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Uhrwerk Orange

Uhrwerk Orange

OT: A Clockwork Orange
SCI-Fi, DRAMA, SATIRE: GB, 1971
Regie: Stanley Kubrick
Darsteller: Malcolm McDowell, Patrick Magee, Adrienne Corri

STORY:Uhrwerk Orange Da macht einer eine Menge durch: Alex, ein jugendlicher Rowdy, prügelt und vergewaltigt sich durch den ersten Teil des Films, kommt bald ins Gefängnis und nutzt dann eine neue Resozialisierungsmethode, die verspricht, jede Gewaltbereitschaft in einem Menschen auszulöschen. Eine düstere Zukunftsvision nach einem Roman von Anthony Burgess, den man auch unbedingt lesen sollte.

Ein junger Mann blickt, ohne mit der - falschen - Wimper zu zucken, provokativ in die Kamera. Die Nacht ist für ihn und seine "Droogs" noch jung, der Wunsch nach Abenteuer groß und die in die Milch gepanschten Drogen geben einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur beginnenden Horrorshow. Und weil man auf Kosten anderer auf jeden Fall mehr Spaß hat, wird zunächst ein wehrloser Obdachloser verprügelt, dann eine konkurrierende Bande außer Gefecht gesetzt und auf der Flucht vor der Polizei so mancher Verkehrsteilnehmer von der Straße gedrängt. Beim darauf folgenden Überraschungsbesuch geht es erst richtig los. Unter dem Vorwand, ein schwerer Unfall sei passiert, verschaffen sich die Droogs Zugang zum Haus eines Schriftstellers und dessen Frau. Wider deren Erwarten ist es jedoch keine Frage von Leben und Tod, sondern vielmehr von Sex und Gewalt. Nach dem Vortragen von "Singing in the Rain" wünscht Alex dem Mann noch viel Vergnügen, bevor er dessen Gattin vor seinen Augen vergewaltigt.

Uhrwerk Orange Alex ist Musikliebhaber, besonders von klassischen Werken wie Beethovens Neunte Symphonie. In die Schule geht er nicht so gern. Er simuliert lieber körperliches Unwohlsein, um zu schwänzen und in Plattenläden Mädchen abzuschleppen. Doch da ist noch dieser Erziehungsbevollmächtigte, der Alex - vergebens - ins Gewissen redet. Und seine Droogs beginnen plötzlich, Eigeninitiative zu zeigen, was Alex als Anführer sehr missfällt.

Die Jungs beschließen bei einer älteren reichen Frau einzubrechen, die ganz alleine lebt. Doch diesmal geht nicht alles so glatt. Die Frau fällt auf den Unfallspruch nicht hinein und weigert sich, Alex die Tür zu öffnen. Als er darauf durch ein Fenster einsteigt, hat sie in weiser Vorahnung bereits die Polizei gerufen. Und sie wehrt sich tatkräftig gegen Alex' Überwältigungsversuche, bis er sie mit einer riesigen phallischen Skulptur erschlägt. Hätten seine Freunde ihn nicht vor der Haustür niedergeschlagen, hätte er es noch vor Ankunft der Ordnungshüter geschafft, die Flucht zu ergreifen.

Uhrwerk Orange Alex kriegt 14 Jahre Freiheitsentzug. Und auch das Gefängnis ist kein Ort zum Wohlfühlen: Der Wärter hat eine deutlich sadistisch-militante Ader und ein homosexueller Häftling fühlt sich zu Alex äußerst hingezogen. So kommt es, dass sich Alex an den Priester hält, bei ihm den Messdienst macht und die Bibel kennen lernt. Mutiert er dadurch zu einem frommen Christen? Nein! Er zeigt sich vielmehr fasziniert von dem überaus brutalen Inhalt der heiligen Schrift und träumt davon, die Rolle des Aggressors zu übernehmen, während Christus das Kreuz trägt.

Alex sitzt schon zwei Jahre im Knast, als er den Pfarrer nach der neuen Behandlungstechnik fragt, von der alle reden. Die Ludivico-Technik ist ein Resozialisierungsprogramm, das zwei Wochen dauert und aus einem Gewalttäter einen friedvollen Menschen machen soll. Seine Absolvierung garantiert die Freilassung aus dem Gefängnis - und nie mehr dorthin zurückzukehren. Der Geistliche zeigt sich skeptisch: Güte heißt frei wählen. "Kann ein Mensch nicht wählen, ist er nicht mehr Mensch."

Alex lässt sich aber in seinem Freiheitsdrang nicht beirren und schafft es, dem Innenminister, der die Selektion des Probanten vornimmt, einschlägig aufzufallen. Er wird auserwählt. Das Programm erweist sich härter als erwartet: Drei Mal täglich wird Alex ein Serum gespritzt, das Todesangst verursacht. Die Augen mit Klammern zur Offenheit gezwungen, werden ihm Filme von äußerst gewalttätigem Inhalt gezeigt. So wird der Mörder zum gewaltfreien Umgang erzogen. So wird ihm schlecht, auch wenn er nur annähernd an Gewalt denkt. So vergeht ihm selbst Beethovens Neunte, welche im synthetischen Mantel als Untermalung eines Beitrags dient.

Alex ist wehrlos, Alex ist schwach. Zu Hause ist sein Zimmer weitervermietet worden, sein persönlicher Besitz konfisziert. Ohne feste Bleibe geht Alex zum Kanal, in der Absicht sich umzubringen, und trifft dort einen Obdachlosen, der ihn noch von früher kennt und zusammen mit seinen Freunden die Chance nutzt, sich bei ihm zu rächen. Alle prügeln auf den hilflosen Alex ein. Und selbst die Ankunft der Polizei ist eine Hiobsbotschaft: In den Uniformen stecken Dim, ein früherer Droog, und Billyboy, Alex' Erzfeind. Sie bringen ihn in eine abgelegene Wiese und nutzen seine Schwäche aus.

Arg zugerichtet taumelt Alex zum nächsten Haus, wo ihm ein Schriftsteller im Rollstuhl Obdach gewährt. Er zeigt sich sehr interessiert an Alex - aus politischen Gründen: Alex ist ein Opfer der aktuellen Regierung, die dem Autor ziemlich missfällt. Doch Alex kommt das Haus irgendwie bekannt vor. Es ist der Schauplatz des Einbruchs aus der Anfangssequenz. Alex ist für den Rollstuhl verantwortlich, und dafür, dass die Gattin des Autors nicht mehr zugegen ist.

Um Alex in seiner Opferrolle noch besser gegen die Obrigkeit zu instrumentalisieren - und weil er ihn durch das Trällern von "Singing in the Rain" wieder erkannt hat - schließt ihn der Schriftsteller in ein Zimmer ein und zwingt ihn mit Beethovens Neunter aus dem Fenster zu springen. Alex holt sich sämtliche Knochenbrüche und erwacht von oben bis unten eingegipst im Krankenhaus. Die Regierung hat während seiner Bewusstlosigkeit versucht zu retten, was noch zu retten ist, und durch entsprechende Medikamente seine Anti-Gewalt-Behandlung wieder aufgehoben und die regierungsfeindliche Gruppe rund um den Schriftsteller beseitigt. Der Kreis schließt sich: Alex sinniert sogleich von altbewährten Freizeitbeschäftigungen. "Ich war geheilt, alright!"

KRITIK:r /> Uhrwerk Orange Die pure Gewalt trifft auf die Ungerechtigkeit, jemanden durch einen Griff ins Hirn ändern zu wollen. Alex ist der Erzähler und zieht den Zuschauer damit auf seine Seite. Dieser Blick weg vom Täter wird schon vom eigenen Slang verstärkt, den Burgess den Jungs im Roman in den Mund legt. Man braucht ein wenig, um die Worte zu verstehen, doch wenn dies mal soweit ist, wird man Teil der Gruppe und befürwortet ihre Taten.

Das ist im Film erschreckender als im Buch, weil die Vergewaltigungen und Gewaltexzesse nicht nur vor dem geistigen Auge ablaufen, wo sie noch gedämpft werden könnten. Kubrick zeigt einen ausgelassenen Alex, der niemals bereut, was er anderen antut.

Die Musik ist auch erwähnenswert. Beethoven und Rossinis "Diebische Elster" wurden von Wendy Carlos synthetisiert und glänzen so im neuen Gewand. Einrichtung und Klamotten sind sehr Seventies Style, wenn man das aus heutiger Sicht betrachtet. Alex' Mutter frisiert sich als Punk. Heute ist das fast schon retro, aber damals wohl noch sehr zukunftsweisend.

Ein nettes Detail am Rande: Dass die Moral der Geschichte fehlt, ist kein Zufall. Anthony Burgess hatte sie in seinem 1962 publizierten Roman sehr wohl inkludiert. Das Kapitel 21, das letzte, lässt Alex reifen: Er trifft seinen Ex-Droog Pete und ist von dessen erwachsenen Art so beeindruckt, dass er selbst beschließt, etwas Konstruktives mit seinem Leben anzufangen. Das Buch wird somit zur Metapher eines Reifeprozesses, der nicht forciert werden kann, sondern ganz von alleine irgendwann eintritt. Als Burgess das Buch in den U.S.A. herausgeben wollte, bestand Eric Swenson vom W. W. Norton Verlag darauf, das letzte Kapitel wegzulassen. Burgess sagte widerwillig zu und bereute seinen Entschluss endgültig, als Kubricks Filmwerk erschienen war. Kubrick hatte nur die amerikanische Fassung gelesen und von der doch so unterschiedlichen europäischen nicht gewusst.
FAZIT:

Es ist eine düstere Zukunft, die Stanley Kubrick in seinem Film illustriert. Alex - Hauptfigur und Erzähler der Geschichte - bietet eine Orgie an Gewalttätigkeiten, die zugleich faszinierend und abstoßend wirkt. Kubricks Werk ist technisch perfekt, ästhetisch raffiniert und entzieht sich gleichermaßen einer eindeutigen Interpretation, verzichtet darauf, eine moralische Position zu beziehen.

WERTUNG: 10 von 10 Gehirnwäschen
TEXT © Greta
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Figures in a Landscape
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THRILLER/SCI-FI: GB, 1970
8/10
Wenn die Gondeln Trauer tragen
Wenn die Gondeln Trauer tragen
PSYCHOTHRILLER: GB/I, 1973
8/10
Straw Dogs
Straw Dogs
THRILLER: GB, 1971
8/10
Get Carter
Get Carter
CRIME: GB, 1971
10/10
Dein Kommentar >>
Marcel | 18.01.2012 23:02
"Besserwissermodus an"
Rossinis 'Die diebische Elster' erklingt zwar, aber nur in ursprünglichen, orchestralen Form. Mit dem Moog-Synthisizer bearbeitet hat Wendy Carlos (die damals glaube ich noch Walter hieß) dafür Rossinis 'Wilhelm Tell Overtüre'.
"Besserwissermodus aus"
Die Infos über das gekürzte Buch waren mir dagegen neu. Fraglich bleibt dennoch, ob Kubrick mit seinem pessimistischen Weltbild Alex abgeschlossenen Reifeprozess wirklich übernommen hätte.
>> antworten
Gantz | 23.03.2011 21:12
Ein Meisterwerk der Filmgeschichte.
10 Sterne ist das mindeste.
>> antworten
Daniel | 18.12.2010 19:48
11 von 10 Punkten
>> antworten
Ranger | 14.10.2009 12:42
Was für ein herrlicher Film.

Sicher nicht für jedermann aber für echte Filmfans ein Muss.

Ohne Zweifel McDoewells schauspielerische beste Leistung bisher. Ich gehe sogar soweit zu behaupten das kein andere die Rolle des Alex so gut hätte spielen können.

Kubrick beweist hier auch mal wieder das er nicht ohne Grund einer der besten Regisseuere aller Zeiten ist.

10/10
>> antworten
Thomas | 02.01.2006 16:24
alleine schon die Atmosphäre und Ästethik der 1. Szene in der Milchbar ist für 10 Sterne gut.

Wahnsinnsfilm, habe ihn im Abstand von 14 Jahren jeweils einmal gesehen, war jedesmal umwerfend.
Randle P. McMurphy | 13.04.2010 11:20
Ein Abstand von 14 Jahren würde auch mein Arzt empfehlen oder jeder Apotheker.
Ansonsten mag der Film zwar eine beachtliche Reihe sozialkritischen Stoffes beinhalten - leider wurde aber während der Dreharbeiten so einiges dabei weg-geraucht.
Für mich einer der am meist überbewerteten Filme überhaupt.
>> antworten
bias | 07.06.2005 17:55
tolle Kritik! Macht direkt Lust, sich das alte Rein-Raus-Spiel nochmal anzuschauen...
harald | 07.06.2005 18:09
noch ein tipp zu dem thema: "9 Songs" - jetzt im Kino, und von führenden saubarteln empfohlen :-)
greta | 08.06.2005 20:52
danke bias!! :-)
ghostdog | 30.10.2009 08:22
Was für ein genialer Streifen und was für eine kongeniale Umsetzung von Burgess`Kultbuch.
Da bekommt man Lust auf Molokko plus mit Messern drin und ein bißchen horrormäßiges Tollschocken.
>> antworten