GEDICHT: USA, 2012
Regie: Terrence Malick
Darsteller: Olga Kurylenko, Ben Affleck, Javier Bardem, Rachel McAdams
Ein frisch verliebtes Paar, sie könnten die ganze Welt umarmen. Paris die Stadt der Liebe, auch die Stadt ihrer Liebe. Doch nichts ist von Dauer, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht ...
Ruhelos, verzaubernd schön, die Luft anhalten, den Moment einatmen, Gänsehaut. Terrence Malicks neuesten Film mit Worten, gar mit ganzen Sätzen zu beschreiben wird dem nicht gerecht und ist auch unmöglich! Wie soll man so etwas, das einem einzigen Gedicht aus überbordenden, realen Gefühlen gleicht, auf so etwas Einfaches wie geschriebene Worte herunter brechen? Auf plumpe Sätze, die nicht annähernd dieses Gefühl widergeben können, das Malick in To The Wonder versucht einzufangen und uns näher zu bringen.
Ich bin mir durchaus dessen bewusst, dass ich wahrscheinlich einer kleinen Minderheit angehöre, die diese Gefühle auch als solche wahrnimmt. Und das ist alles andere als überheblich gemeint. To the Wonder wird der Mehrheit der Leute nicht gefallen, auch denen nicht, welche sonst begeistert sind vom Arthouse-Kino. Es erscheint mir schon unmöglich, diese Symphonie in Sätze zu fassen, sie zu begreifen, auf einer reinen Gefühlsebene, gar ausweglos. Und doch gehöre ich zu denjenigen, die sich so gut einfühlen können in Malicks Gedankenwelt, denn oft kann ich mich nur auf die selbe Weise ausdrücken.
Haben wir keine Zeit mehr für langsame Filme? Für Filme, die uns auf der Gefühlsebene ansprechen? Was eigentlich einen guten Film ausmacht, aber zu viel der Gefühle, ist dann für die meisten doch genug. Gestern verließen die ersten Zuschauer nach 15 Minuten den Kinosaal, mit entrüstetem Geschnaube, nur 10 Minuten später fängt in der Reihe vor mir einer lauthals zu schnarchen an. Also, haben wir keine Zeit mehr für langsame Filme?
Denn To The Wonder ist langsam, sehr langsam, sich wiederholend und nicht vergleichbar mit anderen Filmen, außer sie stammen von Malick selbst. The Tree of Life war schon kein einfacher Film, wollte man ihn nur auf rationaler Ebene verstehen und begreifen, lässt man aber den nüchternen Verstand einfach weg und fühlt nur, dann ist er wunderschön. Bei To the Wonder werden die meisten noch mehr Probleme haben. Denn er ist noch schwerer zugänglich. Wirkt er doch die gesamte Zeit wie ein Gefühlsbad an menschlichen Erfahrungen.
Für all diejenigen, die trotzdem wissen wollen worum es eigentlich geht: Schlichtweg um eine Liebe, eine überschäumende, einzigartige, sich wiederholende, zerfallende, zweifelnde, entzauberte Liebe. Wie es nunmal so ist im Leben: Irgendwann verliert alles seinen Zauber. Die Sicht der Dinge ändert sich mit den Erfahrungen, die wir machen. Nichts bleibt wie es ist. Wunderschön auch im Film, ganz unaufdringlich, dargestellt durch den Vorort der wächst, sich wandelt. Und somit könnte dieser Film, der eigentlich nur eine Ansammlung von Gefühlen ist, gar nicht realer sein. Die einzige wahrhaftige Liebesgeschichte, die ich bislang gesehen habe.
Die Protagonisten erstarren im Moment - und genauso erstarrt der Zuseher, wenn er sich darauf einlässt. Ich bin hier kein Maßstab, denn ich trage viel von diesem Weltschmerz in mir. Dennoch gibt es Hoffnung. Die in jeder Sekunde durchblitzt. Vielleicht fühlt man sich dadurch auch vor den Kopf gestoßen, denn der religiöse Unterton - und an einigen Stellen sogar der Schrei ins Gesicht - ist zentral in To The Wonder, auch wenn ich der Meinung bin, dass Malick seine eigene Definition von Religion hat. Und der Film ist definitiv kein Wegbereiter für eine spezifische Religion. Ich bin ein gänzlich ungläubiger Mensch und fühlte mich nicht vor den Kopf gestoßen, aber das mögen manche anders sehen. Wenn man den Film unbedingt auf diesen "religiösen" Aspekt reduzieren möchte, dann verstehe ich ihn eher als Fragestellung, denn als eine übergeordnete Wahrheit.
Zweifel darf man ruhig haben, denn zweifeln setzt etwas in Gang. Auch die Hauptdarsteller zweifeln viel, tun sie es doch auf ihre eigene Weise, indem sie uns teilhaben lassen an ihren Gedanken. Und an dieser Stelle wird der Originalton enorm wichtig. Ich kann mir diesen Film gar nicht in der Synchronisation vorstellen, grauenhaft. Denn wenn Olga Kurylenko in zarter Stimme, auf französisch von dieser Liebe erzählt, dann fühlt man, was sie fühlt. Französisch gehört ihr, die Sprache der Liebe, liebt sie doch so sehr. Olga ist diese sensible, zerbrechliche Frau, die verträumt durch die Welt tänzelt (was wahrscheinlich dem Großteil auf die Nerven gehen wird) und auf ein Happy End hofft, fühlt sie doch ganz genau, dass es niemals ein Happy End geben kann. Dem gegenüber steht Ben Affleck, der uns nur sehr wenig von sich Preis gibt. Denkt er, dann hört man seine Stimme auf englisch. Und hier werden viele geteilter Meinung sein. Ich bin kein großer Fan von Affleck und hatte meine Zweifel was ihn betrifft, aber es passt. Er spiegelt genau diesen etwas unentschlossenen Mann, der die Dinge gerne laufen lässt, ohne viele Worte zu verschwenden, wider. Mein Freund war da allerdings ganz anderer Meinung.
Absolut großartig ist Javier Bardem in seiner Rolle. Er schafft es wirklich nur mit seinem Gesichtsausdruck all seine Zweifel zu transportieren. Hat er doch die Rolle des zweifelnden Priesters inne. Auch ihn ändern seine Erfahrungen und es bleibt ihm nichts anders übrig, als auf ein Wunder zu hoffen, von dem er eigentlich schon längst weiß, dass es nicht kommen wird. Seine Sprache ist übrigens Spanisch. Und somit möchte ich nochmal erwähnen, dass der Originalton enorm wichtig ist. Lässt er uns doch sofort eintauchen in die Gedanken der Protagonisten. Dazu tragen natürlich auch die fantastischen Aufnahmen bei und vor allem auch die großartige Filmmusik.
Ich kann mich übrigens nicht daran erinnern, dass jemals ein Name im Film genannt wird, außer der der Tochter. Deswegen verwende ich hier auch nicht die Namen, da sie unwichtig sind, nicht von Bedeutung für diese Geschichte. Die sich so, in all ihren Facetten und Bereichen, jeden Tag irgendwo abspielt. Menschen hoffen, lieben, zweifeln und scheitern. Und dann beginnen sie von neuem, immer in dem Wissen, dass es eigentlich unerheblich ist, die Welt wird sich auch ohne sie weiterdrehen, bis auch sie irgendwann damit aufhört, ohne Sinn, es ist nunmal einfach so.
Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man sich Malicks Filme ansieht, und vor allem To The Wonder. Dass man sich Gedanken machen wird über Religiosität, Fatalismus, Determinismus. Hat man dazu keine Lust, oder kann man nichts mit der gefühlsbetonten Gedankenwelt von Malick anfangen, dann sollte man sich diesen Film lieber nicht ansehen. (90 Prozent im Kinosaal äußerten nur ein verächtliches Lachen, als die letzte Szene ins Schwarz übergeht und der Abspann beginnt.) Gehört man allerdings zu den wenigen, die sich darauf einlassen können, dann fühlt man, wie man schon lange nicht mehr gefühlt hat.
To The Wonder ist ein Gedicht, eine Symphony der Gedanken. Die nur mit Gefühlen verstanden werden kann und nicht mit einem rationalen Kopf. Man muss diesen Film fühlen und dann wird man ihn lieben. Wer das nicht kann, der sollte sich To the Wonder lieber nicht ansehen, denn er wird enttäuscht sein, vielleicht sogar wütend. Malick lässt uns einmal mehr teilhaben an seinen Gedanken, zaubert sie auf die Leinwand in der Hoffnung, dass wir es verstehen. Aber leicht zugänglich ist das Ganze nicht, man muss sich schon drauf einlassen können, dann allerdings ist es eine großartige Erfahrung.