OT: La Rossa dalla pelle che scotta
GIALLO: ITALIEN, 1971
Regie: Renzo Russo
Darsteller: Farley Granger, Erika Blanc, Venantino Venantini, Erol Keskin
Ein Hippie vermacht dem abgewrackten, an der Flasche hängenden Maler John eine alte, ramponierte Schaufensterpuppe. In seinem Atelier erwacht die Puppe scheinbar zum Leben und mit ihr die Erinnerungen an jene rothaarige Frau, die Johns Herz gebrochen und sein Leben zerstört hat
KRITIK:What the fuck? Kein schönes italienisches Murder Mystery, sondern ein Abgesang auf eine verlorene Liebe? Na ja, der Film würde nicht in diesem Rahmen besprochen werden, wenn´s so wäre. Es wäre sicherlich zu viel des Guten, wenn man diesem nahezu unbekannten Streifen von Renzo Russo den fliegenden Wechsel vom Giallo (als der er ja gilt) ins dramatische Fach bescheinigen würde. Auch wenn Partnerschaftsdifferenzen, Eifersucht und Seitensprünge einen großen Teil der Handlung einnehmen, ist dies natürlich auf der Gefühlsebene wenig tiefschürend. In diesen Szenen ging es dem Regisseur mehr um die lasziv inszenierte Erika Blanc-Show, in welcher der andere Hauptdarsteller Farley Granger mehr oder weniger nur bedröppelt daneben steh-en kann und mit ansehen muss, wie seine Filmgemahlin in bester Nymphomaninnenmanier wildfremden Männern schöne Augen macht
Doch bevor wir das Pferd weiter von hinten aufzäumen, kommen wir erst einmal zu den Rahmenbedingungen von RED HEADED CORPSE:
Da hätten wir den wenig beachteten, doch schön obskuren Giallo aus dem Jahr 1971, der formal zwar alle Genrekonventionen erfüllt, aber versucht sich inhaltlich abzugrenzen. Das heißt: Keine schwarzen Handschuhe, ja nicht einmal einen Killer im ureigensten Sinne des Genre, sondern viel mehr einen seltsam entrückten Film, der es vorzieht - ähnlich wie Bazzoni in seinem SPUREN AUF DEM MOND -in den dunklen Seelentiefen seines Hauptprotagonisten zu fischen. Natürlich dort, wo die Wasser am tiefsten und am unberechenbarsten sind; wo die Dinge schon mal Richtung Mord driften können - womit sich der Kreis zum Giallo ja wieder schließt.
Da die Geschehnisse um den RED HEADED CORPSE nicht chronologisch, sondern mehr oder weniger in umgekehrter Reihenfolge erzählt werden, ist Farley Granger, der unseren Helden spielt, schon kurz nach dem Vorspann kaputt, alkoholkrank und seine Zurechnungsfähigkeit hat sich in weiten Teilen bereits verabschiedet.
Im ersten Filmdrittel darf also erst einmal der Wahnsinn dümpeln. Die Grenzen zwischen Realem und Irrealem verwischen endgültig, wenn eine Schaufensterpuppe plötzlich zum Leben erwacht und dem Maler fortan eine roboterhafte, aber immer lächelnde "Vorzeigeehefrau" ist. Romitellis Musik und die etlichen von John genossenen Gläser Whisky säuseln dann alle Beteiligten (inklusive den Zuschauer) derart ins Delirium, so dass nach zwanzig Minuten niemand mehr genau sagen kann, ob wir uns noch in der Wirklichkeit bewegen oder schon im siebten Höllenkreis der Säufer und gehörnten Ehemänner schmoren
Doch dann erscheint urplötzlich Erika Blanc auf der Bildfläche. Und jetzt führt uns die Handlung zurück zu den letzten glücklichen und geistig gesunden Tagen des Malers John. Gerade als Johns Kunst mit Akten von seiner Frau profitabel wird, entdeckt diese ihre nymphomanische Ader und wendet sich den Akten mit wildfremden Männern zu. Fortan regieren Seitensprünge und Eifersuchtsanfälle das Geschehen. Und die holde Weiblichkeit zeigt sich in der wunderschönen Gestalt der Blanc von ihrer teuflischsten Seite.
Ohne die Blanc wäre der Film mit seiner Abkehr von den delikaten surrealen bis irrealen Verwirrspielen des Startdrittels hin zu einem reinen, wenngleich sehr oberflächlich und unemotional gehaltenen Beziehungsdramas wahrscheinlich mit Pauken und Trompeten untergegangen. Aber Erika ist ja bei uns. Und wie!
La Blanc - rot(haarig) wie die Sünde. Lasziv und unwiderstehlich, aber auch grausam und unersättlich. In THE RED HEADED CORPSE gibt sie schon einmal einen Vorgeschmack auf ihren unvergessen knackigen Auftritt als betörender Sukkubus in Brismees THE DEVIL´S NIGHTMARE. Hier wandelt sie sich von der netten Ehefrau in eine Teufelin, die mit den Männern spielt und ihren Partner am Ende in aller Öffentlichkeit und vor dessen Augen betrügt.
Um dem vermeintlich starken Geschlecht den Kopf zu verdrehen, benötigt die Blanc keine expliziten Sexszenen oder muss allzu viel nackte Haut zeigen. Allein mit ihrer erotischen Ausstrahlung setzt sie den Bildschirm ein ums andere Mal so sehr in Flammen, dass ihr auch das gelegentliche Abgleiten ins Overact-ing verziehen sei. Mit ihrem Sexappeal demütigt sie Farley Granger, verführt sie den alten Schwerenöter Ve-nantino Venantini (EMANUELLE AND THE WHITE SLAVE TRADE), junge wie alte Türken
Moment mal - Türken? Richtig gelesen! Denn THE RED HEADED CORPSE ist eine italienisch-türkische Co-Produktion und gedreht wurde in Istanbul. Allerdings bleibt die für einen Giallo exotische Location und Produktionsbeteiligung eher unauffällig. Russos Inszenierung und Trasattis Kamera sind durch und durch italienisch. Und die Bühne gehört ohnehin Erika Blanc.
Schade, dass Russo seinem letzten Regiewerk nur einen schwammigen Schluss gegönnt hat. So endet die sexy Blanc-Show zwar mit einem Mord oder im Wahnsinn, ganz sicher in Verwirrung, aber ohne gebührendes Feuerwerk, was für den Zuschauer etwas unbefriedigend ist. So sollten sich in erster Linie nur die (sicherlich zahlreich vorhandenen) Verehrer von Erika Blanc angesprochen fühlen. Und natürlich jene wackeren Fans, die auch vor atypischer, seltsamer Filmkost nicht zurückschrecken und nach den vielen schwarzen Handschuhen in ihren Gialli, auch gerne mal wieder einen hätten, wo das andere ureigene Genreelement, nämlich die Schaufensterpuppe eine bedeutende Rolle spielt
Zwar hat THE RED HEADED CORPSE nicht im Ansatz die Klasse des oben erwähnten SPUREN AUF DEN MOND, aber ist ob seiner Eigentümlichkeit auch alles andere als uninteressant.
Erleben wir hier das Delirium eines Mannes mit gebrochenem Herzen oder gar das eines Mörders? Um diese zentrale Frage kreist dieser wenig bekannte und ziemlich merkwürdige Psycho-Giallo, der nach anfänglichem Dümpeln zwischen Wahn und Wirklichkeit in ein Beziehungsdrama inklusive mannstoller Ehefrau umschlägt. Ein Zug, mit dem sich der Film, der bei puristischen Genrefans ohnehin auf verlorenem Posten stehen dürfte, wohl auch bei manchem Aficionado selbst schachmatt gesetzt hätte - wenn da nicht die einzigartige Erika Blanc wäre. Rot(haarig) wie die Sünde, lasziv wie ein gefallener Engel liefert sie ihren knackigsten Auftritt seit THE DEVIL´S NIGHTMARE ab und setzt die Bildschirme ihrer Fans in Flammen. Von daher ist THE RED HEADED CORPSE für ihre Verehrer Pflichtprogramm, aber sollte auch nicht uninteressant für die Freunde von atypischen, obskuren Genrevertretern sein. Gesetzt wird hier zwar nicht auf schwarze Handschuhe, Mord- und Totschlag, aber dafür auf die Erotik der Hauptdarstellerin, surreale Momente und auf Schaufensterpuppen. Wobei den letzteren ja ebenso wie den genannten Handschuhen eine essentielle Symbolkraft in unserem Lieblingsgenre nachgesagt wird