OT: Uzak
DRAMA: TüRKEI, 2002
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Darsteller: Muzaffer Özdemir, Emin Toprak, Zuhal Gencer Erkaya
Mahmut lebt in einer halbwegs schicken Wohnung in Istanbul und hat sich als Fotograf eine halbwegs gute Existenz aufgebaut. Eines Tages taucht sein jüngerer Cousin Yusuf auf. Er will dem Dorfleben und der Rezession entfliehen und Arbeit finden. Die beiden Männer, die ursprünglich aus dem selben Dorf stammen, haben nichts mehr gemeinsam.
KRITIK:Die Türkei. Land der Widersprüche, der inneren Zerrissenheit zwischen Moderne und Konservativismus. Vor allem sticht hervor die Weltmetropole Istanbul, Spielplatz der Reichen und Schönen, Wirtschaftsstandort, Refugium der Intellektuellen, Schlachtfeld der Ideologien, Zeugin einer Jahrtausende alten Gesichte, Zufluchtsort vieler Suchender um den traurig-vergessenen Weiten des armen und benachteiligten Anatoliens, dessen Herkunft schon die Färbung der eigenen Sprache verrät (ganz zu schweigen von den Pullovern, die man trägt;-), zu entfliehen.
Mahmut hat es geschafft. Er hat sich ein "westliches" Leben aufgebaut. Er ist Fotograph, der übers Wochenende seinen Kunstambitionen nachgeht und mit seinem Smart über die schlammigen Pisten türkischer Ländlichkeit brettert, während er unter der Woche Fliesen für Werbekataloge fotografiert um seine Rechnungen zu bezahlen. Er hat intellektuelle Freunde, mit denen er es nicht schafft der sinnlose Leere allen Daseins zu entfliehen und versucht dagegen mit ungebundenen Affairen und gleichzeitigem Nachtrauern nach seiner Ehe anzukämpfen, was aber meistens mit der abendlichen Masturbation vor dem Fernseher endet.
Soviel Erfolg zieht natürlich junge Verwandte vom Land, die völlig ungebildet, unbeholfen und von unrealistischen Vorstellungen geprägt in den vermeintlichen Vergnügungspark Istanbul drängen, nur um zu erkennen, dass das alles doch nicht so einfach ist, vor allem wenn man noch niemals auf eigenen Beinen gestanden ist. Sehr schnell lernt der junge Cousin Yusuf, dass er ein Außenseiter ist, für den sich niemand interessiert und dessen Ideen, Geld nachhause zu schicken, wohl Träume bleiben werden. Die beiden Männer leben aneinander vorbei, ohne jemals ins Gespräch zu kommen, den anderen zu verstehen, ja überhaupt ohne einander verstehen zu wollen.
Leise und mit einem unglaublichen Gespür für menschliche Schwächen, die aber durch den warmherzigen Blick sehr amüsant wirken, studiert dieser Film in poetischen Bildern des winterlich-verschneiten Istanbuls diese seltsame Nicht-Beziehung zwischen dem Land- und dem Stadtmenschen und steht dadurch stellvertretend für eine Ausprägung der inneren Spaltung des ganzen Landes. Es erfordert einige Geduld da zuzusehen, aber es ist auch so tragisch und schön zugleich, dass man den Blick gar nicht so leicht abwenden kann, weil dieser Film so echt und so unaufdringlich vom Leben erzählt, dass man einfach zuhören möchte...
Poetisch-amüsant-melancholisches Drama über das Menschsein in anderen Welt, die letztlich der unseren gar nicht so unähnlich ist. Die Häuser sehen anders aus...