italien auf DVD erschienen. Und auch wenn der Silberling durch seine Bildqualität besticht: wie bei so einigen anderen italienischen Veröffentlichungen auch, wären hier zumindest englische Untertitel doch sehr wünschenswert gewesen.