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Unter Kontrolle

Unter Kontrolle

OT: Surveillance
THRILLER/DRAMA: USA, 2008
Regie: Jennifer Chambers Lynch
Darsteller: Julia Ormond, Bill Pullman, Pell James, Ryan Simpkins

STORY:

Auf einem Highway im kanadischen Outback ist die Hölle los: Unbekannte haben ein Massaker auf offener Straße angerichtet. Die drei Überlebenden, ein Cop, eine Kokserin und ein acht-jähriges Mädchen widersprechen sich in ihren Aussagen. Die örtliche Polizei erweist sich als unfähig und hoffnungslos überfordert. Zwei FBI-Agenten (Bill Pullman und Julia Ormond) nehmen die Ermittlungen auf...

KRITIK:

Gleich vorweg: Der Film ist grandios. Das mag vielleicht überraschen, waren doch im Netz fast ausschließlich niederschmetternde Verrisse zu lesen.

Was musste sich Jennifer Lynch nicht alles vorwerfen lassen: "Nackter, greller Schwachsinn" sei ihr Film, ein "sadistischer Schabernack" mit einem "miesen Drehbuch" und "absurden Dialogen". Der Film ziehe sich "wie ein zäher Kaugummi" und erzeuge "keinerlei Spannung". Und - natürlich - der am häufigsten geäußerte Befund: Nie und nimmer könne Jennifer Lynch in die Fußstapfen ihres berühmten Vaters treten.

Man muss sich schon fragen, ob die deutschen Kritiker einen anderen Film gesehen haben. Oder ob die männlich dominierte Branche ganz einfach ein Problem mit selbstbewussten Frauen auf dem Regiestuhl hat. Mein persönlicher Verdacht: Offenbar leidet der gutbürgerliche David Lynch-Fan genau so an geschmacklicher Horizontverengung wie der gemeine "Blockbuster Only"-Gucker im Vorstadt-Multiplex.

Noch einmal: Der Film ist grandios. Jennifer Lynch macht alles richtig: Schon der kompromisslose Einstieg, der einen Mord mit den Titelcredits parallel montiert und mit markerschütternden Schreien unterlegt, macht klar, dass der Film keine Gefangenen macht.

Doch zuerst wollen die Figuren eingeführt werden. Lynchs' Blick auf die Welt ist - man hat's geahnt - kein besonders optimistischer: In der kanadischen Einöde wimmelt es vor verkorksten Figuren, verlogenen Junkies und brutalen Macho-Cops, die aus Langeweile unbescholtene Bürger aufs Übelste drangsalieren.

Das ist über weite Strecken richtig unheimlich und erzeugt ein Gefühl unterschwelliger Bedrohung. Die exzellente Lichtsetzung und das wirkungsvolle Sounddesign verstärken diese Wirkung noch. Wie man hier von "fehlender Spannung" sprechen kann, ist mir unbegreiflich.

Besetzungstechnisch verlässt sich Jennifer Lynch ganz auf bewährte Gesichter: Ein etwas in die Breite gewachsener Bill Pullmann (Lost Highway) spielt souverän auf und überzeugt als überheblicher FBI-Agent, der seine Verachtung für die überforderten Provinzpolizisten kaum verbergen kann. Seine Partnerin ist Julia Ormond aus Inland Empire. Und allein schon B-Movie-Veteran Michael Ironside (Total Recall, Starship Troopers) noch mal auf der großen Leinwand sehen zu können, ist die Kinokarte wert.

Der erzählerische Kniff, die Geschichte anhand von Rückblenden und einander widersprechenden Zeugenaussagen aufzurollen, mag vielleicht schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Man schlage nach unter "Rashomon". Aber Hand auf's Herz: Wer hat Akira Kurosawas vielzitierten Klassiker von 1950 wirklich gesehen?

Viel könnte man noch schreiben über den großzügigen Einsatz von Filmblut, über die wunderbaren Anflüge von schwarzem Humor ("Mama, ich möchte ein Cop werden"), und den irrsinnigen Plot-Twist, der mich völlig kalt und unvorbereitet erwischt hat. Auch wenn der Vergleich auf allen Ebenen hinkt: Seit Fight Club (1999) bin ich nicht mehr so erschlagen und zugleich euphorisiert aus dem Kinosaal getaumelt.

Ja, das Finale ist überdrehte, gewalttätige Exploitation in Reinkultur, das den "seriösen" Filmkritikern den Schaum vor den Mund getrieben hat. Ich find das super... ;-)

Unter Kontrolle Bild 1
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FAZIT:

Irrwitziger, zwischen schwarzhumoriger Groteske, ernsthafter Charakterstudie und gewalttätigem (Edel-)Trash pendelnder Independent-Thriller von Jennifer Lynch, der von der deutschen Kritik aus nicht nachvollziehbaren Gründen in Grund und Boden gestampft wurde.
Für aufgeschlossene Filmfreunde, die gerne mal einen cineastischen Schlag in die Magengrube wegstecken, gilt hingegen: Unbedingt ansehen!

WERTUNG: 9 von 10 zerschossenen Reifen
Dein Kommentar >>
Federico | 22.12.2008 01:37
Keine Ahnung, was das soll, aber das hier hochstilliesierte Meisterwerk, war "Unter Kontrolle" sicher nicht. Jeniffer Lynch schafft es gute 70 Minuten lang einen packenden, düsteren und durch und durch surrealen Thriller zu fabrizieren, der zwar nicht an die Geniestreiche ihres Vaters Werke heranreicht (soll es ja auch gar nicht, denn dieser Film spielt an sich in einer ganz anderen Liga - Vergleiche kann man hier nur beim Nachnamen ziehen), aber dennoch seinen besonderen Platz in der Filmwelt verdienen würde.

70 Minuten. Und dann wirft Tochter Lynch mit einem Wisch alles weg, zieht ihre durchdachten Charaktere ins Lächerliche, erklärt die Story durch einen (gewollt?) schwachsinnigen Plottwist zu einem hochkonventionellen Nonsens-Thriller und haut letztendlich mit einem morbiden sex- & blutrünstigen Finale alles in Stücke.
Insofern bleibt nur der fade Nachgeschmack, dass hier viel Potential vergeben wurde, dass selbst eine gewollte Farce des Genres zu sehr in ein blutiges Kasperltheater endet und dass die Zuschauer zunächst durch 70 Minuten steigende Spannung und Erwartungen später mittels ideendurstiger Inszenierung vor den Kopf gestoßen werden.

5,5 von 10 mordlustige Agenten
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Sokrates | 23.08.2008 16:48
Ein wirklich sehr sehenswerter Film.

Obwohl sich das Töchterl doch stark an der Filmsprache ihres "Alten" orientiert kommt sie allerdings an ihn nicht heran, weil sie nie die Grenzen des Genres verlässt.

Aber trotzdem ein Film der mich von der ersten Minute an bis zum Schluss gefesselt hat. Schade, dass er kein größeres Publikum anziehen kann.

P.S.
Mulholland Drive ist für mich einer der herausragenden Filme dieses Jahrtausends, so wie es Blue Velvet für die 80iger ist. Auch Lost Highay halte ich für außergewöhnlich.
>> antworten
Ralph | 05.08.2008 12:00
Hab den Trailer vor kurzem gesehen und war auf Anhieb fasziniert. Der Film sah irgendwie "anders" aus. Hoffentlich láuft der noch, wenn ich ausm Urlaub zurück bin...
Ralph | 16.08.2008 22:57
Juhu, geschafft!!!

1) Was für ein geiler, kranker, nihilistischer, ehrlicher (!) und witziger Film!!!! Der beste Lynch, den ich bisher gesehen hab (in meinen Augen), weil er nicht so krampfhaft traumlogisch ist. Da hat Töchterlein gut kapiert, wo sie den Papa übertreffen kann...

2) Das wäre doch der viel bessere Akte X 2 gewesen. Die hätten ihr Drehbuch an Chris Carter verkaufen sollen!!!

Aber:

=====Achtung Spoilerandeutung======
1)Die Schlusswendung fand ich nicht so toll. Erstens war es dann doch nicht mehr der bessere AKte X (weil man Mulder und Scully ja nicht so verheizen kann, obwohl es schon witzig gewesen wäre) Zweitens war das zu klar. So vorhersehbar, dass ich niemals darauf gekommen wäre, weil es zu einfach war. Nichtsdestotrotz konnte mich das Ende nach der Enttäuschung über die Entwicklung doch noch überzeugen, weil es an sich ja gelungen war. Es hat nur den Fluss des Filmes imho zerstört. Aber das gehört wahrscheinlich auch dazu im Hause Lynch...
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Das ist aber kein Grund sich "Rashomon" nicht anzusehen. Der ist nämlich durch und durch genial und man merkt ihm sein Alter auch (fast) nicht an;-)


Anonsten noch Gratulation zu einem funktionierenden Sexualleben;-) (Ach, dieser David Lynch Humor...) 8/10 Orgasmen
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Herbert | 05.08.2008 10:33
danke für den Tipp, das war WIRKLICH ein Mörder-Film!
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Nic | 03.08.2008 22:48
als ich las das die tochter meines lieblingsregiesseurs den gemacht hat war der kinobesuch pflicht ;)
ist zwar ohne zweifel ein guter unterhaltungsfilm, aber etwas zu oberflächlich und kommerziell, wenn auch sehr gut gespielt und inszeniert. etwas zu kurz für einen "lynch" war er auch, wenn auch das erlebnis ähnlich war.
7/10 traumata
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