OT: Loong Boonmee raleuk chat
FANTASY: THAILAND, 2010
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Darsteller: Thanapat Saisaymar, Jenjira Pongpas, Sakda Kaewbuadee
Onkel Boonmee geht es schlecht. Seine Niere ist leider angeschlagen und so ist der baldige Tod nur noch eine Frage der Zeit. Boonmee lebt am Land, baut Tamarinden an und wird von einem laotischen Gastarbeiter gepflegt. Als eines Abends seine Schwägerin zu Besuch ist und sie gerade gemeinsam Abendessen, materialisiert sich im stillen Nachtwind der Geist seiner verstorbenen Frau und aus den nahegelegen dunklen Wälder kommt ein seltsamer Gast: Boonmees toter Sohn in Form eines Affengeistes
KRITIK:Man darf sie nicht unterschätzen, die notwendigen Vorbereitungen für (asiatisches) Arthouse-Kino! Aber natürlich, als großer Fan dieses Genres war ich selbstverständlich bestens darauf eingestellt:
* Gut ausgeschlafen - Check!
* Ein Glaserl Wein (befreit den Geist von starren Gedanken!) von der Kino-Bar mitgenommen - Check!
* Große Portion Geduld verfügbar (immer gut für Asia-Kino) - Check!
* Jubelnde Filmkritik aus einer Qualitätszeitung für den Fall, dass meine Kino-BegleiterInnen mich nach dem Film wieder aufgrund des Filminhalts umbringen wollen (Wichtig, um jegliche Schuld von sich abwenden, indem man sagt: "Aber da im Qualitätsmedium ist gestanden, dass der Film ") - Check!
In diesem Fall tat ich mir sogar noch leichter: LOONG BOONMEE RALEUK CHAT hat in Cannes die Palme DOr, also den Hauptpreis, gewonnen. Meistens ist dies auch ein Garant dafür, dass mir der Film ebenfalls gefallen wird. Doch nach der ersten Stunde macht sich bereits Ernüchterung breit, die lediglich durch eine äußerst großartige Frau-Fisch-Sex-Sequenz, übrigens ein beliebtes Motiv in asiatischen Märchen für Erwachsene, unterbrochen wird. Am Ende der zweiten Stunde bleibt eigentlich nur mehr Enttäuschung. Meine Präliminarien waren ja alle erfüllt - vielleicht hatte ich mir einfach zu viel erwartet?
Dabei kann man UNCLE BOONMEE WHO CAN RECALL HIS PAST LIVE nicht vorwerfen, dass er nicht ambitioniert wäre. Es gibt mehrere interessante Ansätze, jedoch keiner wird konsequent verfolgt. Dies ist vermutlich auch die Absicht von Apichatpong Weerasethakul ("Syndromes and a Century"), der den Film narrativ beschleunigt und entschleunigt (meistens entschleunigt!) wie es ihm gefällt.
Ich gebe aber zu, dass der Film vermutlich sehr RezipientInnen-spezifisch wirken kann. Hat man beispielsweise gerade eine Erfahrung mit dem Tod einer nahestehenden Person, so mögen die Szenen mit den Geistern unglaublich tröstlich erscheinen, sofern man sich persönlich darauf einlasst: Es geht eine fast überweltliche Ruhe von den Akteurinnen aus, selten ist Sterben mit so wenig Schrecken behaftet. Nur einmal sagt die Frau Boonmees: "Der Himmel wird überschätzt".
Ich denke, das trifft leider auch auf den Film zu. Symbolik schön und gut, um es frei nach Watzlawick zu sagen: "Man kann nicht nicht-interpretieren"; aber da gibt es weitaus bessere Asia-Meisterwerke. Klar, da ist so einiges, worüber man im Film nachdenken kann, aber besonders stimulierend war er in dieser Hinsicht nicht. Eher anstrengend und nur weil der Film eine goldene Palme auf dem Plakat hat, muss man in diesem Fall nicht krampfhaft elitären Arthouse-Snobismus zelebrieren und jedem, dem der Film nicht gefällt, cineastische Unverständnis an den Kopf werfen. Ausnahmsweise zumindest.
Wer tröstliche und bei weitem konkretere Geschichten über den Tod mag, sollte sich daher besser OKURIBITO (DEPARTURES) ansehen. Diejenigen, die Todessehnsucht fasziniert, greifen auf das ebenfalls wunderbar langsame LAST LIFE IN THE UNIVERSE zu. Und für Wiedergeburt haben wir hier auf Filmtipps ja auch Spezialisten (zumindest was Zombies betrifft).
Am Ende des Films sagte ein Kino-Begleiter zu mir: "Na, zu dem Film möchte ich keine Kritik schreiben müssen!" - Ja. Ich auch nicht. Aber nun ist es schon erledigt.
Leider nicht die erhoffte Offenbarung aus Thailand. Dem Film sei jedoch zugestanden, dass er auf verschiedene Personen ganz anders wirken kann, daher sehe ihn sich jeder / jede am besten selbst an. Aber sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt. Und vergesst die Checkliste nicht! Ihr könntet sie brauchen