OT: Traffic
DRAMA/THRILLER: USA, 2000
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Benicio Del Toro, Jacob Vargas, Andrew Chavez, Michael Douglas, Catherine Zeta-Jones
Die Grenze zwischen USA und Mexiko: Polizisten auf beiden Seiten versuchen, den immer mehr ausufernden Schmuggel von Kokain zu verhindern. Auf amerikanischer Seite wird der Richter Robert Wakefield zum obersten Drogenfahnder ernannt. Er soll die Zusammenarbeit mit den Mexikanern verbessern. Kurz bevor Wakefield sein neues Amt antritt, findet er heraus, dass auch seine Tochter Probleme mit Kokain hat.
KRITIK:Es ist kein Zufall, dass die Schlüsselfigur in TRAFFIC ein ehemaliger Richter ist, der nach einer langen Karriere das Fach wechselt, als er vom Präsenten persönlich zum obersten Drogenfahnder befördert wird. Damit stellt Steven Soderbergh eine Figur in den Mittelpunkt von TRAFFIC, die genau wie der Zuschauer, noch nicht mit den Umgangsformen im Kampf gegen den Drogenhandel konfrontiert wurde. Obwohl dieser Richter namens Robert Wakefield schon einige Jahre auf dem Buckel hat, bringt er gerade deshalb noch die nötige Zeit und besonders den nötigen Ehrgeiz mit, um den Drogenhandel in Amerika in den Griff zu bekommen.
Vorbildlich zeichnet Soderbergh diese Figur mit Emotionen und menschlichen Widersprüchen. Aber Robert Wakefield ist nicht nur ein starker und glaubwürdiger Charakter aus Fleisch und Blut, sondern auch unsere Identifikationsfigur - und mehr als das. Genau genommen ist er der Beobachter im Film, genau wie wir ebenso die Beobachter vor der Leinwand sind. Will heißen: Er ist im eigentlichen Sinne die Inkarnation des Zuschauers, ein Gleichgesinnter, womit Soderbergh uns äußerst clever um den Finger wickelt: Man blickt durch die Augen von Michael Douglas, der diese Figur hervorragend verkörpert, und wir können uns in seine Lage versetzen, weil Protagonist und Zuschauer stets etwas gemeinsam haben.
Indem Soderbergh die Geschichte so auf Augenhöhe des Zusehers hebt, wird besonders die charakteristische Entwicklung Wakefields nachvollziehbar. Von Szene zu Szene wird ihm das bewusst, was seinen neuen Kollegen schon längst zu schaffen macht. Man soll gegen etwas kämpfen, gegen das es sich aber nicht, zumindest nicht so, wie es sich mit "richtigen" Kriegen verhält, kämpfen lässt. TRAFFIC erzählt von und ist gleichzeitig die Suche nach dem Kern bzw. dem Ursprung des Problems - das ist quasi der rote Faden, der alle drei Episoden des Films durchzieht.
Welcher Problematik das Scheitern der Drogenbehörden geschuldet ist, ist die Frage, der es sich bewusst werden zu gilt und auf die TRAFFIC auch vorsichtig eine Antwort zu formulieren weiß. Wogegen wird dieser Kampf eigentlich ausgetragen? Es sind hier schließlich nicht mehr nur "Ungebildete", die am alltäglichen Drogenkonsum zu Grunde gehen, sondern sogar die Schulgänger der Highschools, die zu Problemkindern zu werden scheinen - solche Schüler und Schülerinnen wie Caroline, die Tochter von Robert Wakefield und seiner Frau, die zum Missvergnügen derer schwerst drogenabhängig ist.
Das ungute Gefühl im Magen wird dabei durch die bittere Ironie in der Darstellung der Drogenfahnder evoziert. Einmal sehen wir Wakefield auf einer Party zusammen seinen Kollegen in einem Saal herumstehen. Sie plaudern über ihre Arbeit, erzählen sich von ihren neusten Ideen; und so vertraut dieses Bild auch wirkt - selbst die Leute, die es eigentlich besser wissen müssten, betrinken sich hier mithilfe stärkstem Alkohols. In der darauf folgenden, nur folgerichtigen Szene wird Wakefield dann von seiner Frau überraschend mit der Frage überfallen, ob es ihm eigentlich bewusst wäre, dass er mindestens drei Gläser Scotch brauche, um abends voll und ganz abschalten zu können.
TRAFFIC ist das Porträt einer Gesellschaft, in der der Drogenhandel fest verankert ist und in der die Menschen schon längst mit den Konsequenzen zu leben haben. Der Kampf gegen den Drogenhandel, ist ein Kampf gegen unsere Familien, heißt es im Resümee von Robert Wakefield. Das sind wahrlich harte Worte, die da in den Mund genommen werden, aber man muss Steven Soderbergh dafür entsprechend viel Respekt zollen, dass er sich getraut, das Unaussprechliche auszusprechen.
Es reicht Soderbergh aber nicht, den Drogenkonsum in abschreckenden, aber authentischen Bildern festzuhalten. Man möchte anfangs meinen, auch TRAFFIC konzentriere sich, wie auch schon der dubiose Requiem For A Dream, nur auf Einzelschicksale - damit würde zumindest der Episoden-Stil harmonieren. Dabei, und auch das wird mit dem Handlungsverlauf immer klarer, interessiert sich Soderbergh für viel wichtigere, interessantere Punkte. Misstrauisch, aber nie verurteilend oder moralisiert schaut TRAFFIC auf ein Amerika herab, in dem die meisten schon längst den Überblick verloren haben, inwiefern der Drogenhandel diese Gesellschaft schon von innen zerfressen hat.
Es ist authentisch. Es ist glaubwürdig. Es passt schlicht und ergreifend. Ein großartiger Film, der etwas zu erzählen hat!