BIOGRAPHIE: USA, 2011
Regie: Bruce Robinson
Darsteller: Johnny Depp, Aaron Eckhart, Michael Rispoli, Marshall Bell, Giovanni Ribisi
Puerto Rico 1959. Der junge Journalist Paul Kemp alias Hunter S. Thompson (gespielt von Johnny Depp) nimmt einen Job bei der amerikanischen Zeitung "Daily News" an. Mit langweiligen Interviews mit fetten Touristen und dem Verfassen von nichtssagenden Kolumnen schlägt er sich durch seinen monotonen Arbeitstag. Die restliche Zeit über gibt sich Kemp dem schönen Wetter, den schönen Frauen und dem paradisischen Panorama Puerto Ricos hin. Und natürlich dem Rum.
Lang erwartet wurde die Verfilmung von Hunter S. Thompsons Debütromans aus den 1960er Jahren, der lange Zeit als verschollen galt und erst Ende der 1990er Jahre veröffentlicht wurde. Vorweg muss ich zugeben, dass ich das Buch nie gelesen habe und daher den direkten Vergleich von Film und Roman hier nicht anbringen kann.
Hunter S. Thompson....? Ja genau es gab schon mal einen Film der einen Lebensabschnitt des Kultautors und Journalisten auf Zelluloid gebannt hat. Wer aber jetzt einen kafkaesken, durchgeknallten und hochpsychedelischen Drogenfilm erwartet, wie ihn uns Terry Gilliam 1998 geschenkt hat, der geht mit gänzlich falschen Erwartungen ins Kino.
Nein, Rum Diary ist keine inoffizielle Fortsetzung von Fear and Loathing in Las Vegas. Nein, Dr. Gonzo spielt diesesmal nicht mit. Und nein, übergroße betrunkene und mit bewusstseinserweiternden Drogen vollgepumpte Reptilien kommen in diesem Film auch nicht vor.
Rum Diary verfolgt von Anfang an einen anderen Erzählstil und versprüht eine völlig unterschiedliche Atmosphäre. In Fear and Loathing in Las Vegas schlug die Zeitgeistbombe der 68er voll ein und durchdrang jede Szene bis ins Tiefste. Dieser Film hingegen ist eher durchtränkt von der Luftfeuchtigkeit Puerto Ricos, nackter Frauenhaut, weißen Palmenstränden und literweise Rum. Auch Johnny Depp verkörpert Thompson hier viel geerdeter und nicht so exentrisch wie in Gilliams Film. (Von der ersten Szene mal abgesehen).
Die Landschaftsaufnahmen der Karibikinsel sind paradisisch eingefangen, die Hitze und die gleißende Sonne übertragen sich beim Ansehen des Films beinahe auf die Raumtemperatur, ja man wird schon ein wenig neidisch, spätestens nach einer halben Stunde bekommt man selbst Lust auf einen Rum oder einen Cuba Libre und ich persönlich hätte das regnerische Süddeutschland an diesem Abend gerne gegen diesen Schauplatz getauscht. Das romantische und auch aufregende Stimmungsbild vieler Szenen tun da ihr übriges.
Doch dieser Stoff wäre nicht von Hunter S. Thompson, wenn uns der Film nicht auch die Kehrseite der Medaillie aufzeigen würde und uns auf subtile und teils bizarre Art und Weise die hässlichen Seiten der Insel klarmacht. Die Unterdrückung der Bevölkerung Puerto Ricos, der Raubbau der Natur und das Aufkaufen des Landes durch koruppte Immobilienhändler und mafiösen Organisationen, die unterdrückte Pressefreiheit und die herabwürdigende Umgangsweise mit der Bevölkerung von Seiten der Amerikaner spielen eine zentrale Rolle in Rum Diary. Doch nicht plakativ oder gar mit erhobenen Zeigefinger oder politischen Anspruch, sondern eher unterschwellig.
Aaron Eckart repräsentiert hier den elitären, kapitalistisch dekadenten Immobilienhändler, der ohne Rücksicht auf Verluste den Einheimischen ihr Land unter den Füßen wegreisst, Hotelwüsten darauf errichtet, selbst im Luxus schwelgt und mit einer 12 Gauge Shotgun Einheimischen Beine macht, die es wagen seinen Privatstrand zu betreten.
Paul Kemp hingegen muss unter höchst fragwürdigen Umständen zusammen mit seinen beiden dauerbetrunkenen, schnapsbrennenden, alte Hitlerplatten hörenden, Kampfhähne züchtenden Kollegen Sala und Moberg (verkörpert von Michael Rispoli und Giovanni Ribisi die für den Großteil der Lacher sorgen) in einer abgeranzten Bruchbude wohnen.
Und so kommt in regelmäßigen Abständen eine Katerstimmung auf die Sala gut auf den Punkt bringt:
"Puerto Rico is like someone you fucked and is still under you."
Das trifft es ziemlich gut.
Als Paul, Sala und Moberg schließlich Ärger mit einigen der Immobilienhändlern, Einheimischen und der Polizei bekommen überschlagen sich die einen oder anderen Ereignisse und der Teil des Films beginnt, bei dem sich bei mir persönlich hier und da doch wieder der alt gewohnte Hunter S. Thompson Flair bemerkbar machte wie ihn einst Terry Gilliam so passend in Szene setzte. Lachattacken mit anschließenden Bauchkrämpfen sind die Folge!
Und so entwickelt sich der Film schließlich immer mehr vom Postkartenklischee der Karibik zu einer Reise ins Tiefste Innerste Puerto Ricos und seiner Bewohner.
Alles in allem eine wirklich gelungene Hunter S. Thompson-Verfilmung die dem 2005 verstorbenen Meister des Gonzo-Journalismus durchaus würdig ist! Ab August im Kino.
Also: "Try to look normal!"
Eine in Rum getränkte, verschwitzte, von Hunter S. Thompson erzählte Reise in das Puerto Rico der 50er und 60er Jahre.