DRAMA: UK, 2006
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell
Großbritannien 1997. Eben erst wurde Tony Blair nach einem Erdrutschsieg zum Premierminister ernannt, da stürzt die Queen durch ihr Verhalten nach Prinzessin Dianas Unfalltod die Englische Monarchie in eine ihrer schlimmsten Krisen der jüngeren Vergangenheit.
Als sehr an Geschichte interessierter Mensch gehören für mich historische Stoffe mit zum Spannendsten, was Kino zu bieten hat. Jedoch, meist fallen darunter Verfilmungen längst vergangener, durch die Geschichtsschreibung und deren oftmalige Umschreibung mehrfach verklärte oder vielfach interpretierbare Vorkommnisse.
The Queen nun aber nimmt sich der jüngsten Vergangenheit an. Jeder, der sich diesen Film jetzt ansieht, kann sich wohl noch bestens an den Tod Lady Dis erinnern. So voll waren die weltweiten Medien davon, dass man beim besten Willen nicht daran vorbei kam. Und nicht wenige hierzulande waren wohl fassungslos, ob der Hysterie, die damals auf der Insel ausbrach, als Menschen, die mit dieser Frau zu Lebzeiten aber auch gar nichts gemein hatten, vor den Fernsehkameras in Tränen ausbrachen.
Nun, dieser Film hilft tatsächlich, so einiges von dem, was damals jenseits des Ärmelkanals passierte, besser zu verstehen.
Frears setzt hier auf meisterhafte Art und Weise ein Kammerspiel in Szene. Ein Kammerspiel mit den wohl bemerkenswertesten Protagonisten, der Royal Family. Und er gewährt einem dadurch so etwas wie einen Blick durchs Schlüsselloch. Wann kann man schließlich die Queen im Nachthemd beim Pläuschchen mit Prinz Philipp erleben, beim Navigieren ihres Rovers durch die Schottischen Hochebenen oder beim Schmeissen einer Garten-Grillparty.
All das könnte natürlich leicht zur Schmiere ausarten, einer müden Klamotte über die Royals. Dass es das nicht tut ist zu einem großen Teil der Kunst des immer wieder großartigen Stephen Frears zu verdanken (auch wenn ihm zwischendurch mal wieder schwächere Filme passieren). Selbst wenn man meint, die ganze Geschichte um Prinzessin Dianas Tod zur Genüge aufbereitet bekommen zu haben, obwohl es einen eigentlich nie wirklich interessiert hat, ist The Queen ein von Anfang bis Ende spannender Film.
Die Spannung bezieht sich dabei einerseits aus dem innerfamiliären Konflikt bei den Royals - Prinz Charles, der viel schneller als seine Mutter erkennt, was das Volk von seiner Königin erwartet auf der einen und Prinz Philipp, dem es vor allem darum geht, so ungestört wie möglich weitermachen zu können auf der anderen Seite, dazwischen die Queen, die vor allem um Haltung bedacht ist.
Andererseits und insbesondere jedoch blickt man gespannt auf die Figur des Tony Blair und wird sich nach nun fast zehn Jahren wieder bewusst, was für ein geschickter und brillanter Politiker er damals noch war. Großbritanniens jüngster Premierminister, der der am längsten dienenden Englischen Königin dabei half, den Respekt ihres Volkes zurück zu gewinnen. Ganz nebenbei toppen für mich persönlich die Blicke durchs Schlüsselloch in Downing Street 10 im Übrigen noch die bei den Royals.
Dass die Darsteller zum Großteil den Personen, die sie darstellen, gar nicht allzu ähnlich sehen, stört dabei gar nicht. Im Gegenteil. So ist man wenigstens nicht vom Inhalt dadurch abgelenkt, dass man sich in andauernder Faszination über etwaige Doppelgänger ergehen muss und kann sich ganz auf das wirklich hervorragende Schauspiel dieses großteils ausserhalb Großbritanniens eher unbekannten Ensembles konzentrieren.
Und an all diejenigen, denen das Genre "Kammerspiel" Angst einjagt: in den Schottischen Hochländern ist Frears ganz der Filmregisseur und liefert als Zuckerguss noch atemberaubende Landschaftsaufnahmen.
Long live The Queen. Spannender und unterhaltsamer kann vermeintlich ausgelutschte Zeitgeschichte nicht sein.