WESTERN: DK/SA, 2014
Regie: Kristian Levring
Darsteller: Mads Mikkelsen, Eva Green, Jeffrey Dean Morgan, Eric Cantona, Mikael Persbrandt, Jonathan Pryce
Amerika, 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Jon und sein Bruder Peter sind aus Dänemark ausgewandert, um sich wie so viele im großen gelobten Land eine neue Existenz aufzubauen. Nach sieben langen Jahren kommen endlich auch Jons Frau und sein Sohn nach. Das Wiedersehen währt jedoch nur kurz, denn Jons Familie wird ihm von zwei Fremden grausam entrissen. Die darauf folgende Rache erreicht ungeahnte epische Ausmaße.
Schon in den 1960er-Jahren, zur Hochblüte des Spaghetti-Westerns, erwies sich Europa als Quelle erstaunlich guter, wenn nicht sogar der besseren Western. Böse, die wirklich abgrundtief Böse sind - und auch auf den ersten Blick genauso aussehen. Gute, die allesamt selbst keine weiße Weste, aber dennoch die moralische Überlegenheit auf ihrer Seite haben. Gesichter und vor allem Augen in Großaufnahme. Traumhafte Bilder karger Landschaften. Und über all dem die schönste Filmmusik überhaupt. Überstilisierung bis zum Exzess war die Devise.
Auf Thomas Arslans (sehr sehenswertem) düsterem Deutsch-Western "Gold", der es in Österreich leider nie regulär ins Kino geschafft hat, folgt nun mit "The Salvation" ein weiterer europäischer Western, nämlich aus Dänemark. Und damit einer, der inhaltlich und stilistisch in der besten Tradition der der klassischen Italowestern liegt.
Hoffnungsfroh beginnt der Film nach eine wunderschönen, traumwandlerischen Anfangssequenz. Geschniegelt, glatt rasiert und gekampelt steht Mads Mikkelsen alias Jon am Bahnhof, um seine Familie in Empfang zu nehmen. Und trotz Unterdrückung zu starker Gefühlsregungen auf beiden Seiten ist klar, die Freude über das Wiedersehen ist groß. Nach ersten zarten Annäherungen und einem ersten Kennenlernen mit dem Sohn, den Jon offenbar zuletzt höchstens als Baby gesehen hat, zerbricht die noch nicht ganz im Aufkeimen befindliche Idylle jedoch jäh und grausam. Jon muss hilflos hinnehmen, dass er seine kleine Familie, kaum dass sie zusammengefunden haben, wieder auf schreckliche Weise verliert.
Damit setzt sich ein Racheepos in Gang, das atemlos seinen Lauf nimmt und erst mit der allerletzten Szene wieder zur Ruhe kommt. Denn böse sind in "The Salvation" im Grunde alle und Jon wird erst zur Ruhe kommen, wenn nicht nur die Männer, die sich an seiner Familie vergangen haben, beseitigt sind, sondern auch der sadistische Gangster Delarue, der die mitten im Nirgendwo gelegenen Stadt mit Hilfe seiner Bande mit Schutzgeld erpresst sowie die feigen, gierigen und korrupten Bewohner dieser Stadt. Und so zieht Jon eine Blutspur hinter sich her, während er abwechselnd mal Jäger und mal Gejagter ist.
Großes Kino ist das alles einerseits dank des fantastischen Casts, angeführt vom sowieso immer zum Niederknien großartigen Mads Mikkelsen, der sich in 90 Minuten mit jeder Faser seines Körpers vom braven dänischen Siedler zum kompromisslosen Rächer wandelt. Eva Green ist einmal mehr eine faszinierende Femme Fatale, die den ganzen Film hindurch kein Wort spricht und gerade deswegen so perfekt besetzt ist, denn diese durchdringenden grünen Augen sagen sowieso mehr als tausend Worte.
Unter all den weiteren Stars - wie einem schmierigen Jonathan Pryce, einem knallharten Eric Cantona und einem fürsorglichen Mikael Persbrandt (bekannt aus In einer besseren Welt) - liefert vor allem Jeffrey Dean Morgan als Kotzbocken Delarue eine beeindruckende Leistung. Dermaßen viel mitleidslose Bosheit und Widerlichkeit hat man schon länger nicht mehr im Kino gesehen, ohne dass es zur peinlichen Parodie abdriftet. Und das von einem Typen, der mit einer vor Schmalz nur so triefenden Tränendrüsenrolle in "Grey's Anatomy" bekannt geworden ist.
Großes Kino liefern auch Regie und Kamera, die nicht vor überstilisierten Bildern zurückschrecken. Im Gegenteil. Keine Schweißperle, kein Blutspritzer, keine Narbe und keine Falte im Gesicht, die der Kamera entgingen. Die Großaufnahmen lassen uns Delarue erst so richtig hassen, möchten uns ewig in Eva Greens Augen versinken lassen und machen uns klar, dass bei Jon die Angst vor dem Tod dem Durst nach Rache gewichen ist. Dazu kommen herrliche Aufnahmen der Landschaft Südafrikas (wo "The Salvation" gedreht wurde) und ein extrem stimmiger Score von Kaspar Winding.
Sterben war schon lange nicht mehr schöner.
Skandinavische Filmperle mit Superstarbesetzung im für einen dänischen Film ungewohnten Setting, die viele US-Western weit hinter sich lässt.