FANTASY/DRAMA: USA, 2018
Regie: Guillermo del Toro
Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg, Doug Jones, Richard Jenkins
Die stumme Putzfrau Elisa arbeitet in einem Hochsicherheitslabor, wo die US-Army ein mysteriöses Wesen gefangen hält, halb Fisch, halb Mensch. Elisa nähert sich der Kreatur an, während die Armee drauf und dran ist, das Fischwesen im Dienste der "Wissenschaft" zu Tode zu foltern. Elisa kann dem grausamen Treiben nicht mehr länger zusehen und fasst einen folgenschweren Entschluss ...
An dieser Stelle ein Geständnis: Ich würde mich nicht unbedingt zu den Hardcore-Fans des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro zählen. Seine von Publikum und Kritik gleichermaßen gefeierten Filme waren mir stets einen Hauch zu versponnen, zu märchenhaft, zu fantasy-nerdig. Wiewohl ich jedes Mal vor der Macht seiner phantastischen Bilderwelten kapitulieren musste und die Filme am Ende eh immer total super fand. Das ist auch bei THE SHAPE OF WATER nicht anders.
Hier kam meinerseits allerdings noch erschwerend hinzu, dass ich mit dem Konzept spezies-übergreifende Lovestory so meine Probleme habe und dabei immer an diesen ziemlich höllischen Film von Ulrich Seidl denken muss. Tierische Liebe hieß der, und er war alles andere als lieblich. Liebe zwischen Mensch und Tier oder Mensch und Ding, Computer, Roboter, Cyborg, whatever, das funktioniert für mich einfach nicht. Ich gehöre auch zur Minderheit derer, die beispielsweise mit dem zum Meisterwerk hochgejazzten Film HER (wo sich Joaquin Phoenix in die Computerstimme von Scarlett Johansson verliebt) relativ wenig anfangen konnte.
Von THE SHAPE OF WATER hatte ich mir im Vorfeld ebenfalls nicht allzu viel erwartet - und sehr viel mehr bekommen. Die Annäherung zwischen einer stummen Frau und dem mysteriösen Fischmann verpackt del Toro in seine unverkennbaren Trademark-Bilderwelten. Selbst mit vereinzelten Sing- und Tanzeinlagen ist dabei zu rechnen. Amelie unter Wasser, höre ich die ironischen Berufs-Zyniker schon ätzen. Dieser Fraktion sei versichert, dass sie völlig falsch liegt. Amelie tänzelte bekanntlich völlig asexuell durch ihre fabelhafte Welt, was man von Elisa (großartig: Sally Hawkins) ganz und gar nicht behaupten kann. Es ist beeindruckend, wie konsequent THE SHAPE OF WATER sein Ding durchzieht, wie unverkrampft er mit Tabu-Themen wie Nacktheit, Masturbation und Sex umgeht. Ich dachte ja, derartiges wäre im Mainstreamkino unserer Tage gar nicht mehr möglich.
Unser umtriebiger Gastautor Dominik Schreiter hat kürzlich eine schöne Rezension zum klassischen Monsterfilm CREATURE FROM THE BLACK LAGOON geschrieben, einem Lieblingsfilm von Guillermo del Toro, der ihn, so steht es geschrieben, zu THE SHAPE OF WATER inspirierte. Angesiedelt ist diese Geschichte im Jahr 1962, kurz vor dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Das historische Setting würde natürlich reichlich Gelegenheit bieten für Ausstattungsorgien an der Grenze zum Augenkrebs. Interessanterweise hatte del Toro diesmal offensichtlich keine Lust darauf: Es dominieren düstere Grün- und Brauntöne, alles wirkt reduzierter, übersichtlicher, erdiger - und nona: feuchter als in seinen oftmals im Manierismus erstarrten Kunstwerken vergangener Tage.
Ob einen die spezies-übergreifende Lovestory jetzt abholt oder nicht: THE SHAPE OF WATER ist ein mitreißendes Monster-Märchen, das zwar in einer finsteren Vergangenheit angesiedelt ist, aber natürlich von unserer auch nicht gerade erquicklichen Gegenwart erzählt. Wie von Guilermo del Toro nicht anders zu erwarten, gibt es beeindruckende Bilderwelten, handgemachte Latex-Effekte und - neu: unverkrampften Unterwasser-Sex zu bestaunen. Wenn ihr mich fragt, del Toros bislang überraschendster und ambitioniertester Film. Und von Michael Shannon als willfähriger Folterknecht im Dienste der US-Army werde ich noch öfter schlecht träumen.