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Türkische Früchte

Türkische Früchte

OT: Turks Fruit / Turkish Delight
DRAMA: NL, 1973
Regie: Paul Verhoeven
Darsteller: Rutger Hauer, Monique van de Ven

STORY:

Der junge Bildhauer Erik lernt beim Autostoppen die etwas naive Olga kennen: Nach einem Quickie auf der Autobahnraststätte fällt der Entschluss zu heiraten - gegen den hinhaltenden Widerstand von Olgas kleinbürgerlicher Mutter. Es beginnt eine wilde, schrankenlose Liebe. Bis das Paar die Nachricht vom baldigen Tod von Olgas Vater bekommt. "Pass mir gut auf Olga auf" sind seine letzten Worte am Sterbebett. Das wird Erik auch tun ...

KRITIK:

Paul Verhoeven ist ja nicht unbedingt für seine Zurückhaltung bekannt: Nackte Haut, explizite Darstellung von Sexualität und rüde Gewaltausbrüche ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk des niederländischen Regisseurs.

Doch im Gegensatz zu seinen Hollywood-Spektaklen, wo der Tabubruch oft etwas kalkuliert wirkt - Zwischenfrage: Bin ich der einzige, der "Basic Instinct" für überschätzt und "Hollow Man" für ein ärgerliches Hochglanz-Exploitation-Machwerk hält, das ungeniert mit Vergewaltigungsphantasien spielt? - wirkt hier alles natürlich, echt und direkt, wie im richtigen Leben: Die ach-so skandalösen Sexszenen, die seinerzeit die Massen ins Kino gelockt haben, sind unverzichtbarer Teil der Handlung.

In der Hauptrolle sehen wir einen jungen, entfesselten, körperlich enorm präsenten Rutger Hauer. Der spätere B-Movie-Star hat sichtlich Spaß an seiner Rolle als rebellischer Bürgerschreck, der von einem Bett ins nächste springt.

Die erste halbe Filmstunde ist ein einziger wüster Rundumschlag gegen alles, was dem Spießbürger heilig ist: Ein junger wilder Künstler und seine Partnerin haben Sex ohne Ende, ignorieren Autoritäten, Konventionen und Tischmanieren. Ziellos und chaotisch, aber quietschvergnügt leben sie in den Tag hinein. Herrlich die Szene, als Olga bei einem Besuch der Königin ihre Brüste entlöst und von der Staatsmacht buchstäblich aus dem Bild gedrängt wird.
Doch stets schwingt ein diffuses, beklemmendes Gefühl von Unbehagen mit. Irgend etwas stimmt da nicht: Es zahlt sich aus, den Film ein zweites Mal anzusehen - dann erschließen sich nämlich kleine Handlungs-Details, die das zuvor Gesehene in einem gänzlich anderem Licht erscheinen lassen.

Zwar erinnert die Geschichte - insbesondere die dramatische Wendung - ein wenig an den Klassiker "Love Story" (1970). Doch Türkische Früchte ist - wenig überraschend - weitaus düsterer, rauer und kitschfreier ausgefallen.

Dabei wird klar, wie weit Verhoeven seiner Zeit voraus war: Die hochmobile, von Jan de Bont ("Speed", 1994) geführte Handkamera war in den frühen Siebzigern ein absolutes Novum. Und der Kunstgriff, am Ende der Geschichte einzusteigen und die eigentliche Story als Rückblende zu erzählen, wird heute noch gern und häufig angewandt. Hat da jemand "Memento" gesagt?

Mit diesem erstaunlich reifen Frühwerk hat Paul Verhoeven bewiesen, dass er nicht nur ein radikaler "Scheiß-mich-nix"-Filmemacher ist, sondern ein wirklich ernst zu nehmender Dramatiker: Die Wucht des Geschehens und die Konsequenz der Inszenierung ist ganz großes europäisches Kino. Dabei prügelt Verhoeven so unbarmherzig auf das Emotionszentrum der Zuseher ein, wie sonst nur Lars von Trier in seinen härtesten Momenten.

Türkische Früchte Bild 1
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FAZIT:

Ein wüstes, lebendiges, exzessives und todtrauriges Liebesdrama, das sämtliche formale, inhaltliche und erzählerische Normen seiner Zeit sprengte. Ein ganz großer Film, der in den Niederlanden alle Zuseher-Rekorde gebrochen hat. Umso erstaunlicher, dass Paul Verhovens erster großer Erfolg außerhalb seiner Heimat kaum bekannt ist. Bitte diese Bildungslücke alsbald zu schließen!

Eine DVD in niederländischer Originalfassung mit englischen Untertitel gibt's in der Wiener Videothek Alphaville. Und EuroVideo hat den Film mit drei weiteren Frühwerken des Regisseurs als Paul Verhoeven Klassiker Edition veröffentlicht.

WERTUNG: 9 von 10 Statuen
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Dein Kommentar >>
grübler | 27.05.2020 22:36
zu deiner zwischenfrage betr. "hollow man": es gibt
nun mal unangenehme bzw. böse menschen. und viele
"gute/normale" benehmen sich
nur gesellschaftskonform,
weil sie angst vor strafe
haben. so mancher würde, im
schutz der unsichtbarkeit,
zum schwein werden. das ist
die message von "hollow man". wer seine eigenen ge-
waltphantasien visualisiert
haben will, findet ja im
netz genug kranke sch...
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