OT: Varian's War
DRAMA: USA, 2001
Regie: Lionel Chetwynd
Darsteller: William Hurt, Julia Ormond, Matt Craven, Alan Arkin
Biopic über den vergessenen Helden Varian Fry, der über 2000 Juden vor den Nazis gerettet hat. Darunter bekannte Namen wie Hannah Arendt, Heinrich Mann und Marc Chagall.
KRITIK:Ein Hotelzimmer in Marseille, das mehr an ein Amtszimmer als an einen Schlafbereich erinnert. Der Reihe nach treten Antragsteller vor, Juden, die nach Amerika flüchten möchten. Sie wissen, dass sie in Gefahr sind, viele haben bereits Freunde und Verwandte verloren. Auf der anderen Seite sitzen ein Mann und eine Frau, sie hören sich die Geschichte der einzelnen Juden an, stellen Fragen und entscheiden dann, ob die jeweiligen Personen "wichtig" genug sind um gerettet zu werden.
Das klingt zynisch, doch der Mann hinter dem Tisch, Varian Fry, weiß, dass er nicht alle retten kann. Selbst wenn er möchte.
Sein Ziel ist es, wenigstens die, wie er sie nennt, "kulturelle Seele Europas" zu retten.
Zuvor wurde er im Zuge eines Deutschlandsbesuchs Zeuge, wie Juden öffentlich unter lautem Gejohle gedemütigt und ihre Häuser und Geschäfte zerstört wurden. Ein Erlebnis, das sich in ihm eingebrannt hat.
Zurück in den Vereinigten Staaten treibt ihn nur ein Plan: er möchte helfen, zumindest ein paar Juden retten. Aber wie? Seine Freunde und Bekannte reagieren abweisend, natürlich stimmen sie alle mit ihm überein, dass die Lage unerträglich ist und dass man den Juden helfen sollte. Aber was kann man schon selbst tun? Sollen sich doch andere drum kümmern, andere, die näher dran sind.
Varian's War unterscheidet sich vor allem durch seinen Zugang von anderen ähnlich gelagerten Werken. Der Film, dem man seine TV-Herkunft leider auch ansieht, beginnt langsam. Er zeigt seinen Helden als normalen Menschen, der ohne rechten Plan nach Europa geht, mit dem Ziel Leben zu retten. Wie genau das funktionieren soll, weiß er nicht. Aber er hat eine Liste. Eine Liste mit Namen von Personen, die er nach Amerika holen möchte. Und er droht an den Behörden zu scheitern. Ziel- und planlos wandert er durch Frankreich, muss hilflos mitansehen, wie die Polizei vor seinen Augen Juden schikaniert.
Als er, mehr durch Glück, schließlich auf die Juden, die auf seiner Liste stehen, trifft, muss er feststellen, dass viele davon gar nicht gerettet werden möchten. Sie fühlen sich in Frankreich wohl und glauben nicht, dass ihnen etwas geschehen wird.
Varians Rettungsversuche kommen im Film erst langsam in Gang. Die Geschichte nimmt eine Wendung als er auf Miriam Davenport trifft. Sie hilft ihm und verhilft ihm zu Kontakten in die Unterwelt. Und sie organisiert die anfangs beschriebenen Besprechungen in Varians Hotelzimmer.
Der Film basiert lose auf dem Leben von Varian Mackey Fry, einem amerikanischen Journalisten und Freiheitskämpfer, der während der Wirren des zweiten Weltkrieges etwa 2.000 Juden zur Flucht verhalf. Unter ihnen finden sich prominente Namen wie Hannah Arendt, Marc Chagall, Lion Feuchtwanger, Jacques Lipchitz, Alma Mahler-Werfel, Heinrich Mann, André Masson, um nur ein paar zu nennen.
Varian's War glänzt anfangs vor allem durch seine Nüchternheit. Anstatt reißerischer, bewegender Heldenszenarien und einer bombastischen Bilderflut herrscht anfangs eher eine Stimmung von Resignation, die aber auch mit einer gewissen Trägheit einhergeht.
Der Bruch folgt mit der Einführung der Figur der Miriam Davenport. Ab diesem Zeitpunkt beginnt der Film den Regeln gewohnter Dramaturgie zu folgen, die Situationen werden zunehmend brenzliger, eine kleine Affäre liegt in der Luft und für Fry beginnt ein gefährliches Katz- und Mausspiel mit der Gestapo. Und auch beim unvermeidlichen Showdown geht es nur um Sekundenbruchteile, die über Leben und Tod entscheiden.
Der Film ist keinesfalls perfekt. Dennoch kann man einen Blick riskieren, sofern man geduldig ist. Vor allem zu Beginn lässt sich der Film eine Menge Zeit, erst langsam kommt die Geschichte in Fahrt. So hat man aber auch mehr Zeit, die einzelnen Figuren kennen zu lernen. Und der Film macht zumindest Lust mehr, bzw. die wahre Geschichte von Varian Frey und seiner Organisation zu erfahren.
Varian's War begibt sich auf die Spuren des eher unbekannten Lebensretters Varian Fry, der (mit)verantwortlich dafür war, dass solch bekannte Persönlichkeiten wie Heinrich Mann, Chagall, Lion Feuchtwanger vor den Nazis nach Amerika flüchten konnten.
Obwohl der Film mit einer interessanten Ausgangslage punkten kann und zumindest zu Beginn auch interessante moralische Probleme (vgl. die anfangs erwähnte Szene im Hotelzimmer), die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben, aufzeigt, kam im Endeffekt kein wirklich herausragender Film, den man unbedingt gesehen haben muss, zustande. Da helfen auch ein paar schauspielerische Schmankerln wenig.