OT: Las Garras de Lorelei
SCHAUERMäR: Spanien, 1974
Regie: Amando de Ossorio
Darsteller: Tony Kendall, Helga Liné, Silvia Tortosa, Josefina Jartin
Eine mysteriöse Mordserie sorgt in einem Mädcheninternat am Rhein für Unruhe. Gut, der stattlich aussehende Bärenjäger Sigurd, der dem wilden Treiben ein Ende bereiten soll, sorgt unter den Mädels ebenfalls für Unruhe, aber die Internatsleitung hält das für das kleinere Übel. Aber seine Anstrengungen bleiben ohne Erfolg, das Tier reißt weitere Opfer. Doch ist es wirklich ein Tier, oder ist etwas an der schaurigen Sage um die schöne Lorelei dran, die im Dorf die Runde machen?
Aus den tiefsten Tiefen des Rheins steigt diese Nixe empor - was für eine erstaunliche Entdeckung. Ho hum. Sagen wir, wenn man offen ist für trashige spanische Horrorfilme der 70er-Jahre.
Die sind nämlich immer ein wenig verspielter und abgedrehter als die Leinwand erlaubt: Eine Hanni-und-Nanni-Nibelungen-Lorelei-Gummimonster-Frankenstein-Schauermär sieht man nun wirklich nicht alle Tage. Es ist schon erstaunlich, was Drehbuchautor und Regisseur Amado de Ossorio alles unter einen Hut bekommt.
Er kombiniert zwei urdeutsche Sagen, zeigt läufige Schulmädchen am Pool, lässt ein Monster durch die Nacht tapern, das mich an Jack Arnolds legendären SCHRECKEN VOM AMAZONAS erinnert - und inszeniert das alles auch noch knallbunt wie einen Giallo. Respekt. Und das beste: Es funktioniert. Zwar passt nichts, aber irgendwie doch alles zusammen. Das heißt natürlich nicht, dass alles gut ist.
Während etwa die märchenhafte Atmosphäre ausgezeichnet gelingt und der grafische Horror sogar ausgesprochen explizit ist, ist das Kunstblut in erster Linie künstlich und erst danach Blut. Die typisch deutschen Pinienwälder, die ich am Rhein gerne mal sehen würde, sind ein Lehrstück in heimischer Flora. Das eiskalte Händchen, das beim obligatorischen Mad-Scientist zu sehen ist, gehörte wohl einer Schaufensterpuppe. Und herzzerreißend naiv ist natürlich die heilende Wirkung (!) der Radioaktivität.
Vor allem aber implodiert die zart aufgebaute Spannung, sobald klar ist, wer da in der PVC-Ummantelung ist. Andererseits wird dadurch der Blick frei für die wahren Schauwerte des Films. Und das sind in erster Linie die Bilder, die Amado de Ossorio immer wieder einfängt. Ich habe selten Sleaze, Trash und Poesie derart einträchtig in einem Film sehen können: Die Lorelei am Rhein etwa, dargestellt von Helga Liné.
Die macht in vielen spanischen Filmen eine gute Figur, aber hier erst recht. Dabei war sie damals schon jenseits der 40, geht aber locker 15 Jahre jünger durch und verkörpert die rothaarige Nixe, der man(n) nur zu gerne verfällt. Erst recht wenn der schwülstige Sirenengesang eine Symbiose mit den Bildern eingeht. Ein bisschen erschreckend ist nur der Zustand des Rheins. Wenn Tony Kendall baden geht, möchte man sich am liebsten schütteln - allerdings badet Kendall natürlich in einem spanischen See vor Toren Madrids.
Ach ja - Tony Kendall. Gestatten, Sigurd. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum die Mädel nicht heulend weglaufen, sobald sie seinen Namen hören. Aber die haben vermutlich nur auf die Brustbehaarung gestarrt, die das offene Hemd durchblicken lässt. Und für den Namen kann er ja nichts.
Dafür sind seine farbechten Klamotten der Knaller. Und als holder Jägersmann immer schießbereit. Auch wenn er ausschließlich die Mädchen des Pensionats erlegt, die er doch eigentlich schützen sollte. Hätte er dabei noch "Let the Sunshine in" gesungen, hätte ich meine Sinne an der nächsten Polizeistation abgegeben.
DIE BESTIE IM MÄDCHEN-PENSIONAT ist eine kleine Eurotrash-Perle, die ihre simplen Tricks nicht mal ansatzweise kaschiert, die man aber dafür einfach mögen muss. Die hemmungslos einfach alles in einen Topf schmeißt und alles umrührt, in dem festen Glauben, dass was Gutes dabei herauskommt.
Und die durch kleine Drehungen wie ein Kaleidoskop immer wieder eine neue Variation reinbringt, auch wenn man schon glaubt, alles gesehen zu haben. Das ist die Magie des Kinos.