FANTASY/DRAMA: E, 2018
Regie: Terry Gilliam
Darsteller: Adam Driver, Jonathan Pryce, Stellan Skarsgård, Olga Kurylenko, Joana Ribeiro
Der Werbefilmer Toby (Adam Driver) hat in der spanischen Einöde ein gigantisches Filmset aufgebaut. Er kennt die Gegend nur zu gut: Hier hat er vor Jahren einen Film namens THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE gedreht, der, wie es sich herausstellt, jedem Beteiligten Unglück gebracht hat. Auch Toby selbst. Er weiß nur noch nichts davon.
Niemand hätte noch ernsthaft damit gerechnet, diesen Film jemals sehen zu können. Die von einer unglaublichen Pleiten, Pech- und Pannenserie heimgesuchte Produktionsgeschichte von THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE zog sich bekanntlich über 20 Jahre hin. Ich verzichte hier auf eine Nacherzählung der Ereignisse und verweise auf die extrem sehenswerten Doku LOST IN LA MANCHA (2002).
Nun hat Terry Gilliam, mittlerweile 77, sein Herzensprojekt doch noch fertig gestellt. Allerdings mit anderen Schauspielern und einer neuen Geschichte. Terry Gilliam macht seinem Spitznamen Captain Chaos wie erwartet alle Ehre: Die Story lagert er in ein Grenzgebiet zwischen Realität, Traumwelt und Wahnsinn aus, wo sich surrealer Slapstick im Geiste der Monty Pythons und Blödsinn höherer Ordnung Schwert und Lanze in die Hand geben.
Der ritterliche Weg durch die sagenumwobene Landschaft La Mancha ist gesäumt von Windmühlen (no na), Dämonen, Rittern (ohne Kokosnuss, aber beträchtlichem Dachschaden), Schwertern, Lanzen, Tierkadavern und edlen Prinzessinnen, die es zu retten gilt. Das hat durchaus seine amüsanten Momente. Etwa die Szene, in der Don Quixote, schwer gaga und leicht kurzsichtig, eine Herde grasender Schafe wegen ihrer Körperhaltung für betende Muslime hält.
Ein publicityträchtiger Shitstorm ist bislang ausgeblieben. Vielleicht auch nur, weil noch niemand diese Kritik gelesen hat? Also, spread the Word, Leute, und teilt diesen Artikel. Dankeschön :-)
Terry Gilliam ist der letzte große Regisseur, der unbeirrt eigensinnige, anarchistische Filme dreht. Dem niemand mit neuzeitlichem Bullshit wie Marktforschung, Zielgruppen-Analyse und Testscreenings blöd kommen darf. Der mit Klassikern wie DIE RITTER DER KOKOSNUSS, BRAZIL und FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS Beiträge zum Weltkulturerbe geschaffen hat. In dessen Filmographie sich aber auch Zweifelhaftes und Misslungenes findet.
Drücken wir es mal freundlich aus: THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE zählt nicht zu den Meisterwerken des Regisseurs. Überbordende Phantasie und bizarre Visionen wird man dem Mann aber nur schwer absprechen können. Auch der Look ist hübsch, Terry Gilliam-Trademark-Weitwinkel und eigenwillige Kamerafahrten wohin man blickt. Leider ist das schmale Budget schmerzhaft sichtbar. Außerdem laboriert THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE am TERMINATOR: GENISYS-Syndrom: Zu überladen, zu wirr, zu sehr um die Ecke gedacht. Der Film ist eigentlich ein Film-im-Film und gleichzeitig sein eigenes Making-Of. Irgendwer hätte das kreative, substanzeninduzierte (?) Chaos von diversen Meta-Ebenen befreien und in narrative Bahnen lenken müssen. So verliert auch der geduldigste Zuseher irgendwann in den viel zu langen 133 Minuten Laufzeit das Interesse und beginnt auf die Uhr zu blicken. Und sich über allzu alberne, kindische Scherze zu ärgern, die im Mistkübel des Schneideraums noch fürstlich aufgehoben wären.
Aber irgendwie kann man Terry Gilliam nicht wirklich böse sein. Ich vermute, dass der Mann es längst seinen entrückten Filmhelden gleichgetan hat und in seiner ganz eigenen Realität lebt. Damit ist THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE eigentlich über jede Kritik erhaben. Oder anders ausgedrückt: Für Fans halt.
Allein dass dieser Film existiert, ist ein mittleres Wunder. Wirklich glücklich werden dürften mit dieser chaotischen Mixtur aus dadaistischem Fantasy-Slapstick und Gaga-Kostümschinken aber nur eingefleischte Fans von Terry Gilliam.