THRILLER/DRAMA/EPISODENFILM: USA, 2012
Regie: Derek Cianfrance
Darsteller: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Rose Byrne, Ray Liotta
Luke ist Stunt-Motorradfahrer auf dem Jahrmarkt. Und so führt "Handsome Luke" ein Leben von Auftritt zu Auftritt, von Jahrmarkt zu Jahrmarkt. Doch die Affäre mit der jungen Romina ändert dieses Leben.
Und das von vier anderen Menschen.
Der Film beginnt recht spartanisch. Der Bildschirm bleibt schwarz, wir hören ein metallisches rhytmisches Geräusch, begleitet von einem schweren Atmen.
Dazu einige Credits, dann die Aufblende. Ein rauchender, hypnotisch mit einem Klappmeser spielender Ryan Gosling rückt ins Bild, jedoch bleibt dieser erst einmal gesichtslos. Nur ein von miserabel geratenen Tätowierungen und Narben übersäter Körper ist zu sehen. Dann eine lange Kamerafahrt die "Handsome Luke" vom Zelt über den ganzen Jahrmarkt bis hin zur "Globe of Speed", der Todeskugel, folgt.
"Hypnotisch" und "atmosphärisch" sind zwei Begriffe die am treffensten The Place Beyond The Pines beschreiben. Und das liegt nicht nur an Ryan Gosling!
Aber ich mag Ryan Gosling. Obwohl dieser während des ganzen Films mehr raucht als er spricht. Oder gerade deswegen? Kaum ein anderer Schauspieler seiner Generation besitzt die Fähigkeit eine Szene nur anhand seiner Mimik und Gestik derart mit Spannung und Emotionen voll zu pumpen wie Gosling. Diese Qualitäten beeindruckten mich schon in "Drive", auch in Nicolas Winding Refns gefeierten Thriller brachte Gosling meist nur One-Liner zum Besten, sorgte aber für den Großteil der Atmosphäre des Films.
Der Vergleich zum Regie-Gewinner von Cannes ist nicht unberechtigt. Auch The Place Beyond The Pines gewinnt schon nach kurzer Zeit sehr schnell an Fahrt und weiß den Zuschauer vor allem durch die irren Kamerafahrten, perfekte musikalische Untermalung und eine Soundkulisse die ein wenig "larger than life" wirkt, mitzureißen. Ganz "lifelike" hingegen sind die Banküberfälle gehalten. Gosling begeht hier einen der intensivsten und spannensten Überfälle der jüngsten Kinogeschichte. Wie das Gegenteil des Höhepunkts in Heat hat das Ganze auf mich gewirkt. Ein Mann, ein Motorrad, eine kleine Provinzfiliale und nach zwei Minuten ist das Ganze vorbei. Nicht aus einer Art Vogelperspektive beobachtet man hier den Überfall, sondern fast subjektiv, mitfiebernd, den eigenen Herzschlag spürend - ein echter "Nailbiter"-Effekt!
The Place Beyond The Pines kann jedoch noch mehr. Das Thriller-Element ist nur eines von vielen in diesem Zweieinhalb-Stunden-Epos. Denn im Gegensatz zu Drive (nicht falsch verstehen, Refns Werk wollte diesem Anspruch auch gar nicht gerecht werden) bietet dieser Film eine handfeste Geschichte. Eine Geschichte über Väter und Söhne, Schweiß, Blut und Tränen, Hass, Gewalt und Liebe, Freundschaft und uralte Verstrickungen in Schuld und Sühne a la Dostojewski.
Doch der große Umfang des Films könnte dem Einen oder Anderen eventuell auch zu viel sein. Denn der Film behandelt das Leben von vier Menschen über einen Zeitraum von fast 20 Jahren.
Obwohl ich im Voraus eines Films meist auf jegliche Infos, Teaser und Trailer verzichte, hätte ich diese Schlüsselinformation doch vor dem Filmstart ganz gerne im Kopf gehabt. Denn nach dem ersten Drittel der Spielzeit steigt die Erzählung tierisch auf die Bremse, was auf mich erst einmal ein wenig enttäuschend wirkte. Aber nicht allzu lange, denn auch die folgenden zwei Drittel des Films übten ebenfalls einen starken Sog auf mich aus, dem ich mich nicht entziehen konnte.
Denn abseits der Erzählung und der Figuren bietet dieser Film einen wunderschönen Rausch aus Bildern, Musik, hervorragenden (teilweise total irren) Kamerafahrten und Landschaftsbildern. Ein wenig überladen könnte das wirken, doch hier hat Derek Cianfrance ("Blue Valentine") die Kurve nochmal gekriegt.
The Place Beyond The Pines konnte mich in Spannung versetzen, traurig machen, zum Lachen bringen und mit einem wohlig melancholischen Gefühl zurücklassen.
Bravo!
"Raw and Beautiful" (Time Out Magazine)
Schuld und Sühne auf der großen Leinwand! Ein Rausch aus Musik, Bildern und Emotionen der ein wohlig melancholisches Gefühl hinterlässt.