OT: The Wire Season 1
TRUE CRIME, DRAMA: USA, 2002
Regie: David Simon
Darsteller: Dominic West, Sonja Sohn, Wendell Pierce, Idris Elba
The Wire erzählt die Geschichte von Polizisten, Straßendealern, deren Hintermänner und Politikern in Boltimore. Beleuchtet werden dabei die Verknüpfungen von Politik und organisierten Verbrechen und die Mechanismen des Polizeiappartas. Jede Staffel der Serie behandelt einen anderen Aspekt der Stadt Baltimore, u.a. das marode Schulsystem, den Hafen und das Pressesystem der Baltimore Sun.
Fixpunkt der Handlung ist aber immer der Drogenhandel.
"Atlantic Monthly" empfiehlt, die DVDs zwischen Dostojewskij, Dickens und Tolstoi einzusortieren" (TAZ)
"Die beste Serie in der Geschichte des TV" (Rebecca Traister & Laura Miller)
"Der Gewinner der isländischen Kommunalwahlen von 2010 für die Stadt Reykjavík Jón Gnarr empfahl seinen möglichen Koalitionspartnern im Vorfeld der Wahl, sich die Serie anzusehen, da er mit niemandem koalieren würde, der sich diese Serie nicht angesehen habe." (Wikipedia)
"The Wire is unmissable television" (The Guardian)
The Wire - wo soll ich anfangen? Am besten damit, dass mich die Authentizität dieser Serie vom Hocker gerissen hat. Kompromisslos und von einem Realismus geprägt, der seinesgleichen sucht, wird hier TV-Geschichte geschrieben.
Zur Vorbereitung hat der Autor der Serie, David Simon, ein Jahr lang eine Einheit der Baltimore Police begleitet (Baltimore gilt als eine der ärmsten Städte der USA und weist eine Mordrate von jenseits der 250 auf) und dies in dem Buch 'Homicide - A Year on the Killing Streets' verarbeitet.
Ein Großteil der Darsteller wurde direkt aus den Ghettos Baltimores gecastet, gedreht wurde nur an Originalschauplätzen und so gut wie jeder Charakter der Serie mündet in der Realität. Und so wirkt The Wire auch. Fast dokumentarisch zeigt die Serie den Alltag der Straßendealer, der Polizisten, der Politiker (auf Musik wird verzichtet, außer sie ist Teil der Szene) - ohne dabei an Unterhalungswert zu verlieren. Das ist das große Kunststück das den Machern gelungen ist.
Auf eine plakative Moral, einen erhobenen Zeigefinger oder eine Kategorisierung in Gut und Böse wird verzichtet. Gut und Böse existiert nicht, die Charaktere bewegen sich in einer ständigen Grauzone.
Es scheint sogar eine respektvolle Beziehung zwischen Polizei und Dealern vorzuherrschen, eine stillschweigende Anerkennung für die Arbeit des Anderen. Eine Anerkennung dafür, dass dieses Spiel, das Game, niemals enden wird, dass keine Seite jemals in der Lage sein würde ihren Teil der Arbeit zu beenden.
Jeder in diesem Spiel, egal ob Zivilfahnder, Dealer oder Junkie hat seine festgelegten Spielregeln und Aufgaben. Keiner von ihnen wird jemals aus dem Spiel austreten. Es sei denn durch Rente, Knast oder Tod.
Und selbst dann wird derjenige von ihnen nahtlos ersetzt. Bis in alle Ewigkeit, bis ans Ende aller Tage.
Denn vom Polizeiapparat oder der Politik ist nicht viel zu erwarten. 250 bis 300 Morde im Jahr erlauben keine langwierigen Ermittlungen. Ein Rotationssystem wird angewendet, ist die Zeit für die Ermittlungen in einem Mordfall überschritten wird zum nächsten vorgerückt. Die Statistiken werden manipuliert und geschönt.
So stöst Jimmy McNulty (wahnsinnig gut gespielt von Dominic West) nicht auf Lob und höfliche Worte, als er durch Zufall auf die kriminellen Machenschaften im Drogenhandel von Avon Barksdale (Wood Harris) aufmerksam wird und Ermittlungen in Gang setzt.
Eine Sondereinheit wird gegründet die aus allen Querdenkern und Außenseitern der Baltimore Police zusammengewürfelt wird.
In der ersten Staffel wird deutlich, wie schwer es überhaupt ist eine Abhörgenehmigung für den Telefonverkehr der Verdächtigen zu bekommen und wie kompliziert die Kommunikation zwischen einzelnen Einheiten und Abteilungen abläuft.
Vor allem die Öffentlichkeitsarbeit macht der Einheit regelmäßig einen Strich durch die Rechnung. Da wird auf weitere Ermittlungen verzichtet und die Abhöraktion enttarnt um kleine Fische hochzunehmen, Denn "We need Dope on the Table" lautet die Devise. Erfolge müssen vorgegaukelt werden, damit die Chefs der Polizei und der Bürgermeister sich vor der Presse die Hände schütteln können.
The Wire ist so viel mehr als nur eine "Krimiserie". The Wire ist Sozialstudie, Lehrstunde in Politik und Pressesystem, Drama und Literatur auf dem Fernsehbildschirm. Hier hat man bei jeder Episode das Gefühl sich auf den Straßen Baltimores zu bewegen, neben einem Junkie zu liegen während er sich einen Schuss setzt, in den Büros der Mordkommision zu sein oder in einem Klassenzimmer einer maroden Junior High School zu sitzen.
Die Charaktere sind durchweg glaubwürdig, vielschichtig und von einer Aufrichtigkeit gespielt, dass es einem dem Atem verschlägt. So habe ich mich beispielsweise sehr oft gefragt ob Andre Royo, der den Junkie "Bubbles" spielt, während der Dreharbeiten wirklich heroinsüchtig war ;-) eine so abgemagerte, ausgelaugte und heruntergekommene Performance durfte man bisher nur selten genießen.
Naja, ich könnte noch seitenweise weiterschwärmen, deshalb macht euch ein eigenes Bild ...
Dringend sollte The Wire auf Englisch geschaut werden, denn der Großteil der Atmosphäre macht der Straßenslang aus, die amerikanische Mundart sozusagen.
The Wire zeigt, zu was das Medium Fernsehen in der Lage ist. Der Behauptung "beste Serie in der Geschichte des TV" kann ich nur beipflichten.
Kauft die DVDs, es lohnt sich! Und listen carefully!