DRAMA: FR, 2009
Regie: Philippe Lioret
Darsteller: Vincent Lindon, Firat Ayverdi, Audrey Dana, Derya Ayverdi, Thierry Godard
Der 17-jährige Bilal möchte seine Freundin wieder sehen. Aus diesem Grund wanderte er drei Monate lang von seiner Heimat, dem Irak, bis nach Frankreich. Doch er will weiter, denn seine Freundin ist mit ihrer Familie nach England gezogen. Um nach England zu kommen muss Bilal übers Meer. Das geht nur mit Schleppern. Doch weil Bilal die Überfahrt vergeigt, werden er und die anderen Illegalen entdeckt. Die Schlepper weigern sich nun Bilal zu überführen. Also bleibt ihm nur ein Weg: Den Ärmelkanal zu durchschwimmen.
Doch bevor er sich an das Abenteuer wagt, trainiert Bilal erst einmal im Schwimmbad. Dort wird einer der Trainer, Simon, auf ihn aufmerksam. Er gibt ihm Schwimmstunden und freundet sich mit den jungen Kurden an. Doch damit beginnen erst die Probleme: Denn Bilal ist ein Illegaler. Und wenn man einem Illegalen in irgendeiner Weise hilft, kann man Ärger mit dem Gesetz bekommen. Während Simon zusehends ins Fadenkreuz der Polizei gerät, wird die Zeit für Bilal knapp. Seine Freundin soll bald verheiratet werden. Mit einem anderen versteht sich. Und somit hat Bilal nicht mehr viel Zeit für sein Vorhaben nach England zu schwimmen ...
KRITIK:"Welcome" ist ein klassisches Flüchtlingsdrama. Doch selbst wer solche Filme kennt, kann bei Welcome noch einiges lernen. So zum Beispiel über den Umgang der Franzosen mit Flüchtlingen. Auffanglager und dergleichen gibt es nur sporadisch. Solange sie nicht auffällig werden, werden die "Illegalen" ihren Schicksal überlassen. Dafür gibt es jedoch Gesetze, die es den Einheimischen verbieten mit den Flüchtlingen zu solidarisieren oder diesen zu helfen. Soll heißen: Schon eine kleine Mitfahrgelegenheit kann dir eine Vorladung zur Polizei einbringen. Bis zu fünf Jahre Gefängnis oder 30.000 Euro Busgeld blühen einem, wenn man einem illegalen Flüchtling bei der Einreise, Weiterreise oder beim Aufenthalt hilft. Selbst der Versuch zu helfen ist schon strafbar. Leute die sich freiwillig engagieren und beispielsweise Essen an die obdachlosen Flüchtlinge ausgeben, stehen unter einem besonderen Druck, weil sie ja leicht in Gefahr geraten könnten ein Gesetz zu übertreten und die Polizei ein zusätzliches Auge auf diese Leute geworfen hat.
Dass es so krass zugeht in Frankreich, hätte ich nicht geglaubt. Aber man lernt nie aus. Ins öffentliche Gespräch kam die ganze Sache in Frankreich übrigens erst wieder als "Welcome" raus kam. Der Film wurde dann sogar im Parlament in einer Sonderveranstaltung vorgeführt. Um die Parlamentarier zu einer Gesetzesänderung zu bewegen.
Sieht man einmal von der politischen Sprengkraft und Botschaft des Films ab, entpuppt sich "Welcome", als intensives Drama, das den geneigten Zuseher bereits nach wenigen Minuten in seinen Bann zu ziehen vermag. Ein Film der mit einer spannenden Story, tollen Schauspielern und durchaus auch komplexen Figuren und Beziehungen aufwarten kann. Man merkt schnell dass Regisseur Philippe Lioret ("Die Frau des Leuchtturmwärters") sein Handwerk versteht. Die Spannung ist konstant hoch, hin und wieder blitzt auch ein wenig Humor durch und auch mit Sozialkritik wird nicht gespart. Lediglich gegen Ende geht dem Film ein wenig die Puste aus, was sich jedoch verschmerzen lässt.
Der Film legt zudem großen Wert auf Authentizität, was vor allem in den intensiven Schlepper-Szenen und in der Supermarkt-Szene zum Ausdruck kommt. Obwohl das Hauptaugenmerk der Geschichte eigentlich auf drei Schicksalen liegt, die miteinander verwoben sind, Bilal, Simon und der Freundin von Bilal, wirkt das ganze niemals überladen und den einzelnen Figuren bleibt genug Raum sich zu entfalten. Dennoch behalten sie auch ihre Geheimnisse. Was beispielsweise Simon tatsächlich antreibt Bilal zu helfen, kann der Zuseher nur erahnen. Vielleicht weiß er es ja selbst nicht so genau.
Die interessanteste Figur ist aber sicherlich Bilal, eben auch aufgrund einer gewissen Naivität die er ausstrahlt. Bilal wirkt manchmal wie ein kleines Kind und nicht wie ein Bursche kurz vor der Volljährigkeit. Aber wie sonst könnte jemand auf die Idee kommen, durch den Ärmelkanal zu schwimmen?
Beinahe nüchtern und ohne falsche Sentimentalität erzählt "Welcome" das Schicksal eines junges Flüchtlings, den die Liebe in die Fremde trieb. Durch die weitere Fokussierung auf einen "normalen", um nicht zu sagen "einfachen" Mann, der sich politisch nicht sonderlich interessiert oder engagiert, sich aber irgendwie, eher durch Zufall mit dem jungen Illegalen anfreundet, gelingt es dem Film der Thematik neue Facetten abzugewinnen und (leider) auch eine politische Brisanz zu verleihen.