OT: True Blood - Season 2
HORROR: USA, 2010
Regie: Michael Lehmann, Scott Winant, John Dahl, Daniel Minahan
Darsteller: Anna Paquin, Stephen Moyer, Sam Trammell, Ryan Kwanten, Rutina Wesley, Chris Bauer, Nelsan Ellis, Jim Parrack, Carrie Preston, Alexander Skarsgard
Weitere Bewohner Bon Temps fallen einer neuen grausamen Mordserie zum Opfer, die Stadt versinkt im Chaos, Jason wird Extremist und Bill und Sookies Beziehung wird erneut auf eine harte Probe gestellt ...
KRITIK:Die Mordserie, die Bon Temps erschütterte und zahlreiche Opfer forderte, ist endlich aufgeklärt. Der Mörder entlarvt und aus dem Verkehr gezogen - wenn auch unter der Aufbringung großer Opfer. So hätte Bill beinahe sein Nicht-Leben verloren, beim verzweifelten Versuch Sookie bei helllichtem Tag zu retten - ein Beweis, wie stark seine Liebe zu ihr bereits jetzt ist, bedeutet es für Vampire doch einen grausamen, schmerzvollen Tod sich dem Tageslicht auszusetzen. Auch Sam kam nicht ohne Blessuren aus dem finalen Kampf, in Zuge dessen schließlich Sookie und keiner der beiden ihr zu Hilfe eilenden Retter den eiskalten Mörder besiegte. Es war ein harter, brutaler Kampf, dem traumatische Ereignisse vorausgingen und doch ward er gewonnen. Bill hat überlebt, auch Sookie ist dem Tod entkommen und Jason letztlich entlastet und wieder auf freiem Fuß. Die Dämonen wurden besiegt und aus der Stadt vertrieben. Es könnte nun alles so schön sein.
Könnte, kann es aber nicht. Denn wir wären nicht in Bon Temps wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestehen würde, dass auch nur das kleinste Bisschen Freude und Harmonie aufkommen könnte, dass Glück, und sei es in seiner marginalsten Form, in diesem hinterwäldlerischen Südstaaten-Kaff zu finden sei. Neue Dämonen, fieser, brutaler und bösartiger, ziehen ein, in Bon Temps. Und sie hüllen die Stadt erneut in pure, tiefe Dunkelheit. Staffel 1 endet mit einem markerschütternden Schrei, einem Schrei des Entsetzens - ein Omen, richtungsweisend, tonangebend für alles was in der zweiten Staffel der wohl bissigsten Serie aller Zeiten - eine bewusst mehrdeutig gewählte Formulierung - noch geschehen mag.
Wenn eine Serie bereits mit ihrer ersten Staffel dermaßen bombastisches vorlegt, wie die Macher es mit TRUE BLOOD bravourös gemeistert haben - und sich so von vielen, auch genialen Serien, wie z. B. AKTE X, abheben -, dann wird es schwer, die Erwartungshaltung des Publikums nicht zu enttäuschen. Denn die Erwartungen sind nach dieser temporeichen, abgedrehten Staffel enorm und doch fällt es schwer sich als Zuseher vorzustellen, wie all das noch übertroffen werden könnte. Die Drehbuchautoren vermochten es derweil sich Dinge vorzustellen, die jegliche Vorstellung und eventuelle Erwartung seitens des Publikums sprengen und über alle Maße übertreffen.
Die Fronten verhärten sich. Aus Freund wird Feind. Aus Feind wird Freund. Und eine ganze Menge dazwischen. Charaktere, denen man Stück für Stück Sympathien entgegenbringen konnte, zeigen ihr wahres Gesicht, machen all das wieder zunichte. Und andere, denen man es eigentlich kaum zugetraut haben mag, zeigen ihr wahres, böses Gesicht. Und während die einen, völlig verblendet, den Geist vernebelt durch christlich-fundamentalistische Propaganda und übersteigerten Egomanismus in den Krieg gegen die Vampire ziehen, erkennen wieder andere, dass Vampire weder das ultimative Böse sind, noch die größten Feinde der Menschen, dass es sogar über alle Maße hinaus nötig sein muss, dass beide Arten - Jäger und Gejagter - zusammenarbeiten müssen um jenes Übel, Bedrohung für Mensch wie Vampir gleichermaßen, zu besiegen. Zusammenarbeiten bedeutet selbstredend noch lange nicht, dass jegliche Differenzen beseitigt werden, dass wer sich gestern Spinnefeind war, heute schon Hand in Hand über sonnige Wiesen hüpft. Nein, Differenzen werden mühselig beiseitegeschoben, verschoben gar, und brechen an anderer Stelle wieder hervor.
Bei einer Serie, die mit ihren Charakteren umgeht wie die japanische Armee in Kriegszeiten mit ihren Soldaten, ist es natürlich nötig stets für Nachschub zu sorgen, das Serienuniversum zu erweitern und bevölkert zu halten. So treten zahlreiche neue Figuren aus den Schatten und werden in die Bon Temp'sche Gemeinschaft eingeführt. Die einen abgrundtief böse, die anderen einfach nur verblendet, geistig inkompetent aber nicht weniger gefährlich. Die anderen gut, herzlich. Aber eines sei gewiss, die Welt Bon Temps ist kein Ferienparadies, kein Utopia, sie besteht nicht aus Marshmallows. Niemandem in Bon Temps passiert etwas Gutes, und wer Gutes im Herzen trägt, den trifft es nur umso erbitterter. Deutete Staffel 1 dies bereits an, so macht die zweite Staffel dies nur allzu brutal deutlich. Gutes hat in der Welt TRUE BLOODs keinen Platz, und so sollte man sich ob rührender Glücksmomente oder gar beschwinglicher Momente nicht in die Irre führen lassen - Schönes kann nur von kurzer Dauer sein.
Auch die neuen Figuren sind wieder genial ausgearbeitet - mal verabscheuungswürdig, mal bemitleidenswert, mal sympathisch. Oftmals arg überzeichnet und dabei dennoch geerdet. Bestes Beispiel hierfür ist das Pastoren-Ehepaar Steve und Sarah Newlin. Gemeinschaftlich Anführer der Anti-Vampirsekte Gesellschaft der Sonne. Diese beiden grotesken, überdrehten Charaktere, für deren Ziel eine Welt ohne Vampire, eine Welt im vermeintlichen Sinne Jesus Christus zu schaffen, sie sogar über Leichen gehen, vor all jenem nicht Halt machen, was sie den Vampiren so offen und frei vorwerfen, sind perfekte Karikaturen realer Prediger. Bloß, dass sie keine Karikaturen sind. Und das soll nun kein Affront gegen die Schreiberlinge TRUE BLOODs sein, es ist lediglich eine traurige Feststellung, denn wer sich schon einmal Reden und Veranstaltungen ihrer Echtwelt-Pendants antun "durfte" - die dann zwar nicht gegen Vampire hetzen, aber gegen Schwule, Nicht-Christen, das schlechte Wetter und für jeden dritten Sonntag im Monat die langersehnte Apokalypse, was ihre Heimholung ins Himmelsreich bedeutet, vorhersehen -, der wird merken wie verdammt realistisch die Newlins eigentlich gezeichnet sind - so traurig das auch sein möge.
Auf Seiten der Guten tritt der uralte Vampir und Sheriff von Dallas Godric in Erscheinung. Mit über 2000 Jahren an Erfahrung, besitzt er eine unglaubliche Weisheit und Güte, ein tieferes Verständnis für alles Sein als die meisten anderen Vampire - selbst als Bill, der mit nur wenigen hundert Jahren auf dem Buckel auch noch viele Erfahrungen zu machen hat - und stellt damit einen Gegenpol zu den zumeist wenig sympathischen Vampiren, die sich ihrerseits noch nie mit dem Begriff der Koexistenz auseinander gesetzt haben. So ist es aber auch Godrics Figur, die Erics Charakter mehr Tiefe verleiht und Züge offenbart, die man eigentlich nicht erwartet hätte. Godric ist gut und tut gut - was das für ihn bedeutet, dürfte klar sein. Ebenso scheint Jessica endlich ihr Glück gefunden zu haben, sich gar mit einem Leben, wie Bill es führt, arrangieren zu können. Sie bandelt mit Hoyt Fortenberry an, steigt für ihn auf True Blood um und führt ein Leben wie sie es vor ihrem Ableben nie gekonnt hätte. Ein schöner Nebeneffekt der sich hierbei einstellt ist, dass man auch von Hoyt mehr zu sehen bekommt - ein Umstand, der mir sehr gefällt, ist dies doch eine der lustigeren Figuren des TRUE BLOOD-Universums.
Die Inszenierung ist alles in allem noch temporeicher als in Staffel 1 und das obwohl auch ruhige Moment nicht zu kurz kommen, die leider nicht immer zünden. Eine kleine Länge habe ich nämlich empfunden, wenn auch nur in einer Szene, einer Folge - was meine Freundin wiederrum als extrem romantischen Moment empfand, die Chancen stehen also gut, dass es dabei nur meine gestörte Empfindung war, die sich zu Wort meldete. Die Spannungsschraube wird noch um einiges fester angezogen und der Cliffhanger-Effekt, der mit dem Ende einer jeden Folge einsetzt ist noch um einiges intensiver als schon bei Staffel 1. Ein großes Lob möchte ich an dieser Stelle übrigens an die Set-Designer aussprechen, denn gerade die Sets die Sookies Haus im Griff Maryanns zeigen sind verdammt gut und geradewegs preiswürdig.
TRUE BLOODs zweite Staffel ist gewagter, abgedrehter, brutaler, blutiger und schlichtweg extremer als Staffel 1. Und trotzdem verlieren sich Drehbuchautoren und Regie nicht in Effekthascherei. Sie schaffen es weiterhin eine Serie mit Substanz zu liefern. Nichts passiert ohne Grund, alles was geschieht hat unmittelbaren Einfluss auf die detailliert und fein gezeichneten Charaktere, Handlungsstränge, die aufgenommen werden, werden auf jeden Fall auch zu Ende gebracht. Staffel 2 steigert sich in jeglichem Aspekt gegenüber der ersten Staffel und lässt den Zuschauer wieder mit einem Schlag in die Magengrube und einem großen Fragezeichen über dem Kopf zurück und sehnsüchtig auf Staffel 3 warten.
In diesem Sinne: "Ich bin älter als euer Jesus."