OT: Una iena in cassaforte
GIALLO: Italien, 1968
Regie: Cesare Canevari
Darsteller: Marie Luise Greisberger, Dimitri Nabokov, Ben Salvador, Karina Kar
Ein Blick auf die schönere Seite des Wendecovers der italienischen DVD aus dem Hause Nocturno erzählt bereits den ganzen Plot. Darauf zu sehen ist ein riesiges, körperloses Paar (Mörder-)Hände, welches habgierig nach kostbar funkelnden Edelsteinen greift. Und darunter auf einer Art styxischen Laminat liegen die Leichen einiger dahingemeuchelter Damen und Herren ...
Diamonds are forever. Die Lebensspannen einiger skrupelloser Bankräuber und Juwelendiebe, die sich in einer feudalen Villa in Mailand zur Beuteteilung treffen, allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Schlüssel zum Tresor, von denen jeder von ihnen einen besitzt, sind so heißbegehrt, dass die Lebensspannen mitunter sogar recht abrupt enden.
Schon nach den ersten Aufnahmen in der stilvollen Extravaganz besagter mailändischer Villa , die mit ihren geschmackvollen Innendekors, den ausufernden Grünanlagen, ihren Wasserspielen und Mausoleen eine beinahe surreale Pittoreske darstellt, glaubt man in Cesare Canevaris Früh-Giallo aus den späten Sechzigern die Blaupause für Bavas 1970 erschienen 5 DOLLS FOR AN AUGUST MOON zu sehen.
Hier wie dort herrscht eine entrückte Lounge-Stimmung, die von den jeweiligen Kameramännern (bei Canevari dessen Stammkraft Claudio Catozzo, bei Bava Antonio Rinaldi und Bava himself!) vorzüglich eingefangen und von den jeweiligen Musiklieferanten (bei Canevari Gian Piero Reverberi, bei Bava seinerzeit unvergleichlich Piero Umiliani) mit lockeren Easy Listening-Klängen perfekt unterlegt wird.
Auch inhaltlich gibt es Ähnlichkeiten; maändern doch beide irgendwo zwischen einem auf gegenseitigem Mißtrauen und Habgier basierenden AND THEN THERE WERE NONE-Abzählreim und schwarzen Humor. Wobei Bava in seinem Nachfolger den Stil von UNA IENA IN CASSAFORTE noch perfektioniert hat. Doch auch der etwas ältere, aber viel unbekanntere UNA IENA IN CASSAFORTE, was soviel wie "Eine Hyäne im Safe" bedeutet, dürfte für alle, die die etwas geläufigeren 5 DOLLS FOR AN AUGUST MOON kennen und schätzen, ein Vergnügen sein.
Auch hier findet man eine Ansammlung von wunderschönen Frauen und mehr oder weniger markigen Gaunern aus allen Herren Ländern Europas vor. Deutschland wird übrigens von "Uns Klaus" aus Hamburg vertreten, der immer mal wieder deutsches Sprachgut wie "Hure!", "Verfluchter Franzose" oder gegen Ende auch mal ein verzweifeltes "Hilfe!" oder ein "Ich will nicht sterben!" in seinen italienischen O-Ton radebrecht... Natürlich ist Klaus ebenso wie seine Komplizen und Komplizinnen kriminell und durchtrieben und leidet an einem hochgradig mörderischen Diamantenfieber. In den vor Stil und Protz fast platzenden Kulissen einer Prunkvilla verspricht dies neben herrlicher Ausstattung und im allerletzten Schrei der 60er gekleidete Damen natürlich viele doppelten Spiele und freilich ein paar Leichen.
Leider wurde nur der letzte Mord in einer zur Todesfalle umfunktionierten Garage nach allen Regeln der Genre-Kunst genüsslich morbide zelebriert, während die davor eher so "nebenbei" passieren. Und dort liegt dann auch ein bisschen die Hyäne begraben.
Auf der einen Seite sind da diese exquisiten Bilder, der kolossale Style, die nicht uninteressanten Figuren, dieser äußerst präsente Hingucker in Gestalt der charismatischen Marie Luise Greisberger in ihrer seltsamerweise einzigen Filmrolle und ein mit psychedelischen Screenshot- und Farbenspielen gesegneter Abspann; auf der anderen Seite die beiläufigen und (mit Ausnahme des letzten) eher unspektakulären Morde und das ebenso beiläufige, eher desinteressierte Whodunit.
Mehr Schein als Sein also, nachdem der Rausch fürs Auge erst einmal abgeebbt ist. Und bestimmt hätte man aus einer solchen Ausgangslage und Figurenkonstellation einige überraschendere Wendungen herauskitzeln können als die eher offensichtlichen, die uns Canevari letztendlich anbietet.
Doch man verlässt diese kleine, gediegene Giallo-Lounge keineswegs enttäuscht oder gelangweilt. Der Style war überwältigend, Lady Greisberger eine Wucht und das Auge ist satt.
Der rare UNA IENA IN CASSAFORTE entpuppt sich als surreal-pittoreske Giallo-Lounge irgendwo zwischen schwarzen Humor, Diamantenfieber und AND THEN THERE WERE NONE-Abzählreim. Wenn die extravagante Style-Batterie von Dauerfeuer auf Einzelschuss umstellt, der Rausch fürs Auge etwas abklingt und die ohnehin eher beiläufig vorbeischlendernden Morde absolviert sind, bleibt ein bisschen mehr Schein als Sein zurück. Trotzdem ist er angenehm gediegen; dieser müßiggängerische Mord- und Täuschungsreigen, den skrupellose Juwelendiebe und betörende, eiskalte Diamantenladys in einer vor Stil und Protz berstenden Nobelvilla aufführen. Die Blaupause für Mario Bavas noch loungigeren 5 DOLLS FOR AN AUGUST MOON dürfte er obendrein auch noch geliefert haben. Drei Sterne dafür!