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The New York Ripper

The New York Ripper

OT: Lo squartatore di New York
GIALLO: Italien, 1982
Regie: Lucio Fulci
Darsteller: Jack Hedley, Antonella Interlenghi, Howard Ross, Andrea Occipinti

STORY:

In New York treibt ein sadistischer Frauenmörder sein Unwesen, der sich selbst mit Entengequake bei der Polizei meldet. Wer ist dieser Wahnsinnige und was ist sein Motiv?

KRITIK:

Anfang der 80er-Jahre hatte der Giallo seine besten Tage scheinbar bereits hinter sich: Seit Mitte der 70er-Jahre versuchte das Genre seinen zunehmenden Mangel an den ihn ursprünglich kennzeichnenden filmischen Qualitäten durch ein bloßes Mehr an Sex und Gewalt zu kompensieren, was Ende der Dekade in Machwerken wie GIALLO A VENEZIA gipfelte. Doch im Jahre 1982 erschienen zwei Filme, welche zeigten, dass das Genre noch längst nicht tot und seine größten Meister noch lange nicht reif für die Rente waren: Dario Argento kehrte mit TENEBRAE zu dem Genre zurück, welches er mit THE BIRD WITH THE CRYSTAL PLUMAGE Anfang der 70er entscheidend mitdefiniert hatte. Und sein ewiger Rivale Lucio Fulci schuf mit THE NEW YORK RIPPER den bis heute härtesten Giallo, der neben seinen reinen Schauwerten auch eindeutige filmische Qualitäten aufzuweisen hat.

Berühmt wurde der Film in erster Linie durch seine exzessive Darstellung von Sex und Gewalt in Verbindung mit einer düsteren, schmierigen Atmosphäre, welche das Herz der Fans höher schlagen und die Moralapostel auf die Barrikaden steigen ließen. Nicht umsonst war dies einer der Streifen, welcher zu seiner Zeit eine ganz neue Debatte um den bis heute unbewiesenen schädlichen Einfluss von Gewalt in den Medien anstieß und in England zu den berüchtigten "Video Nasties" zählte. Aber kann man THE NEW YORK RIPPER wirklich alleine auf seine spektakuläre Verknüpfung von Sex und Gewalt reduzieren?

Dies ist ein Film, den selbst viele Fulci-Fans nicht unbedingt lieben. Denn während die Gewaltexesse in Fulcis berüchtigten Zombie-Filmen in einer Fantasiewelt stattfinden, spielt sich das sehr reale Gemetzel in THE NEW YORK RIPPER in der uns bekannten Realität ab. Somit entfällt für den Betrachter die Möglichkeit das Geschehen einfach nur als reines imaginäres Spektakel zu konsumieren, ohne sich weiter hiervon betroffen zu fühlen. Durch diesen Mangel an Distanz werden wir gezwungen tief in die (nicht immer besonders logische) Handlung einzutauchen und uns mehr mit den durchweg unsympathischen Protagonisten auseinanderzusetzen, als uns vielleicht lieb ist.

Die New Yorker stehen ja allgemein nicht unbedingt in dem Ruf die umgänglichsten Zeitgenossen zu sein, aber das Aufgebot an Antipathen, welches Fulci hier auf den Zuschauer los lässt, ist trotzdem auf seine Art beeindruckend. Die in THE NEW YORK RIPPER versammelten Protagonisten gleichen schon fast einer Freak-Show, in der bereits die ein wenig minder unsympathischen bzw. gestörten Figuren als Sympathieträger herhalten müssen. Nicht bloß, dass hier fast jeder seine dunklen sexuellen Geheimnisse zu haben scheint. Auch die Figuren, welche in den meisten anderen Filmen die Helden verkörpern würden, entpuppen sich hier schnell als von reinem Eigeninteresse getriebene Drecksäcke.

Der desillusionierte Lt. Fred Williams geht dem Fall um den Ripper zunächst als reine Routinesache nach. Selbst als der Killer seine Geliebte in seiner Gewalt hat, scheint er zunächst mehr darum besorgt, dass seine Kollegen erfahren könnten, dass es der Chef mit einer Prostituierten treibt, als darum deren Leben zu retten. Der arrogante Dr. Davis wiederum betrachtet den Fall als eine reine intellektuelle Übung, bei der er seine von ihm selbst als überragend bezeichnete Intelligenz beweisen kann. Dabei entbehrt es nicht der Komik, wie sehr dieser Dr. Davis stets von seinen eigenen schmalen Einsichten begeistert ist, obwohl er nie etwas wirklich Entscheidendes zur Lösung des Falls beitragen kann.

Es ist dieser ausgesprochene Zynismus, der THE NEW YORK RIPPER zu einem so unangenehmen Film macht, den man schlecht zur reinen Unterhaltung genießen kann. Hierdurch wird dieses Werk Fulcis jedoch zugleich zu weit mehr, als einem reinen Exploitation-Flick. THE NEW YORK RIPPER ist im Kern eine ätzende Gesellschaftskritik. Der Film zeigt das Bild einer Gesellschaft, die einzig von Eigennutz und sinnlosem Leistungsstreben angetrieben wird. So sagt Peter Bunch in einer der Schlüsselszenen des Films, dass man in den USA ein Niemand und somit verloren sei, wenn man keine besonderen Fähigkeiten habe und nicht in irgendeinem Bereich der Beste wäre. Wahrscheinlich zeigt sich hier auch Lucio Fulcis eigener Frust, den er hatte, weil er neben Dario Argento eben immer nur die Nummer zwei unter Italiens Genre-Regisseuren war. Bis heute hat sich an dieser Rollenverteilung wenig geändert. Während die offizielle Kritik allmählich wenigstens Mario Bava und Dario Argento als bedeutende Filmemacher ernstzunehmen beginnt, gilt Lucio Fulci nach wie vor alleine als der "Master of Gore".

Wie steht es jedoch mit dem gegenüber Lucio Fulci immer wieder erhobenen Vorwurf der Misogynie? Dieser wird von der in THE NEW YORK RIPPER schnell abgeschlachteten Zora Kerova eindeutig zurückgewiesen. Wie die Schauspielerin in ihrem Interview auf der Special Edition von Blue Underground sagt, schien der Regisseur mehr eine Wut auf die gesamte Menschheit zu haben. Doch selbst dieser Eindruck habe sich bei ihr schnell verflüchtigt, als sie ihn näher kennengelernt habe. Von dieser Aussage einer Frau, die Fulci persönlich kannte einmal abgesehen ist es natürlich sehr verkürzt gedacht, wenn man jeden Film, in dem Gewalt gegenüber Frauen gezeigt wird, gleich als misogyn brandmarkt. Denn dann wäre auch jeder Dokumentarfilm, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt misogyn.

Obwohl die Frauen in THE NEW YORK RIPPER auf den ersten Blick niedergemetzelt werden, weil sie bekommen, was sie (in den Augen der Männer im Film) verdienen, so sind es in diesem Film doch die Männer die wahren Übeltäter. So erscheint z.B. die als Besucherin der Live-Sex-Show eingeführte Jane Forrster Lodge zunächst als reine Nymphomanin. Dann zeigt sich jedoch, dass sie ein zwar bizarres, jedoch beidseitiges, Arrangement mit ihrem Ehemann verbindet. Und spätestens, als die drei Latinos in der Spelunke ihre Geilheit ausnutzen, um sich über sie lustig zu machen, tut sie einem dann doch eher leid. Hier setzt Fulci uns den Spiegel vor und macht klar, dass all das zum Teil abartige Geschehen nur deshalb vor uns abläuft, weil wir es so sehen wollen.

The New York Ripper Bild 1
The New York Ripper Bild 2
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FAZIT:

Lucio Fulcis wohl berüchtigster Film THE NEW YORK RIPPER ist auf der einen Seite ein sehr derbes, dunkles und blutrünstiges Exploitation-Flick. Doch zugleich kann dieser Film als eine ätzende Gesellschafts- und Medienkritik gelesen werden.

WERTUNG: 9 von 10 von Entengequake begleitete sadistische Morde
TEXT © Gregor Torinus
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