DRAMA: Österreich, 1960
Regie: Hermann Leitner
Darsteller: Marisa Mell, Hans Söhnker, Heli Finkenzeller, Cordula Trantow
Die 17-jährige Inge himmelt ihren Musiklehrer an. "Lieber Rhythmen als Logarithmen." Nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern zieht sie zu ihm und seiner Familie. Und aus der Schwärmerei wird Liebe. Eine unmögliche Liebe - er wird zum Gespött und enttäuscht seine Tochter, sie wird von ihrem Ex geschlagen und drangsaliert. Dennoch hält Inge gegen jeden Widerstand an ihren Gefühlen zu ihm fest...
Zwei Jungs stehen lässig in einer Bar. Soeben hat einer der beiden eine Abfuhr seiner Angebeteten erhalten. Ernüchtert schaut er ihr hinterher, und sein Freund pflichtet ihm bei:
"Weißt du was wir sind? Atomkanonen. Wir kommen nie zum Abschuss."
Seit etwa Mitte der 50er Jahre spiegelte sich im Film ein Gesellschaftswandel wieder. Die Halbstarken tauchten auf, und Studenten trafen sich in Jazzkneipen. Rock'n Roll oder Jazz war aber nicht nur einfach Musik, sondern Lebensgefühl einer neuen Generation. Auch wurden Tabus wie etwa vorehelicher Sex im Film nicht mehr völlig totgeschwiegen, sondern zaghaft problematisiert. Auch wenn man sich natürlich dabei bemühte, fehlgeleitete Söhne und Töchter wieder in den wohlbehaltenen Kreis der Familie zurückzuholen. Happy End inklusive.
Dennoch, 1960 war es eine Sache, Tabus zu streifen, aber eine andere, sie zum Zentrum der Handlung zu machen. Daher bedient sich WEGEN VERFÜHRUNG MINDERJÄHRIGER zweier erzählerischer Kniffe.
Zum einen wird gleich zu Beginn verdeutlicht, dass der Lehrer für sein Vergehen angeklagt ist. So wird jedem moralischen Angriff, die Liebesgeschichte zu einer Minderjährigen zu romantisieren, von Anfang an der Wind aus den Segeln genommen. Dabei nimmt er die Gefühle und das Handeln seiner Figuren zu jedem Zeitpunkt ernst. Er enthält sich einer eindeutigen Schuldzuweisung und sympathisiert vielmehr mit dem Liebespaar. Es ist das Gesetz, dass nur Schwarz und Weiß sieht.
Um die Sympathie zu gewinnen, baut er seinem Publikum eine Brücke. Er bedient sich nämlich dem Erzählmuster typischer Melodramen und Schlagerfilme seiner Zeit. Das ist natürlich ein Widerspruch zum ersten Kniff, der ja zumindest pro forma genau das Gegenteil bewirken soll.
Und so ist dann ein Jazzkonzert - bei dem erstaunlicherweise fast nur Schlager zu hören sind - nicht nur ein Bild hemmungsloser Lebenslust, sondern auch der Beginn des Dramas. Die Stimmung kippt danach und mündet in einer Gefühlsoffenbarung Inges vor der gesamten Klasse.
Aber auch bis dahin hält sich der Film nicht zurück. Er zeigt die Party zu Beginn, aber er zeigt auch, dass die Beiden nicht nur gemeinsam tanzen, sondern danach ins Bett gehen. Es ist sein Verdienst, die Dinge beim Namen zu nennen, und er geht dabei vermutlich bis an die damals sehr eng gesteckten Grenzen des Möglichen.
Seine nur auf den ersten Blick einfache, aber durchaus intelligente Struktur wäre aber ohne die damals noch junge Marisa Mell wirkungslos verpufft. Sie hat nicht nur ihre erst Hauptrolle, sondern vermutlich auch die beste Rolle ihrer Karriere. Mit ihrer Naivität und ihrer Natürlichkeit legt sie alle Karten sichtbar auf den Tisch. Sie ist ehrlich verliebt, und man glaubt es ihr jede Sekunde. Und sie spielt den Drahtseilakt zwischen Unschuld und Verführung so entwaffnend, als gäbe es kein Morgen.
Mit 17 liebt man gnadenlos. Ein Kaleidoskop von Gefühlen, gegen die man keine Chance hat. Lachen. Weinen. Manchmal gleichzeitig. Immer intensiv. Und dazu einen Ohrwurm, der es an eindeutigen Zweideutigkeiten nicht mangeln lässt, auch wenn es nur um Kokosnüsse geht.