HORROR: AUSTRALIEN, 2010
Regie: Andrew Traucki
Darsteller: Damian Walshe-Howling, Zoe Naylor, Adrienne Pickering, Gyton Grantley
Fünf Urlauber kentern auf hoher See. Da ihr kieloben schwimmendes Boot ins offene Meer hinausgetrieben wird und zudem im Sinken begriffen ist, entschließen sich die jungen Leute dazu, die 15 Meilen zur nächsten Insel zu schwimmen. Doch schnell merken sie, dass sie nicht allein im Wasser sind. Ein großer weißer Hai ist auf die Schwimmer aufmerksam geworden und hat sie längst als Beute ausgemacht
Menschen, die auf dem offenen Meer treiben und von Haien aufs Korn genommen werden, ist sicherlich kein neuer Hut. Es ist gar nicht mal so lange her, da hat sich eine kleine unabhängige amerikanische Filmproduktion namens OPEN WATER dieses Themas angenommen. Im Grunde erzählt THE REEF haargenau dieselbe Geschichte; nur mit mehr Fischfutter, einem etwas höheren Budget und einem etwas fieser in Szene gesetzten Hai.
Aber auch wenn ein solches Szenario wenig Raum für Varianten und Überraschungen bietet, ist es bei aller plottechnischen Unoriginalität eben auch eines, welches an den Urängsten schürt und sich auch in der Wirklichkeit schon genauso zugetragen hat. Das "Based on true Events" ist im Fall von THE REEF sicherlich keine leere Floskel, weil die Handlung doch sehr an das Schicksal der Besatzung des Trawlers New Venture erinnert. Der ist - wie es in dem von Jörg Keller herausgegebenen Buch "Haie" nachzulesen ist - am 26. Juli 1983 in australischen Gewässern umgeschlagen und gesunken. Drei Schiffbrüchige wollten danach ebenfalls zum nächstgelegenen Riff schwimmen. Einer erreichte es tatsächlich, zwei nicht: Und die letzteren sind nicht ertrunken, sondern einem großen Tigerhai, der sie die ganze Zeit über verfolgt hat, zum Opfer gefallen.
Leider besteht die Schwimmgruppe von THE REEF aus recht blassen Figuren. Was die erste halbe Stunde, bis die Protagonisten ins Wasser müssen, nicht unbedingt zum Genuss macht. Doch wenn die Leute im Meer schwimmen, relativieren sich die kleinen, öden Beziehungskrisen und die eher nichts sagenden Figuren. Sobald das Blau des Meeres von einem riesigen Schatten verdunkelt wird und kurz darauf eine Haiflosse aus dem Wasser sticht, herrschen Angst und Schrecken. Dann ist alles auf Panik, Hilflosigkeit und Überlebenswillen reduziert und es fällt nicht mehr ins Gewicht, ob die Protagonisten zuvor cool oder uncool waren. Dann haben wir die Ausgangssituation, in der der zivilisierte Mensch den Gesetzen der Natur, dem in der freien Wildbahn geltenden "Bist du schwach, wirst du gefressen" hilflos ausgesetzt ist.
Es verwundert nicht, dass sich ausgerechnet der Australier Andrew Traucki dieses Themas angenommen hat. Schon sein Erstling BLACK WATER berichtete von einer ähnlich misslichen Lage. Dort bekommen zwei Frauen und ein Mann die Unbarmherzigkeit der Natur zu schmecken, als deren Boot während einer Fahrt durch die Sümpfe von einem Krokodil umgestoßen wird und sie sich (freilich nur vorerst) auf die Mangrovenbäume retten können. Auch BLACK WATER hatte also diese minimalistische Handlung, die dank einer bedrohlichen, klaustrophobischen Inszenierung zu maximalen Terror gedeihen konnte. Ein anderes Plus, welches BLACK WATER zu einem kleinen Geheimtipp für Tierhorrorfans gemacht hat, war das Krokodil selbst gewesen. Sparsam, aber überaus effektiv wurde es eingesetzt. Und es sah verdammt noch mal danach aus, als würde hier ein echtes Reptil nach den Schauspielern schnappen.
Mit THE REEF kopiert Traucki das Erfolgsrezept von BLACK WATER in einem Maßstab von 1 zu 1. Verzicht auf lächerliche CGI, dosierte und realistisch anmutende Tierattacken. Auf dem Wasser gibt es weder Rettung noch Helden. Das Überleben ist reines Glücksspiel. Und wer sich die Verhaltensregeln aus Erich Ritters hochinteressantem Sachbuch "Haiunfälle" hält, wird in diesem Film ebenso schnell Fischfutter wie er es wohl auch in der Wirklichkeit werden würde. Wer aber jetzt denkt, sich hier an zerfetzten Arm- und Beinstümpfen ergötzen zu können, ist leider schief gewickelt. Die FSK 12-Freigabe (die FSK 16 auf dem Cover ist nur den enthaltenen Trailern geschuldet) hat der Film nicht erhalten, weil er vor spektakulären Goreeffekte strotzt. Die Opfer verschwinden meist kurz und schmerzlos im sich plötzlich rot färbenden Wasser.
Dies ist freilich trotzdem kein Grund, THE REEF als Kinderfilm abzutun. Traucki schafft auch hier eine absolut humorlose Stimmung einer allgegenwärtigen Bedrohung. THE REEF sorgt bei seinen Zuschauern für Unbehagen, wenn der Hai seine Kreise immer enger um die hilflose Menschengruppe im Wasser zieht und beinahe noch mehr, wenn man ihn nicht sieht, aber ganz genau weiß, dass er in der Nähe ist. Zur Folge hat dies einige richtig unangenehm packende Momente und selten ging von einem einsam im Wasser treibenden Schildkrötenpanzer eine derartige Bedrohung aus. Dennoch, wenn der Abspann läuft, man aus dem Wasser ist, die Anspannung langsam abfällt und wenn man die Dinge wieder etwas nüchterner sieht, dünkt dem kritischen Geist, dass THE REEF eigentlich lediglich ein etwas aufgemotztes Update von OPEN WATER ist und dass Trauckis Debüt BLACK WATER den Nachfolger in Sachen Nervenkitzel trotzdem aus dem Feld schlägt.
Dazu gesellt sich die Erkenntnis, dass man sich vielleicht doch den ein oder anderen heftigen Schockeffekt mehr gewünscht hätte. Und vielleicht doch etwas peppigere Protagonisten. Dennoch knappe 7 Punkte und die Empfehlung, sich ein Stück Treibgut zu schnappen und sich der todgeweihten Schwimmgruppe anzuschließen. Weil intensive beunruhigende Minuten werdet ihr dort draußen auf dem offenen Meer zuhauf erleben -In diesem Sinne: "Pray that you drown first!"
Die Urangst im offenen Ozean zu treiben und von einem großen, hungrigen Hai umkreist zu werden - Im Grunde variiert Andrew Traucki in THE REEF seinen eigenen Erstling BLACK WATER. Nur verlegt er das Szenario "Hilflose Menschen gegen unerbittliche Bestie" von den Sümpfen ins Meer und ersetzt das Krokodil durch einen Weißen Hai. Da es aber schon einmal einen Film namens OPEN WATER gegeben hat, ist THE REEF streng genommen auch nur eine in Sachen Terror und Unbehagen aufgerüstete Version dieses Films. Seine blassen Figuren und den fehlenden Gore kompensiert Traucki mit angenehm beunruhigend realistisch gehaltenen Haiangriffen und wenn dann die Menschen nach einer halben Stunde im Wasser sind, auch mit einem Gefühl der permanenten Bedrohung.